DonQ hat geschrieben:
* snip*
Harmony Rhapsody hat geschrieben:
Ich für meinen Teil, bin immernoch der Meinung das Neu-Rivin von seinem Anziehungsgrad den es früher als Rivin hatte, viel eingebüßt hat. Klar, die Stadt ist ins Meer gefallen, aber viele Sachen sind auch einfach Möglichkeiten die geboten werden können. Vielleicht fehlen auch einfach mehr Informationen? Welche Gesellschaften gibt es in Rivin, wie ist die Bevölkerung aufgebaut usw.
Vieles von dem, was man hier so liest, erinnert mich ganz frappierend an meine beiden Graphiken in
diesem Thema (unteres Viertel der Seite).
Nur schlägt DonQ eine radikalere Lösung vor. Eine Welt, die weitgehend ohne Spielleiterschaft auskommt, und in der nur ganz rudimentär Teile des Settings simuliert werden müssten (Devise "es ist was du siehst")?
Aber ist diese Welt dann am Ende nicht wirklich ZU klein (ein Provinzkaff mit 20 Seelen)? Verliert sie dann nicht doch stark an Attraktivität, Rollenmöglichkeiten und auch an interessanten Strukturen? Nicht jeder findet sich in einem Dorf eine Nische oder findet an Charakteren Gefallen, die so gebaut sind, dass sie, obwohl sie nichts und niemand in einem Landdörfchen halten würde, dennoch dort verweilen. Ich nehme nicht an, dass viele Spieler Untertanen eines Grundherrns spielen wollen? Rivin liegt nunmal an einer Küste in einer vormodernen Welt. Die Leute dort sind eben nicht in die Wüste geworfen, sondern können frei herumziehen; und das Meer ist die Autobahn. Um DonQs Wüstenbeispiel aufzugreifen: Das erste, was die Münchner Bevölkerung machen würde, wenn sie könnte, wäre doch, die Wüste zu verlassen. Und am Ende passt die Wüste dann eben doch zu einer kleinen Zahl von Rollenkonzepten (Bedouinen!), die dann dort wirklich verweilen. Insofern bräuchte es schon ein Setting mit ausreichend Attraktivität (Pull-Faktoren), denn Zwänge oder Push-Faktoren lassen sich für Helden schwer finden. Was oft in diese Richtung versucht wurde ist ein Bedrohungsszenario zu entwerfen, das Helden anlockt (Ihr könnt nicht wegziehen! Ihr müsst uns helfen!). Aber das wird wahrscheinlich sehr schnell langweilig.
Ein besonderes Anliegen wäre da etwa auch die "Anonymität", die in kleinen Settings einfach nicht gegeben ist. Vor allem Rollen am Rande der Kriminalität brauchen mitunter ein gewisses Maß an Anonymität. Klar, auch in der Vormoderne gab es am (nicht-anonymen) Lande Räuberbanden. Die haben aber dann das Problem gelöst, indem sie einfach weiter gezogen sind – kaum eine Alternative für einen permanenten Server.
Was ich ebenso als Problem einer allzu kleinen Welt empfinden würde: ein dermaßen kleines Biotop lässt nicht ausreichend Platz für komplexere Machtstrukturen. Das meiste wird sich auf face-to-face-Interaktion zwischen Spielercharakteren abspielen. Nun werden manche freilich sagen: Ja, das ist doch, was wir wollen, das ist Rollenspiel! Aber! 1) Haben solche Situationen naturgemäß ein hohes Eskalationspotential. Es stellt sich doch die Befürchtung ein, dass Konflikte kindergarten-artige Ausmaße annehmen könnten, und dass allzuschnell zum Schwert gegriffen wird. Ein großes Maß an Frust und auch eine allzu schnelle "Lösung" von Konflikten, bevor sie breitere Wirkungen und Strukturen entfalten können, ist vorprogrammiert. Die Mittel und Wege in so einer Welt sind einfach zu beschränkt. 2) Dürfte Macht in einem solchem Setting sehr stark an das persönliche Bedrohungspotential gekoppelt sein (Level), einfach weil andere Formen der Macht (gesellschaftliche Macht, Hierarchien, Ämter, Meinungsführer, etc.) weniger Potential haben. Gerade Rollen, die auf diese Formen der Macht zugeschnitten sind (z.B. Priester – nicht Kleriker; Adelige) müssten darunter leiden.
Auch die Plausibilität eines Kaffs, in dem sich 20 Halbgott-ähnliche Persönlichkeiten einfinden, wäre zu überdenken. Oder aber man achtet einfach nicht auf Plausibilität - das ist tatsächlich auch eine Lösung.
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass nur ein urbanes Setting alles liefern kann, was eine persistente Welt können sollte: Die Stadt erlaubt halbwegs plausible Ansammlungen von selbst extrem machtvollen Charakteren, und es bietet eine große Vielfalt an spielbaren Rollen. Meine Hypothese, wie man des Problems allzu großer, nicht mehr simulierbarer Vielfalt Herr werden könnte (das Problem scheint es ja auch jetzt immer noch zu geben), habe ich damals detailliert beschrieben: Beschränkung auf ein einziges Stadtviertel, das höchst detailliert und dicht ausgearbeitet und bespielt wird, sodass möglichst viele Spielercharaktere von (wirtschaftlichen, hierarchischen, gesellschaftlichen) Wirkungsketten betroffen werden. Alles außerhalb des Viertels (andere Viertel, Umland der Stadt, Handel und Beziehungen mit anderen Städten, etc.) wird nur ganz oberflächlich simuliert, kann aber durchaus Anstöße zur Belebung geben.
Und tatsächlich denke ich da ein sehr detailliert ausgearbeitetes Viertel. Es verlockt mich geradezu, so eine Art Flipchart zu entwerfen, auf dem die wichtigsten Strukturen z.B. eines Hafenviertels abgebildet sind: unterschiedliche Interessensgruppierungen mit ihren Interessen und Mitteln, mit wichtigen Charakteren, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhängen, etc. etc. Mir als historisch sehr interessierter Person würde es Spaß bereiten, mir das alles auszudenken. Allerdings sehe ich auch das Problem, dass – so denke ich zumindest – viele Spieler einfach zu "modern" denken und eine ganz andere Vorstellung von einer ...ähm ..."vormodernen urbanen Lebenswelt" haben, und vielleicht mit manchem davon nichts anfangen können. Mein Ansatz wäre also vielleicht ein bisschen zu "low fantasy". Womöglich haben die meisten Spieler gar kein echtes Interesse, sich auf "Stadt" einzulassen, die dann doch ein Bisschen etwas anderes/ mehr ist als das herkömmliche "Monster" und "Magie"? Und um sich eine solche urbane Welt auszudenken, muss man (d.h. v.a. die Spielleitung, die Spieler nur wenn sie wollen bzw. höhere Positionen in der Stadt anstreben) sich eben zunächst vor allem mit Dingen wie Märkten, Anzahl der Schiffe, Versorgung der Stadt etc. auseinandersetzen WOLLEN. Das sind die Dinge, die den Unterbau von Geschichten und Atmosphären, die den Spieler dann auf der Oberfläche einbinden und "mitnehmen", eben ausmachen.
Ich denke nach wie vor, dass ein Setting "von oben" (nicht für ein Setting "von unten" wie bei DonQ) funktionieren könnte – allerdings eines, das eben funktioniert und in dem alles ineinander greift, nicht 5 Settings an 5 verschiedenen Orten, oder gar ein Setting, das mal hier und mal dort ist und in dem sich die SCs Gründe aus der Nase ziehen müssen (shopping-Tour, im Ernst?!), warum sie mit dem Setting mitwandern. Und reine Kopfgeburten (à la wir machen jetzt eine "böse" Gilde auf, ohne auch nur irgendeinen Grund oder Ansatzpunkt im konkreten Setting dafür zu haben) haben in meinem Konzept auch keinen Platz.
Wie man das ganze dann verwalten würde, damit nicht die Übersicht völlig den Bach runter geht - keine Ahnung. Gebiets- oder einzelne Gruppen-SL finde ich nicht gut. Da es um das Viertel und die Wirkungsketten innerhalb des Viertels geht, sollten alle die gleichen Informationen haben, und nicht Spezialist für dieses oder jenes sein. Ich weiß ja auch nicht, wie bisher alles verwaltet wurde. Ich könnte mir es so vorstellen: Es gibt je eine Datei für jede "Gruppe" (Patrizierfamilie 1-3, Gewerbe/Zünfte/Gilden 1-8, Bande 1-3, Tempel 1-2, Tagelöhner, städt. Magistrat/Verwaltung) im Viertel und eine Datei für jede wichtige Person - eventuell auch eine Hauptdatei (in der chronologisch größere Themen/Entwicklungen festgehalten werden). In diesen Dateien stehen zunächst alle grundlegenden Informationen über die jeweilige Gruppe/Person (Geschichte, Interessen, Mitglieder(-schicht), Mittel bzw. Einnahmequellen, wichtige Ämter/Hierarchien, Verhältnisse zu anderen Gruppen, Zugänglichkeit, Ruf in der Öffentlichkeit, Bekanntheit, etc. etc.). Alle SL können gleichzeitig (google docs?) auf die Dateien zugreifen, alles nachlesen und Aktuelles und Laufendes ergänzen - jeweils mit Datumsvermerk? So könnte dann zum Beispiel ein SL am Abend sich eine Datei einer Gruppe öffnen, dort nachlesen, was gerade aktuell ist, das IG irgendwie darstellen, und einen kleinen Vermerk bei in der Gruppen-Datei hinterlassen, was er ausgespielt hat. Das muss nun nichts Weltbewegendes sein, aber durch das Nachlesen in diesen Dateien bekommt man vielleicht leichter Anregungen für solche kleinen Belebungen der Stadt. Womöglich ist es etwas, bei dem nicht einmal ein SC eingreifen muss/will. Trotzdem bringt es Atmosphäre und Belebung. Ich meine ja immer noch, dass Rollenspiel - zumal auf einer persistenten Welt - aus dem Erleben und Erschaffen von Atmosphären besteht (die eben zum Teil auch mitgestaltet werden). "Geschichten/Narrationen" kommen für mich erst danach und sind auch irgendwie unpraktisch, weil sie stets einen Höhepunkt und ein Ende benötigen.
In regelmäßigen Abständen (jede Woche?) wäre dann eine Art Fazit zu ziehen, um zu sehen, wie sich die Gesamtlage verändert hat. Öfter ist gar nicht notwendig und vielleicht auch nicht gut, denn es hat eben nicht jeder jeden Tag Zeit. Die Welt darf sich nicht so schnell drehen, dass man ausgeklammert wird, wenn man eine Woche mal nicht Zeit hat. Das "Fazit" bezieht sich vor allem auf konkurrierende Gruppen. Welche Handlungen/Ereignisse haben Einfluss auf wen? Wer sieht sich zum Handeln gezwungen oder sollte zum Handeln angeregt werden? Und schließlich: welche SCs werden von diesem oder jenem betroffen und wie/durch welche Situation vermittle ich ihnen das - am besten ig? Ist vielleicht auch etwas wichtiges "öffentlich" zu machen? Natürlich macht es aber Sinn, dass wichtige Persönlichkeiten SL-Cs immer von ein und demselben SL gespielt werden, einfach der Kohärenz wegen. Aber z.B. die Darstellung rangniedrigerer Gruppenmitglieder (z.B. Fischer, einfacher Lakai einer Adelsfamilie, Ganoven-Capo der mittleren Ebene, ein einfaches Mitglied einer Tempel-Laienbruderschaft, etc.) wären durchaus für jeden SL beliebig darstellbar.
Ganz am Rande würde ich auch ein regelmäßig stattfindendes Event gutheißen - der Puls der Stadt! Zum Beispiel ein Markttag jede Woche - ist zugleich realistisch und sollte auch recht viele Spieler an einem Ort zusammenbringen. Irgendwas wird dann schon passieren. Und auch der Tag-Nachtwechsel war, als ich noch aktiv war, eines meiner großen Anliegen. Hat sich das vielleicht mittlerweile schon geändert? Es ermattet, die Stadt immer nur im Dunkeln sehen zu können (falls man nur abends online konnte), und auch das RP fand immer zu einer undefinierbaren, verschwommenen Tageszeit statt. Zu einem detailliert ausgearbeitetem Viertel gehören auch typische Tagesabläufe.
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Charaktere:
Flammo (inaktiv) - galanter, geschleckter Lackaffe, Cavalier und Stadtratskandidat
Lothlann (inaktiv) - anerkennungssüchtiger, sembischer Wirt und barocker Antiheld
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