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 Betreff des Beitrags: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Di 4. Nov 2014, 11:39 
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Registriert: Fr 16. Mai 2014, 22:37
Beiträge: 799
Regen…
Nässe…
Steine…
Aua!

Tara schreckt auf und sieht sich orientierungslos um.
Es dauert eine Weile, bis sie ihre Gedanken ordnen kann und erkennt, wo sie ist.
Neu-Rivin. Sie liegt tatsächlich in einer der Gassen Neu-Rivins in einer ziemlich schmutzigen Pfütze, auf dem harten Stein.
„Was…bei allen Höllen….?!....“
Sie steht auf, um der kalten, unangenehmen Nässe zu entkommen, indem sie sich erhebt. Vielmehr versucht sie es, denn der erste Versuch diesbezüglich misslingt und endet in einem Schmerzenslaut, gefolgt von leisen Flüchen, die selbst einem gestandenen Seemann die Schamesröte ins Gesicht treiben könnten.
Abermals vergeht eine Weile, während sich Tara sammelt und darauf konzentriert, einfach nur aufzustehen.
Schließlich gelingt es. Schwankend und unsicher steht sie auf ihren eigenen Füßen.
Wie ging das doch gleich noch mal, das Laufen?
Einen Fuß vor den anderen…linker Fuß…rechter Fuß…linker Fuß…rechter Fuß…
Es ist früh am Morgen. Der momentan allgegenwärtige Regen und die daran schuldigen Wolken sorgen dafür, dass die Stadt in einem seltsam, fahlen Licht liegt. Nicht mehr Nacht, doch auch kein Tag.
Ein kleiner Teil ihres Verstandes philosophiert darüber, dass dieser Umstand perfekt zu Taras Zustand passt. Weder noch. Immer wieder, weder noch.
Unwirrisch ob der ungewollten Geistesleistung flucht sie leise vor sich hin.
Doch das weder, noch hallt stetig in ihrem Geist nach.
Sie versucht sich auf den, an sich, simplen Vorgang des Laufens zu konzentrieren.
Linker Fuß…rechter Fuß…
Bei allen Höllen! Hoffentlich sah sie niemand so!
Erschöpft bleibt sie stehen und sieht an sich herab. Ihre Gewandung war verloren. Soviel war sicher. Es machte keinen Sinn mehr, zu versuchen, mit Nadel und Faden irgendetwas daran zu flicken. Das, was einmal ihr Kleid war, sah nun aus, als wäre es explodiert. Nur noch Fetzen, die blutverschmiert an ihr herabhingen.
Ihr Cape indes schien halbwegs heil geblieben zu sein. Die Verschluss-Spange war zwar hin, doch das ließ sich leicht richten.
Sie versucht, sich so gut es eben geht, in besagtes Cape einzuhüllen, um ihre Blöße zu verdecken.
Was, bei allen Höllen, war nur geschehen?! Alles schmerzte, unzählige Wunden kleiner und mittlerer Art bedeckten ihren Körper.
Sie wankt weiter.
Linker Fuß…rechter Fuß…linker Fuß…rechter Fuß…
Selbst mit größter Mühe, kann sie sich nur daran erinnern, dass sie spät abends noch arbeitete. Und …Blumen. Ja, irgendwie roch es nach …Blumen.
Es ist noch ein gutes Stück Weg, bis zu ihrer Unterkunft.
Linker Fuß…rechter Fuß…
Der unwillkommene Philosoph in ihrem Kopf stellt nunmehr Vergleiche zwischen ihrer momentanen Erscheinung und diversen Kreaturen an.
Tatsächlich könnte manch vorwitziger Windbeutel sie für eine, ihrem Grab entstiegene Leiche halten, wie sie sich bewegt. Abgerissen, vom brackigen Wasser der Pfütze stinkend, wobei sie es vermeidet über die Beschaffenheit und den Inhalt besagter Pfütze nachzudenken, und langsam schlurfenden Schrittes wirkt sie tatsächlich, wie eine dieser untoten Kreaturen, die sie so verabscheut.
Linker Fuß…rechter Fuß…
Sie schlurft über die Brücke. Vielleicht, hoffentlich halten die Wachen sie nur für eine Aussätzige. Sollten sie auf sie schießen, könnte sie in ihrem Zustand nicht einmal den Versuch unternehmen, auszuweichen oder gar zu fliehen.
Linker Fuß…rechter Fuß…
Was war nur geschehen?
Allmählich schleichen sich Gedankenfetzen in ihren Geist. Dunkelheit. Eine Steinplatte. Lederriemen und immer wieder Schmerz.
Linker Fuß…rechter Fuß…
Mühsam versucht sie ihren Verstand zu zwingen, sein Wissen preis zu geben.
Tatsächlich drängen sich nach gehöriger Zeit weiter Bilder auf.
Seltsame Leute. Unverständliches Gerede. Dunkelheit. Kälte.
Linker Fuß…rechter Fuß…
Konzentriere dich!
Einsamkeit und die Präsenz von etwas, das die Einsamkeit geradezu verlockend erscheinen lässt. Kratzen und Scharren.
Linker Fuß…rechter Fuß…
Aug in Aug mit einer furchteinflößenden Kreatur, die nach ihr greift und schnappt.
Feuer. Stinkendes Fleisch.
Mehr Kreaturen, die auf sie zueilen.
Linker Fuß…rechter Fuß…
Plötzlich sieht sie in ihrem Geiste auf diese Kreaturen herab. Schreckliche Klauen, die denen der Kreaturen in nichts nachstehen zerfetzen selbige und werfen die Stücke herum. Doch irgendwie scheint alles sinnlos. Weder zeigen sich die geifernden und nach ihr lechzenden Wesen beeindruckt, noch scheinen sie irgendwie in ihren Bestrebungen nachzulassen. Unaufhaltsam bedrängen sie sie.
Noch etwas mischt sich nun in ihre Erinnerung. Schmerz. Unsäglicher Schmerz und eine eisige Kälte, die tief in ihr Innerstes vordringt.
Linker Fuß…rechter Fuß…
Die Erinnerungen verblassen. Mischen sich mit irgendwelchen Traumbildern zu einem Gemenge unverständlichem, wirren Zeug.
Doch halt! Eins war da noch…
Ein Ring.
Warum erinnerte sie sich ausgerechnet an den Ring?
Linker Fuß…rechter Fuß…Halt.
Tara bleibt stehen und sucht in den Resten ihrer …einstigen…Gewandung.
War alles nur ein böser Traum? War sie vom Met bezecht in eine Schlägerei geraten? Wurde sie überfallen? Ausgeraubt?
Wurde sie langsam wahnsinnig?
Ihre Finger schließen sich um einen kleinen Gegenstand. Sie öffnet ihre Hand und sieht in ungläubigem Erstaunen auf den schmalen Goldring der blitzblank auf ihrer Handfläche glänzt…


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Do 12. Mär 2015, 15:29 
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Registriert: Fr 16. Mai 2014, 22:37
Beiträge: 799
Heiß.
Heiß und hell.
Unglaublich heiß und hell…

Sie ist wieder im Blutsteintal. Es hat geschneit und der fast ewige Winter hat jeden Zweig der Bäume mit glitzerndem Eis umhüllt. Ganz so, wie sie es schon immer fasziniert hat. Doch wie ist das möglich?
War sie nicht eben noch…?
Ja, wo war sie eigentlich?
Da ist die Straße, die in die Stadt führt. Sie führt am Tempel vorbei, direkt zum prächtigen Anwesen des Barons.
Kaum gedacht, steht sie auch schon vor dem Tempel.
Die Priester und Laien gehen ihrem gewohnten Tagwerk nach, doch niemand scheint sie wahrzunehmen. Keiner drückt ihr einen Eimer in die Hand und verlangt, dass sie den Boden wische. Niemand, der sie losschickt, Reagenzien zu besorgen oder das Werden der Tränke zu beaufsichtigen. Jeder läuft an ihr vorbei…
Einen Gedanken später findet sie sich in einem schlichten, doch soliden Häuschen wieder. Moment…!
Das…ist…war ihr Zuhause!
Da steht immer noch ihr Bett, fertig gemacht, als warte es nur darauf, dass sie sich zur Ruhe lege. Großmutters Bett in der anderen Ecke. Großmutter!
Wo steckt sie nur?
Ein weiterer Gedanke und sie steht vor dem Domizil der Blutstäbe. Ist Großmutter drinnen?
Seltsam, sie kann das Domizil nicht betreten. Was geht hier vor?
Während Tara darüber nachsinnt, fließen die Erinnerungen, gleich einem immer rasender werdendem Fluß durch ihren Geist.
Großmutter jung, voller Trauer….der Tempel, Tara selbst, als kleines Mädchen zusammen mit Großmutter…Winter, Vaasa…der Junge mit seinem Hund im Tempel... das Verlangen, helfen zu wollen… die Leute aus ihrem Dorf…Unbehagen…der Baum am Dorfplatz….ein Fuhrwerk….Lichter…Großmutter alt, voller Sorge, geradezu ängstlich… der lange Weg über Dilpur und die See der fallenden Sterne nach Rivin… ihre ersten Begegnungen mit den Einwohnern… Tajo, Damian, die Baronin, Wotan, Panos…der Frater….ihre Studien…Rauvyl…Rantagar und all die anderen… Leid und Tod… Untote, jede Menge Untote… der Friedhof…
Tara hat das Gefühl, als stehe sie neben sich und sähe sich selbst zu. Was bei allen Höllen geschah hier nur?
Schließlich wird es dunkler. Es scheint, als würde sich das Licht selbst zurückziehen.
Doch es ist keine Leere, kein finsteres Nichts. Vielmehr scheint es ihr, als… warte… in diesem Dunkel etwas auf sie. Seltsamerweise spürt sie keine Furcht. Sie meint leise ihren Namen rufen zu hören. Wer rief da?
Irgendwie war das alles so seltsam… vertraut?
Bevor sie jedoch auch nur ansatzweise ihre Gedanken hierzu ordnen kann, beginnt etwas an ihrem Selbst zu zerren. Immer stärker werdend und unabänderlich.
Etwas, das sie schließlich irgendwohin schleudert.
Das Letzte das sie sieht sind die Gesichter von….Leuten, die sie kennt und momentan doch nicht beim Namen nennen kann. Dann endlich fällt die gandenvolle Dunkelheit des Vergessens über sie.

Wie viel Zeit verging, weiß Tara nicht zu sagen.
Irgendwann schlägt sie die Augen auf und sieht sich um.
Autsch! Bloß nicht zu viel bewegen!
Wo war sie hier? Und wie kam sie hierher?
Wie wundervoll weich diese Bettstatt war! Hier könnte sie ewig verweilen.
Moment…
Sie war doch schon einmal hier gewesen. Es ist zwar geraume Zeit her, doch…ja, so musste es sein, sie war in Rosenfeld. Im Anwesen der Baronin. Doch wie bei allen Höllen, kam sie hierher?
Mühsam klaubt sie die Gedankenfetzen zusammen, die in ihrem Kopf wild durcheinander wirbeln.
Löwenbach…
Untote…
Der Drache…
Genau! Das war es. Der Drache spie sein Feuer auf sie. Doch waren da nicht noch andere dabei?
Vorsichtig sieht Tara sich im Zimmer um. Sie war allein.
Wo waren die anderen? Warum war sie überhaupt hier und nicht in Löwenbach?
War der Drache besiegt? Wimmelte es jetzt dort von Untoten?
Bei allen Höllen! Sie war in Rosenfeld! Was würde Wotan sagen? Die Baronin hatte es ihm zweifelsohne erzählt. Jeden Moment konnte die Tür aufgehen und er hereinkommen. Bisher war sie es doch stets gewesen, die zur Vorsicht gemahnte. Und nun lag sie hier. Niedergestreckt von einem üblen Drachen, der nicht mal nach ihr schlug, sondern sie vielleicht nur annieste! War sie unachtsam gewesen? Zu leichtsinnig? Vermutlich konnte Wotan vor Lachen keinen Schmiedehammer anheben, wenn er das erfuhr! Oder, schlimmer noch, er kam zu ihr, um sie zu schelten.
Eine Weile grübelt sie über die Frage von Schuld, bis sie abermals erschöpft, darüber einschläft.
Irgendwann wacht Tara wieder auf. Körperlich geht es ihr nunmehr deutlich besser, doch dafür plagt sie nun der Hunger. Offenbar ist es Zeit, das gastliche Rosenfeld zu verlassen…


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Mi 20. Jan 2016, 16:51 
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Registriert: Fr 16. Mai 2014, 22:37
Beiträge: 799
Die Nacht weicht allmählich dem Morgen, der indes auch nur weitere Unmengen Schnee und Eises verheißt.
Da sitzt sie nun am Feuer, umgeben von mehr oder weniger schützenden Planen und Stoffbahnen und trocknet ihre Sachen.
Tatsächlich vermögen es die geschickt platzierten Stoffwände weitestgehend die beißende Kälte draußen und die Wärme des Feuers, innerhalb des fragilen Konstrukts zu halten.
Eigentlich sollte sie frieren und mit den Zähnen klappern, durchnässt und ausgekühlt wie sie nun ist, doch irgendwie geht ihr Empfinden nicht darüber hinaus, dass es eben recht kalt ist. Einzig die Nässe des schmelzenden Eises, die der Grund für ihr Verweilen am Feuer ist, fühlt sich sehr unangenehm an.
Schnee…
Eis…
Und obendrein noch Sturm!
Tara war sich der Blicke der anderen und ihrer eindeutigen Gesten, die Zweifel ob ihres Geisteszustandes bekundeten, wohl bewusst.
Und dennoch!
Mochte dieser Wintereinbruch auch hart und womöglich überaus ungewohnt für diese Gegend sein, gab er ihr doch eine akzeptable Illusion ihrer Heimat. Es hatte keinen Sinn, darüber zu reden, sich zu erklären, niemand würde es wohl verstehen, wie man irgendetwas für derlei Witterung übrig haben konnte. Sollten sie doch alle für närrisch halten! Womöglich war das einfacher hinzunehmen, als irgendwas zu sagen, das am Ende auch nur als Ausrede angesehen würde.
Wieder und wieder wendet sie ihr Cape, während sie alsbald dem hypnotischen Einfluß erliegt, den der aufsteigende Dampf aus ihren trocknenden Sachen verursacht.
In relativ kurzer Zeit lehnt sie also am behaglich, den Rücken wärmenden Strohballen, derer einige um das die Vorderseite wärmende Feuer gelegt sind, und ist in tiefen Schlaf gefallen.
Da sie es dummerweise versäumte, Railantas Gebräu zu nutzen, mit dessen Hilfe sie sich dem Schlaf, ohne all seine lästigen Träume hingeben konnte, ließen jene nicht lange auf sich warten…

...

„Tara! Wach auf!“
Oooch! Nur noch ein kleines bisschen! Einen Augenblick nur. Sie hatte doch noch gar nicht ausgeschlafen.
„Wach endlich auf, du kleine Schlafmütze!“
Ha! Klein? Wer wagt es? Immerhin überragt sie die meisten Mädchen ihrer Altersgruppe um einen guten Kopf. Blinzelnd öffnet sie erst ein, dann das andere Auge, um den Frechling zu sehen, der es wagt, sie klein zu nennen.
Natürlich! Wer sollte es auch sonst sein…
„Großmutter…?“
„Ja wer denn sonst? Oder meinst du, wir hätten in der Nacht noch Gäste bekommen? Steh endlich auf! Oder willst du deinen großen Tag verpassen? Heute ist doch die Probe zur Aufnahme…“
Die Alte lässt von dem Mädchen ab und macht sich daran, etwas Essbares auf den Tisch zu bringen.
Beiläufig meint sie, ohne Tara anzusehen: „Ich kann natürlich auch allein gehen und ihnen sagen, du hättest es dir anders überlegt, Angst bekommen oder etwas in der Art….“
Wie von Teufeln gehetzt springt Tara aus dem Bett: „Nein! Ich komm ja schon. Mach das nicht! Ich komme mit!“
Nur selten ging die eisige Morgenwäsche und das Anlegen der Gewandung schneller, als heute. Ein Bissen Brot im Mund, gleichzeitig versuchend, irgendwie das Kleid über den Kopf zu ziehen, während sie nach ihrem Schuhwerk späht, das auf unerklärliche Weise wieder den Weg in eine schwer zugängliche Ecke fand. Alles versucht sie gleichzeitig zu machen, was der Alten ein herzliches Gelächter entlockt.
„Übertreib es nicht! Du bringst dich ja fast um! Immer schön eins nach dem anderen…“ ermahnt sie das Mädchen.
Mißtrauisch sieht Tara zu ihrer Großmutter auf.
„Ich denke, die Zeit drängt?“
„Tja, da ich meine ..kl…meine Schlafmütze ja kenne, habe ich dich eben rechtzeitig geweckt. Du sollst zwar nicht herumtrödeln, doch panisch brauchst du auch nicht werden.“



Die Magae, die sie im Vorraum des Domizils in Empfang nahm, erklärt ihnen knapp und sachlich, was nun geschehen würde.
„Jeder von euch erhält drei Aufgaben. Zum Ersten werdet ihr eine Schrift vorlesen und uns dann sagen, worum es darin geht.
Zum Zweiten werdet ihr versuchen, ein verzaubertes Artefakt aus den nicht magischen herauszufinden.
Und zum Dritten werdet ihr uns zeigen, was ihr schon könnt.
Dabei braucht ihr keine Angst zu habe, es stehen genug Magi bereit, einzugreifen, sollte euch etwas misslingen.“
Tara besieht sich ihre Mitstreiter. Zum Einen war da der Sohn des reichen Kaufmanns aus Blutstein, dem eine Blutsteinmine gehören soll. Raf….Raf….Rafsan, so hieß er wohl. Die beiden Brüder kannte sie schon. Kommen sie doch, wie sie selbst, aus Frostforst. Das stille Mädchen indes soll aus Virdin, der alten Königsstadt stammen. Tara war noch nie in Virdin, doch bevor sie weiter über derlei Dinge nachdenken kann, wird das Mädchen auch schon aufgerufen.
Gebannt sieht Tara zu, wie die beschriebene Prozedur wohl abläuft.
Inmitten des Saales wurde ein größerer Bereich frei geräumt und abgesperrt. Sonst standen hier ziemlich große Tische herum, die meist mit Unmengen von irgendwelchen Schriften belegt waren. Sie kannte das von den wenigen Malen, als Großmutter sie hierher mitnahm.
Heute jedoch waren alle Tische fort, bis auf einen, an welchem drei Magi saßen. Einen von ihnen erkannte sie als den amtierenden Hochmagus. Um die Absperrung besagter Absperrung wachen weitere Magi. Einige Katzen laufen frei herum. Doch auch sie hüten sich, die Absperrung zu übertreten. Ziemlich schlaue Katzen…
Das Mädchen scheint sich ganz gut zu schlagen. Vorgelesen hat sie wohl, auch wenn Tara von ihrer Position, wo die Übrigen warten, nichts hören kann und auch den verzauberten Ring fand sie wohl heraus.
Neugierig sieht Tara der dritten Aufgabe zu. Das Mädchen konzentriert sich und plötzlich wird es deutlich heller um sie herum. Die Magi quittieren das offenkundig mit Wohlwollen und schicken sie zurück zu den Wartenden.
Mit einem glückseligen Lächeln gesellt sich das Mädchen wieder zu ihnen.
Als Nächstes sind die nacheinander die beiden Brüder dran.
Tara richtet ihr Interesse auf eine der Katzen, mit der sie leise spielt und sie krault, was die Katz mit wohligem Schnurren honoriert.
Obschon einer der Brüder sich etwas schwer tut, bestehen offenbar auch diese Beiden die Aufnahmeprobe.
Dann ist sie auch schon selbst an der Reihe.
Tara lässt von der Katze ab, die offenkundig gar nicht erfreut darob ist und betritt mit wackligen Knien die Absperrung…
Die drei Magi am Tisch scheinen sie mit ihren Blicken durchbohren zu wollen. Zumindest fühlt es sich für das junge Ding exakt so an, bis der Hochmagus das Wort an sie richtet.
„Dunkelwald also….Es war zu erwarten, dich dereinst hier zu sehen. Wie alt bist du?“
„Sie….Sieben, He….Hochmagus.“ stammelt Tara.
„Ah ja. Sieben also…nun denn, wollen wir doch mal sehen, ob du bei deiner Großmutter gut aufgepasst hast…“
Mit diesen Worten schiebt er Tara ein Pergament zu, auf welchem in deutlichen Lettern etwas geschrieben steht.
Fast wirkt sie enttäuscht, als sie erkennt, dass es ein Teil einer bekannten Kindergeschichte ist.
Wie verlangt liest sie den Text vor und guckt hernach erwartungsvoll zu den Magi.
„Sehr schön. Und nun sage uns, was du davon hältst!“
Ohne langes Zögern platzt Tara heraus: „Das ist totaler Unsinn! Kein Wolf würde einen Menschen fressen. Der passt doch in so einen Wolf gar nicht rein!
Zudem die Wölfe einen großen Bogen um alles machen, was auf zwei Beinen geht, es sei denn, sie sind halb wahnsinnig vor Hunger…
Aber auch dann passt ein Mensch nicht in den Wolf.“ Stellt sie fest.
Mit einem deutlichen Schmunzeln nehmen die Magi ihre Einlassung zur Kenntnis, bevor sie wortlos einige Amulette vor ihr ausbreiten.
Tara lässt die Wölfe Wölfe sein und konzentriert sich darauf, das verzauberte Amulett zu erkennen.
Wie sagte Großmutter? Man muß es fühlen. Das Gewebe, was immer das sein soll, würde anders sein, wenn etwas verzaubert ist. Also muß sie nur herausfinden, welches Amulett sich anderes als die anderen anfühlt. Leichter gesagt, als getan!
Unter den wachsamen Augen der Magi nimmt Tara ein Amulett nach dem anderen in die Hand und vergleicht, ob sie irgendwas spürt. Eine Weile dauert das wohl, doch irgendwann spürt sie bei einem ein seltsames, undefinierbares Kribbeln in der Hand, so wie es sich anfühlt, kurz bevor ein Blitz irgendwo einschlägt.
Mit einem stummen Gebet, dass es das Rechte sein möge, gibt sie es den Magi.
„Das hier ist es…?“
Der Reaktion der Magi nach, hat sie wohl Glück und es ist tatsächlich das Richtige.
„Wie hast du es erkannt?“ will der Hochmagus wissen.
„Es …fühlt…sich anders an, als die anderen. Irgendwie.“ Eine bessere Erklärung will ihr partout nicht einfallen, doch sie scheint zu genügen.
Bevor einer der Magi ihr die letzte Aufgabe stellen kann, spürt Tara, wie irgendetwas an ihren Beinen herumstreicht. Mit einem Aufschrei des Entsetzens springt sie zurück und tut irgendetwas, das sie gar nicht einmal benennen kann.
Als Ergebnis dessen formt sich jedoch ein dünner, rötlicher Strahl, der den Grund ihres Schreckens trifft.
Offenbar kam die Katze, mit der sie sich vordem befasste, zu dem Schluß, dass ihr wohl noch mehr Streicheleinheiten von Tara zustanden und beschloß jene nun einzufordern. Doch weder die Katze, noch Tara selbst oder gar die Magi hatten mit dem Ergebnis dieser tierischen Eigenmächtigkeit gerechnet. Ebenso rasch, wie Tara zurücksprang und der Strahl aufblitzte war der ganze Spuk auch schon wieder vorüber. Einzig die Katze lag da, als hätte sie ihrem kleinen Körper mehr abverlangt, als gut für sie war. Offenkundig war sie so erschöpft, dass sie nicht mal mehr die Kraft hatte, auf ihren eigenen Pfoten zu stehen. Panisch nimmt Tara das Kätzchen auf, auch wenn sie nicht die leiseste Ahnung hat, was sie nun tun soll.
Zu ihrem Glück schwindet jedoch die Wirkung dessen, was immer sie auch tat, rasch und mit einem ungnädigen Fauchen entweicht das Katzentier…
„Nun…ich glaube, nun wissen wir, wo deine Talente liegen.“ Bricht der Hochmagus nach einer kurzen Weile, die Tara wie eine Ewigkeit erscheint, das Schweigen.
Eine ältere Magae, die womöglich im selben Alter, wie Großmutter ist, merkt an: „Ich fühle mich sehr an ihre Mutter erinnert.“
„Tatsächlich… Nur das Melissa keine bedauernswerte Katze behelligte.“ Antwortet der Hochmagus.
Tara sinkt förmlich in sich zusammen. Was hatte sie nur getan? Erst denken, dann handeln!
Warum hatte sie nicht auf ihre Großmutter gehört, die ihr das immer und immer wieder predigt?
„Du bist aufgenommen! An deiner Eignung kann kein Zweifel bestehen.“
Die Worte des Hochmagus reißen sie aus ihren Gedanken.
„Gleichwohl wir dir zuerst wohl beibringen müssen, dass der Umgang mit dem Gewebe große Verantwortung mit sich bringt…“
Tara weiß gar nicht, was sie sagen soll und nickt nur stumm, bevor sie sich, ebenso wacklig, wie sie die Absperrung betrat, wieder zu ihren Schicksalsgenossen begibt.
Einerseits neugierig, andererseits noch mit dem eben Erlebten beschäftigt, registriert sie gerade noch, wie der Kaufmannssohn offenbar viel Zeit zum Lesen benötigt. Offenbar braucht er ebenso hierbei, wie auch bei der zweiten Aufgabe mehrere Anläufe, bevor es glückt. Zu guter Letzt erschafft er einige Funken, die recht schnell verglühen, doch irgendwie größtes Wohlwollen der anwesenden Magi hervorrufen.
Als Rafsan mit stolz geschwellter Brust zurückkehrt und verkündet, dass die Prüfung doch recht einfach war, bietet ihm Tara ohne großes Zögern an, ihm beim Lesen zu helfen, damit es schneller und flüssiger ginge.
Wenn menschliche Blicke töten könnten, wäre ihr Leben wohl in diesem Augenblick beendet gewesen…



„Natürlich werde ich bald am Tor meinen Dienst tun!“ Rafsan lässt keinen Zweifel daran, dass er es sein wird, der demnächst die Magi am damaranischen Tor, das die Grenze zu Vaasa sichert, kommandieren wird.
Sie hatten alle die Prüfung bestanden. Es war also nur noch eine Formsache, bis sie offiziell ihren Adeptenstatus verlieren und als Novizen der Blutstäbe in der Gilde aufgenommen würden. Sicher waren die Pergamente schon unterzeichnet und lagen irgendwo in dem Chaos auf dem Tisch des Hochmagus. Drei Jahre sind seit ihrer Aufnahme vergangen. Drei Jahre, in denen Tara begierig alles Wissen in sich aufnahm, dessen sie habhaft werden konnte. Mit Valen aus Virdin verband sie nun eine enge Freundschaft und sie alberten oft herum und trieben allerlei Unfug.
Tara hatte es aufgegeben zu zählen, wie oft sie zur Strafe das Laboratorium putzen oder die Bücher entstauben mussten.
Einzig ihr Verhältnis zu Rafsan schien sich stetig zu verschlechtern.
Es ist ihr ein Rätsel, warum er von allen so hofiert wird. Selbst der Hochmagus lässt ihm Dinge durchgehen, für die er sie wohl aus der Gilde werfen würde.
Im Stillen ist sie der Überzeugung, sein Vater habe die Blutstäbe gekauft, weshalb sein inkompetenter Sohn nun Narrenfreiheit genieße.
Bevor sie etwas dagegen tun kann, kommen die Worte aus ihrem Mund: „Auf jemanden wie dich warten sie da sicher schon!“ Der beißende Spott ist unüberhörbar.
Rafsan baut sich vor ihr auf, obschon er einen Kopf kleiner, wenngleich doppelt so breit ist. „Sag das noch mal!“
Tara sieht zu ihm herab und seufzt. Vorsichtig, um den Bogen nicht zu überspannen wählt sie ihre Worte.
„Du solltest besser nicht ans Tor gehen! Dort ist es …gefährlich.“
Höhnisch kommt Rafsans Replik: „Da macht sich wohl jemand vor Angst in die Robe!“
Das genügt, um bei Tara das Faß zum überlaufen zu bringen. „Mag sein. Doch du bestehst ja nicht einmal gegen einen von uns hier! Hast du das denn nie bemerkt, dass man dir alles durchgehen lässt? Mit deinem armseligen Können bist du weder uns, erst recht nicht den Horden aus Vaasa gewachsen!“
Valen bedeutet ihr verhalten durch Gesten, endlich still zu sein, während Rafsans Gesicht ein feuriges Rot annimt.
„Forderst du mich heraus, du Wichtigtuerin?“
„Dich? Pah! Niemals. Wir beide wissen wohl, dass du mir nicht gewachsen bist.“
„Dann fordere ich eben dich heraus, Feigling! Dann werden wir ja sehen, wer hier wem gewachsen ist.“
Tara zwingt sich zur Ruhe, was ihr nur sehr mühsam und unvollständig gelingt.
„Tu nichts Unüberlegtes! Was, wenn was passiert?“
„HA! Angst hat sie!“ schreit Rafsan. „Erst das große Wort führen und dann kneifen! Das sind mir die Richtigen! Hast wohl Angst, dass alle sehen, was du alles nicht kannst?“
Das war zuviel für Tara. „Ganz wie du willst, du eitler Narr! Hier bin ich. Zeig, was du kannst!“
Wutentbrannt schleudert Rafsan pure, gefährlich knisternde Energie auf Tara, die sie jedoch mühelos abwehrt.
Ihrerseits wirkt sie ohne Nachzudenken etwas und stößt Rafsan grob zurück.
Eigentlich war sie gar nicht in der Lage, diesen dicken Brocken auch nur ins Wanken zu bringen, doch Rafsan bricht zusammen, als sei er jedweder Kraft beraubt und dem Tode nahe.
Valen schreit entsetzt auf, während eilig einige Magi, die den immer lauter werdenden Streit wohl mitbekamen, herbei eilen und sich um Rafsan kümmern.
Jener hebt mühsam den Arm. „Die….die da….die wollte mich UMBRINGEN!“



In ihrer Alltagsgewandung steht Tara auf dem Platz vor dem Domizil der Blutstäbe.
Wegen Nichteignung entlassen.
Heiß wallt der Zorn in ihr hoch. Sie kann ihn geradezu physisch spüren.



Tara schlägt die Augen auf. Bei allen Höllen! Nur einer dieser widerwärtigen Träume.
Doch die Hitze ist überaus real. Rasch entfernt sie ihre Sachen und sich selbst vom Feuer, bevor noch etwas zu Schaden kommt.


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Do 18. Feb 2016, 16:50 
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Registriert: Fr 16. Mai 2014, 22:37
Beiträge: 799
Da sitzt sie also abermals am Feuer und besieht sich die Beeren, die Skorn Schattenbiß, der Wächter, ihr gab.
Ihr Elixier war verbraucht. Eigentlich wünscht sie sich, dass Railanta hier auftauchen möge. Immerhin hatte sie ihr gesagt, dass sie Nachschub für Tara gebraut habe.
Mißtrauisch besieht sie sich eine der Beeren im flackernden Schein des Feuers. Tatsächlich half Railantas Elixier ausgezeichnet. All die enervierenden Träume, die sie so sehr plagten, waren fort.
Ob die Beeren tatsächlich ähnliches bewirken? Die Nebenwirkungen waren durchaus bemerkenswert, doch hatte sie denn eine Wahl?
Ravennas Violine klingt durch die Nacht.
Musik ist tatsächlich etwas Feines! So beruhigend…
Nach den letzten Nächten, in denen der Schlaf sie floh und die Träume über sie herfielen, wie hungrige Raubtiere ist Ravennas Spiel die reinste Wohltat.
Tara schließt die Augen.
Nur ein wenig ausruhen…
Sich entspannen und den schönen Klängen lauschen…
Nur einen Augenblick lang…
Und schon sinkt sie in sich zusammen und lehnt schlafend am warmen Heuballen.



„Eile dich! Es gibt noch mehr zu tun!“
Dieser Widerling sollte zur Armee gehen! Da wäre er wohl weit besser aufgehoben, so wie er hier alle herumkommandiert.
Tara wringt den Lappen aus. Der Eingangsbereich des Tempels strahlt in hellem Glanz, so sauber hat sie alles gewischt. Zumindest denkt sie das.
„Geh hinab! Du füllst jetzt die Tränke in die Phiolen! Die sind fertig.“
Hm…
Na das klingt doch schon mal viel besser, als auf den Knien herumzurutschen und den Boden zu schrubben.
Eilig schafft Tara Eimer und Lappen fort und begibt sich in das, wie sie es nennt, Laboratorium, um die Tränke abzufüllen.
Wie immer bleibt sie kurz in der Tür stehen und schüttelt wehmütig die Gedanken ab, die ihr angesichts der blubbernden Kolben, Reagenzien und alchemistischen Apparaturen in den Sinn kommen.
Vier lange Jahre ist sie nun schon hier. Vier Jahre im Tempel des Leidenden, in denen sie die Arbeit verrichten muß, für die sich die Priester und hohen Herren zu fein sind.
Dass sie die Abgeschiedenheit und Atmosphäre des Laboratoriums liebt, muß niemand wissen. Machte sie doch nunmehr schon des Öfteren die Erfahrung, dass man ihr nahm, woran sie offenkundige Freude hatte. Sollen sie doch glauben, sie grusele sich im Keller und das Blubbern und Zischen der Apparaturen mache ihr Angst!
Bedauerlicherweise kann sie ihrem alchemistischen Tun nicht lange frönen, kommt doch schon nach kurzer Zeit eine Novizin, die ebenfalls hier im Tempel ihre Dienste tut, hereingestürmt.
„Komm schnell! Sie bringen welche vom Tor. Einige sehen wirklich übel aus.“
Tara lässt alles stehen und liegen und folgt.
Tatsächlich!
In der Eingangshalle, die sie eben noch auf Hochglanz polierte, sitzen und liegen einige Verletzte und bluten den Boden voll. Und es werden noch mehr hereingebracht. Manche kommen, gestützt von ihren Kameraden, auf eigenen Beinen, andere werden hineingetragen.
Die Heiler sortieren die Verletzten gleich nach der Schwere ihres Leidens. Die leichten Fälle werden den Hilfskräften, wie Tara eine ist, überantwortet, die schwierigeren stabilisiert, während man sich um die schweren sofort kümmert.
Gleichwohl auch einige den Weg vom Tor zum Tempel nach Blutstein nicht geschafft haben.
Deren leblose Körper legt man in einen gesonderten Raum.
Dem Laien mag das Treiben wie ein Ameisenhaufen erscheinen. Alle rennen irgendwie geschäftig durcheinander und es mutet wie das reinste Chaos an.
Die Sonne hat ihren Zenit schon weit überschritten, als sich ein Ende abzeichnet. Die meisten Verletzten sind versorgt, ins Lazarett gebracht oder, wem das Glück hold war, sogar selbst nach Hause gegangen.
Nur noch wenige Verletzte nehmen die Aufmerksamkeit der Heiler und Priester in Anspruch.
Tara atmet durch und sieht sich um.
Da steht er. Klein, unscheinbar und sichtlich verunsichert, was er tun soll, spricht er den einen oder anderen Priester an und hält ihm ein Fellbündel hin, das er bei sich trägt. Doch irgendwie mag sich niemand um den Kleinen kümmern. Manchmal wird er gar grob aus dem Weg geschubst.
Eine Weile sieht Tara sich das an, bevor sie auf den Jungen zu tritt.
„Was….he! Dich kenne ich doch! Was machst du denn hier?“
Tatsächlich stammt der Kleine aus Frostforst, dem selben Dorf, wie sie selbst. Soweit sie weiß, dient sein Vater, wie so viele andere am Tor. Sie sah ihn auch schon in seiner schweren Rüstung im Dorf herumlaufen.
Der Kleine sieht zu ihr auf.
„Ich habe Vater begleitet, als sie ihn hierher brachten. Zuerst haben wir noch einiges beredet. Er sagte mir, dass ich Mama ganz dolle drücken und ihr helfen soll. Doch dann ist er eingeschlafen und hat nichts mehr gesagt. Sie haben ihn verbunden und dorthin…“ er deutet auf eine unscheinbare Tür „gebracht. Ich darf da nicht rein, sagten sie mir. Und jetzt warte ich, bis Vater wieder aufwacht.“
Tara folgt seinem Zeig. Sie schluckt. Bei allen Höllen!
Wie soll sie es dem Jungen nur sagen? Soll sie es überhaupt?
Niemand, der durch diese Tür gebracht wurde wird je wieder erwachen.
Würde er es überhaupt verstehen?
Sie beschließt, es mit Ablenkung zu versuchen.
„Wen hast du denn da mitgebracht?“ deutet sie auf das kleine Fellbündel im Arm des Jungen.
„Das ist Strig. Mein Hund. Leider geriet er auf dem Weg hierher unter die Räder. Das muß ihm furchbar weh getan haben. Ich suche hier jemanden, der ihn wieder gesund machen kann. Weißt du da vielleicht wen?“
Vorsichtig untersucht Tara den kleinen Hund. Sein Fell war warm und wuschelig. Er war noch sehr jung. Passte gut zu dem Kleinen. Doch bemerkte sie recht schnell, dass Strigs Körper begann, auszukühlen.
Heute war wahrlich kein guter Tag für den Jungen.
Tara sieht vom Hund zum Kind, das sie mit erwartungsvollen Kulleraugen ansieht.
„Ähm…na ja. Du siehst ja, wie viel hier alle zu tun haben. Da hat gerade keiner Zeit für dich….“
Tun oder nicht tun?
Tun oder nicht tun?
Fieberhaft überlegt sie, ob sie es wagen solle. Gewiß, derlei ist verboten und wird schrecklich hart bestraft, doch womöglich kann sie wenigstens den Hund zurückholen. Immerhin ist der Körper noch warm, er kann also noch nicht zu weit fort sein. Wenigstens ein wenig Schmerz könnte sie dem Kleinen ersparen…
„…aber wenn du möchtest, will ich versuchen, dir zu helfen.“
Der Junge strahlt sie an. „Au ja! Das möchte ich! Endlich wer, der mich nicht wegscheucht….“
„Na schön. Dann komm mit! Wir gehen besser hinaus, bevor wir hier noch irgendwem im Weg herum stehen…“



„Du darfst aber niemandem sagen, dass ich dir helfe!“
„Warum denn nicht? Helfen ist doch was Schönes und du bist die Einzige, die mir hilft.“
„Weil…na weil… sonst alle kommen und irgendwas wollen!“
„Ach so! Du bist also nur faul.“ Ganz offenkundig akzeptiert der Kleine in seinem kindlichen Verständnis jedoch Taras Begründung.



Zucken.
Nicht mehr als ein Zucken konnte sie dem Körper des Hundes entlocken.
Was war nur schief gegangen? Hatte sie nicht alles so gemacht, wie es beschrieben stand?
Warum stand dieser Hund nicht wieder auf?
Tara gibt sich größte Mühe. Sie konzentriert sich so stark, dass sie meint, ihr Kopf würde platzen.
Doch nichts! Nur dieses dümmliche, erbärmliche Zucken.
Wie lange versucht sie es nun schon? Jedwedes Zeitgefühl ist fort.
Endlich wendet sie sich dem Jungen zu.
„Ich fürchte, Strig will lieber anderswo sein und nicht aufwachen.“ Bescheidet sie ihm traurig.
Die Augen des Jungen schwimmen in Tränen. „Wa….warum denn nur? Er ist doch hier, wie ….kann er denn da weg sein?“
„Na ja….Strig ist jetzt in seiner Traumwelt, weißt du?.... Du weißt doch, dass Träume was sehr Schönes sind. Und da will er einfach nicht wieder weg…“
Der Kleine schluchzt. „Er ist tot! Ich weiß es.“
Tara nickt betreten, unfähig irgendeine vernünftige Entscheidung zu treffen.
„Er ist tot, ebenso wie Papa!“ Das Entsetzen ob dieser jähen Erkenntnis ist deutlich in das Gesicht des Jungen geschrieben.
Abermals nickt Tara, mehr zu erahnen, denn zu sehen.
„Du…..du! ….du warst das!“
Die in Wut umgemünzte Trauer des Jungen ignorierend, nimmt Tara ihn in den Arm.
So sitzen sie eine Weile, bis er schließlich aufspringt und wortlos fort rennt.
Fürwahr! Das war ein grässlicher Tag.



Warum nur benehmen sich alle so eigenartig? Hatte sie wen beleidigt?
Tara kann die bösen Blicke und die eindeutig feindselige Haltung der Leute ihr gegenüber nicht verstehen. War sie denn nicht immer freundlich und half, wo sie konnte?



Die Tür fliegt krachend auf.
Schwere Stiefel poltern in die Stube.
Großmutter?
Wo steckt sie nur wieder?
Großmutter!
Das sind ja gar keine Räuber, das sind die Leute aus dem Dorf?!
Tara versteht rein gar nichts, wie sie gepackt und aus dem Bett gezerrt wird. Was geht hier vor?
Vor der Tür warten viele Dörfler mit Fackeln. Es ist taghell.
Ihre Absicht steht ihnen, für wirklich jeden erkennbar, deutlich ins Gesicht geschrieben.
Neeeeeeiiiiiiiinnnnnnn…….!



Was bei allen Höllen geht hier vor?
Tara reißt erschrocken die Augen auf. Verdammt, das Lager brennt!
Es sieht aus, als habe es hier eine furchtbare Explosion gegeben…


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Mi 16. Nov 2016, 10:57 
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… endlich überstanden?
Es dauert geraume Zeit, bis Tara es tatsächlich begreift, dass die unselige Pestilenz, die unweigerlich ihr Ende bedeutet hätte, aus ihrem Körper verschwunden ist.
So rational und logisch sie ansonsten auch denkt und handelt, schaudert sie die Vorstellung immer noch, von Würmern und Maden zerfressen zu werden, gar zu jenen zu zerfallen. Überdeutlich ist das Bild ihres bedauernswerten Selbst in ihr Gedächtnis eingebrannt, als es davon ereilt wurde.
Gleichwohl war sie es zufrieden. Obschon sie sich daran erinnerte, war das, was ihr widerfuhr nie geschehen, respektive würde nicht geschehen, soweit glaubte sie ihrer anderen Existenz. Zeit ist schon ein Paradoxum und wert, eingehender erforscht zu werden.
Doch fürs Erste gibt es andere Probleme zu lösen.
Die Dinge, die sie mit der Beschaffung des Artefaktes einst ins Rollen brachte, vielmehr ins Rollen bringen würde, sollten nunmehr wieder so sein, wie sie sein sollen.
Tara überlegt…
War es richtig gewesen, dieses überaus mächtige Artefakt zurückzubringen?
Hätten sie es vielleicht auch ohne jenes geschafft?
Wie viele Probleme wären nie aufgetaucht, wenn sie es nicht getan hätte?
Andererseits gab es allein dadurch vermutlich….nein sogar sehr wahrscheinlich… weit weniger Verluste, als ohne dessen Hilfe.
Es muß für ihre Widersacher eine böse Überraschung gewesen sein, ihre Opponenten nicht umbringen zu können…
Allerdings wusste sie zu dem Zeitpunkt, als sie das Artefakt übergab und die Einzige, die es nutzen kann unterwies, nicht genug, um eben das ruhigen Gewissens zu tun.
Nie zuvor ging sie ein derartiges Risiko ein!
Und jenes war immens, wie sich nun ja schmerzlich herausstellte. Ihr Einsatz bei dieser Sache war hoch. Sehr hoch. Womöglich war die Seherin die Einzige, die überhaupt begriff, wie hoch.
Wie sie es auch dreht und wendet, ja, unter den gegebenen Umständen würde sie es wieder tun.
Es ist einfach, wenn man keine Wahl hat.
Doch womöglich lauerten nun neue Probleme, gar Gefahren auf sie?
Eigentlich wollte sie die Zeit, die sie… befallen… war in sicherer Umgebung verbringen. Doch war dies wohl ein zu großes Risiko. Gewiß, sie war den Hunger gewohnt, kannte ihn seit einer gefühlten Ewigkeit, doch jener war nichts gegen die rasende Gier, die während ihrer…Krankheit… in ihr wütete und sie beinahe zu einem wilden Tier machte. Es war grässlich, ihr Verstand schrie und tobte, während ihr Körper eine Art Eigenleben entwickelte und sie in Situationen trieb, in die sie nie geraten wollte und normalerweise auch nicht wäre.
Sie musste fort, bevor noch etwas Furchtbares geschah. Doch leider hatten die Kanäle außer einigem kleinen und widerlichen Getier nichts zu bieten.
Zum Glück hatte sie ihren Hunger soweit besänftigt, dass sie wenigstens halbwegs klar denken konnte, als sie auf Flinn und diese Magistra… wie stellte sie sich doch gleich vor? Varda Gideon..?, traf. Beide eint die unangenehme Tatsache, neugieriger zu sein, als es gut für sie ist.
Flinn traf sie mit seinen mehr oder weniger versteckten Anwürfen bis ins Mark. Woher wusste er…?
Und wie…?
Je länger sie darüber nachdenkt, umso mehr verfestigt sich die Erkenntnis, dass ihre Antworten, wie ihr Auftreten in dieser Situation wohl kaum überzeugen konnten.
Bei allen Höllen!
Warum konnten die Leute nicht des Nachts zu Bett gehen und mussten sich in den Gassen herumtreiben? War es nicht genug, wenn sie die halbe Nacht dort verbrachte?
Hatte sie sich womöglich schon wieder Probleme mit dem enervierenden und höchst überflüssigen Mantel eingehandelt, denen sie sich doch gerade erst entronnen wähnte?
Und was machte diese Varda Gideon, die offenbar ziemliche Bekanntheit genoß, hier?
Hatte sie etwas mit der Person zu tun, die Tara aus dem… Riß… oder was immer das war, holte? Oder war auch das nur eine Posse der unberechenbaren Zeit?
Gewiß, sie war nun geheilt. Zumindest vom drohenden Verfall, der ihre Existenz wohl unwiderruflich ausgelöscht hätte.
Im Gegensatz zu anderen, gab es bei ihr auch keine bösen Überraschungen. Die Dinge waren wie zuvor. Längst hatte sie sich damit abgefunden, gewisse… Situationen… nie erleben zu können. Doch sicher wog das, was sie erleben würde, was anderen verwehrt war, diese kleinen Unbilden auf.
Man soll sich nicht an materiellen Dingen, und seien sie auch lebendig, aufhängen.
Auch hierbei ist das Risiko furchtbar enttäuscht zu werden groß. Insofern gab es nichts, was sie bedauerte.
Gleichwohl war es wohl nicht unklug, sich mit der Neugier gewisser Leute etwas näher zu befassen. Vielleicht sollte sie mit der Magistra reden?
Immerhin war ihr Wort über jeden Zweifel erhaben und wenn sie feststellte, dass Tara nicht unter… dieser… Pestilenz litt, mochte das wohl genügen?
Andererseits bedeutete das wohl den Tanar ri mit dem Baatezu auszutreiben.
Vielleicht konnte sie auch darauf hoffen, dass der Mantel und all die neugierigen Leute anderweitig so viel zu tun hatten oder bekamen, dass sie sie schlicht vergaßen?


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Mo 30. Jan 2017, 11:27 
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Nichts.
Dort auch nicht.
Der Kasten, in welchem sie ihre Stimulanzien für die chirurgische Arbeit aufbewahrt ist ebenfalls leer. Zumindest frei von dem, was sie nunmehr geradezu verzweifelt sucht.
Irgendwo muß doch noch eine sein! Und wenn es nur eine einzige Phiole ist!
Tara ist ebenso ratlos, wie ängstlich, angesichts dessen, was sie sich nun in den düstersten Farben ausmalt.
Doch so sehr sie sich auch bemüht, sucht, nach Alternativen forscht, es bleibt dabei, sie hat nichts mehr und bekommt so bald auch keinen Nachschub.
Verdammte Seherin!
Warum mußte Railanta sich auch ausgerechnet jetzt auf diese absurde Reise begeben? Wollte sie nicht längst wieder zurück sein?
Wenn Tara gewusst hätte, wie lange sich diese Reise hinzieht, hätte sie sich wenigstens die Rezeptur geben lassen.
Doch alles hätte, wäre, könnte hilft nichts. Sie muß der Tatsache ins Auge blicken, furchtbaren, im besten Fall schlaflosen Nächten entgegenzusehen.
Kurz überlegt sie, ob es womöglich ein guter Gedanke wäre, in der Gruft zu schlafen.
Dort könnte sie sicher am wenigsten Schaden anrichten, doch wenn das jemand beobachtete…
Nicht auszudenken!
Nach eingehender Analyse ihre Lage räumt sie alles, was zerbrechlich, brennbar oder anderweitig gefährdet sein könnte aus ihrer kleinen Unterkunft in den Raum, in welchem sie die Toten herrichtet. Viel ist es eh` nicht und die Bündel an ihrer Arbeitsstätte waren mit Sicherheit leichter zu erklären, als sie selbst, schlafend in der Gruft. So das denn nötig werden würde…
Lange Zeit liegt sie noch wach, sträubt sich gegen den Schlaf, der sie schon verführerisch umgarnt. Wie angenehm es doch wäre, einfach die Augen zu schließen, sich nach des Tages Müh und Plage der Entspannung und dem wohltätigen, milden Dunkel hinzugeben…
Die Lider werden immer schwerer und der Atem tiefer und gleichmäßiger…
Dennoch, ein ums andere Mal reißt sie die Augen auf, versucht instinktiv zu widerstehen, obwohl doch Verstand und Gefühl sich ausnahmsweise mal einig sind, dass dies ein sinnloser Versuch ist, der das Unvermeidliche nur hinauszögert, doch nicht verhindert.
Und so verliert sie irgendwann den ungleichen Kampf und ergibt sich, ohne es noch zu bemerken, der Macht des Schlafes…



Es ist Winter.
Natürlich ist es das, die Monde, die vergingen führten ja unweigerlich zu dieser Jahreszeit!
Dennoch ist es ein… anderer… Winter.
Kälter, voller Eis und der Stille, wie sie nur der kalte Schnee hervorrufen kann, der dick über dem Land liegt und jedes Geräusch erstickt.
Tara sieht sich um.
Sie ist zu Hause und ist es auch irgendwie nicht.
Irgendetwas ist anders. Neu, absolut ungewohnt.
Gewiß, Frostforst sieht aus, wie immer. Die Straße, die durch das Dorf führt, hin zum Markt und darüber hinaus zur Kreuzung nach Virdin…
Die Wege, die davon abgehend, zu den einzelnen Häusern, Katen und Gehöften führen…
Die Taverne am Markt, dunkel und verlassen…
Das Haus am Waldrand, von dem sie irgendwie weiß, dass es nur noch eine verfallene kleine Ruine ist…
Tara sieht nach oben. Es ist sternenklar und kalt.
Kein Wunder, dass alles in tiefer, erstarrter Stille liegt! Es ist offenkundig mitten in der Nacht.
Sie bewegt sich auf die Häuser zu.
Sonderbar. Kein Knirschen und Knacken ist zu vernehmen, wie es sonst eigentlich üblich ist, wenn jemand durch den Schnee geht.
Sie sieht hinter sich und staunt. Nicht ein einziger Fußabdruck ist zu sehen. Geradeso, als schwebe sie über dem Schnee, was natürlich völliger Unsinn ist.
Ein Windstoß zieht durch das Dorf und wirbelt den Schnee auf, der dank der Kälte, die wirklich jedes kleine Antauen verhindert, in lockeren Wolken aufstiebt.
Es ist ein seltsamer Anblick, wie es plötzlich in der wolkenlosen, mondhellen Nacht schneit.
Kurz nur erzeugt der aufgewirbelte Schnee die Illusion eines dichten Schneetreibens, bevor er beinahe lautlos wieder zu Boden sinkt.
Aus einem, ihr unerklärlichen Impuls heraus versucht Tara einige Schneeflocken einzufangen, so wie sie es früher zuweilen als kleines Mädchen tat, um die faszinierenden Formen jener zu bewundern.
Damals musste sie sich immer sehr beeilen, um die Formen noch zu erkennen, bevor sich die schönen Schneeflocken zu langweiligen, kleinen Wassertropfen transformierten, heute jedoch hat sie scheinbar alle Zeit der Welt dafür…
Sie sieht an sich herab.
Über und über mit Schnee bedeckt, scheint nur wenig Farbe ihrer Gewandung noch durch das allmächtige Weiß das sie nunmehr einhüllt.
Seltsam…
Sie trägt nur ihre Robe, die sie zumeist anlegt, wenn sie einen Abend im „Goldenen Segel“ verbringen will. Wo hatte sie doch gleich ihr Cape abgelegt?
Was tut sie überhaupt hier?
Das Segel ist doch in Rivin und sie hier in Frostforst, viele Tagesreisen entfernt…
Wie kann das sein?
Ein Teil ihres Verstandes sinnt darüber nach, während sie den Schnee abschüttelt und weiter geht.
Ohne, dass sie sich dessen überhaupt bewusst ist, führen ihre Schritte sie zum Markt, darüber hinweg und direkt zur großen alten Eiche, die sich mit einer geradezu majestätischen Krone über die Stände und Marktbuden erhebt.
Tara blickt zu den dicken Ästen auf und erstarrt. Wie so oft spürt sie die altbekannte Panik und Todesangst in sich aufsteigen, die ihren Geist umklammern wird, dass sie letztlich nur noch ein instinktgetriebenes, rasendes Etwas ist.
Doch etwas ist heute anders. Grundlegend anders.
Obschon die Panik wieder einmal drauf und dran ist, ihren Geist zu vernebeln, ist sie doch nichts gegen den Zorn, der sich in ihr erhebt.
Tatsächlich ist jener so mächtig, dass er die Furcht geradezu beiläufig wegwischt, als wäre sie nur eine Nebensächlichkeit.
Kurz nur wundert Tara sich darüber, bevor sie von jenem übermannt wird.
Ihr Verstand arbeitet klar, präzise und …schnell. Tatsächlich war sie sich ihrer selbst, ihrer Umgebung und ihrer… Vorhaben… nur selten so bewusst, wie eben jetzt.
Es ist geradezu kinderleicht, sich aus den dunklen Erinnerungen zu lösen…
Laut und spurlos geht sie zum Friedhof Frostforsts.
Auf dem Weg dorthin fließen ihre Gedanken. Spielen diverse Möglichkeiten durch, während ihr Zorn sich allmählich zu unversöhnlichem Haß wandelt.
Milde über diese extreme Emotion erstaunt, kommt sie endlich am Totenacker an.
Auch hier liegt der Schnee so dick, dass nur die größten Steine herausragen und die Grabhügel gar nicht mehr zu sehen sind.
Auch wenn sie nicht genau erklären kann, wie sie es macht, tastet sie irgendwie mit ihrem Geist über den Schnee. Dringt bis zum Boden vor und dort hinein, in die Tiefe.
Da sind sie. Starr, reglos und zweifelsfrei so tot, wie man nur sein kann.
Werkzeuge. Treffliche Werkzeuge ihrer Vergeltung!
Mühelos spricht sie die Formeln, greift ins Gewebe und formt es, wie sie es haben möchte.
Einst zahlte sie für etwas, das sie nicht begangen hatte, nun wurde es Zeit dafür zu sorgen, dass das damalige Urteil auch mit einer Tat erfüllt wurde.
Es ist viel Zeit seitdem vergangen, Zeit in denen Zinsen auf ihre Schuld anfielen und aufliefen. Und sie wird alles begleichen, wirklich alles.
Es dauert nicht lange und der Friedhof gerät in Bewegung. Erst hier und da ein bisschen, dann zunehmend energischer wühlen sich alsbald die Toten aus ihren Gräbern. Manche sehen erstaunlich frisch aus, einige sind nur noch ein kahles Knochengerüst, die übrigen zeigen sich in den Stadien zwischen diesen beiden Extremen.
Wie nennen es die Kaufleute doch gleich? Zahltag!
Ja, heute ist Zahltag und sie werden bezahlen. Alle. Das ganze Dorf.
Und so schickt Tara die Toten heim zu ihren Familien.
Es braucht keine Worte um ihnen zu erklären, was sie von ihnen verlangt und so machen sie sich wankend und schlurfend auf, die Ihren zu besuchen…

Die erste Morgensonne schickt ihre Strahlen auf Taras Gesicht, was diese unweigerlich dazu bringt, die Augen aufzuschlagen.
Mit einem leisen Schmerzenslaut kneift sie diese jedoch wieder zusammen und flieht rasch aus dem gleißenden Licht.
Sie sieht sich noch etwas benommen um.
Rivin. Das ist eindeutig Rivin, nicht Frostforst.
Einen Augenblick dauert es, bevor sie ihre Gedanken recht sortiert hat.
Erstaunlicherweise kann sie sich an jedes Detail ihres Traumes erinnern. Oder war es vielleicht eher eine Prophezeiung?
Tara weiß es nicht, doch unweigerlich stiehlt sich ein leises Lächeln auf ihr Gesicht, als sie daran denkt…


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Mi 15. Feb 2017, 15:50 
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Denken…
Denken…
Denken…
Enerviert wirft Tara ihre Decke zurück und erhebt sich von ihrem Nachtlager.
Es war mehr als unwahrscheinlich, dass sie jetzt schlafen könnte. Selbst Skorns Beeren, die sie mittels alchemistischer Kunst … veredelte…, können ihr heute nicht helfen.
Dummerweise sorgen sie jedoch dafür, dass sie sich irgendwie berauscht vorkommt.
Seltsam. Es fühlt sich so ähnlich an, wie seinerzeit, als Railanta sie mit diesem Wein betrunken machte, nur dass sie diesmal weder von den hämmernden Kopfschmerzen am nächsten Tag geplagt werden würde und auch ihr Verstand funktionierte noch so, wie er sollte. Was man von ihrer Wahrnehmung nicht behaupten kann.
Tara schließt die Augen, um all die Dinge nicht sehen zu müssen, von denen sie doch nicht genau weiß, ob sie wirklich real sind.
Die Gedanken fließen indes weiter. Unaufhaltsam, wie ein Fluß, der als Bach beginnt und als reißender Strom endet.
Wein. Ein garstiges Zeug. Lecker, doch garstig!
Zu allem Überfluß wurde sie in diesem unseligen Zustand auch noch von der Magistra und Flinn Winterkalt aufgegriffen. Das war ohne jeden Zweifel an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten!
Die Magistra…
Ihre Gedanken schweifen ab, nehmen einen anderen Weg, ohne, dass sie auch nur das Geringste dagegen tun kann.
Die Magistra hatte sie mit ihren Worten zutiefst getroffen. Wie konnte das nur sein?
Es war offensichtlich, dass sie sie verletzen wollte. Demütigen, vor sich selbst erniedrigen. All das wusste Tara, als sie ihr gegenüber stand und dennoch traf es sie bis ins …ja in was eigentlich?
Seltsam.
Warum auch musste Sarinius sie unbedingt in aller Öffentlichkeit schlagen?
Was ritt ihn nur, derlei infantile Dinge zu tun?
Sie hatte doch gar keine andere Wahl, als ihm beizustehen. Egal, was sie von seinem Tun hielt.
Auch wenn es nur halbherzig war und ihr Spruch doch tatsächlich nicht gegen jenen Anaras ankam.
Womöglich trafen sie die Worte der Magistra darob so?
Sie musste Sarinius beistehen und tat es nicht, wie sie es eigentlich sollte.
Selbst wenn es niemand anderes bemerkte, sie wusste es. Und das allein genügte.
Und dann noch die Peinlichkeit, ausgerechnet Anara im Umgang mit dem Gewebe unterlegen zu sein. Ausgerechnet ihr, die so grobschlächtig mit dem Gewebe umging, wie ein Grobschmied! Die niemals all die Feinheiten, die Möglichkeiten erkennen würde, die es bot.
Bei allen Höllen! Das tat weh!
Offenbar hatte die Magistra Glück gehabt, sie in dieser Situation zu erwischen.
Langsam, Stück für Stück formen sich Fakten und Gedanken zu einem Ganzen.
Es war in der Tat erstaunlich. Diese andere…Conni, Tanzie… oder welches ihrer verrückten Ichs gerade ihren Körper dominieren mochte, warf ihr ganz andere Beleidigungen an den Kopf. Warum prallte das an ihr ab?
Warum trafen die Worte der Magistra, die nicht mal zur Hälfte so übel waren, wie jene dieser infantilen Adeptin, sie so sehr?
Wieso fühlte sie überhaupt etwas dabei?
Lange grübelt Tara vor sich hin, ohne wirklich zu einem sinnvollen Schluß zu kommen. Scheint eine Frage beantwortet, taucht hinter jener schon die Nächste auf.
Einigermaßen nüchtern betrachtet hatte Sarinius törichtes Tun wohl nur beschleunigt, was irgendwann ohnehin passiert wäre.
Sowohl die Magistra, wie auch sie selbst wussten, dass ihre eigenwillige… Verbindung… eine Zweckgemeinschaft war und nichts mit Überzeugungen oder dergleichen zu tun hatte.
Tara ging seinerzeit nur darauf ein, weil es das kleinere Übel zu sein schien.
Trotzdem gab sie der Magistra ihre Phiole unbenutzt zurück. Erstaunlich war indes, dass jene sie ihr einst überhaupt überließ!
Immerhin wusste sie, was man damit alles anstellen kann und hatte zumindest eine Ahnung, in Tara jemanden vor sich zu haben, der das auch vermochte. War sie so naiv? Vertrauensselig? Oder hatte sie nur keine Wahl?
Gewiß, eigentlich hätte sie diese kostbare Phiole, die sie nur zu gern selbst verwendet hätte, gar nicht gebraucht. Sie hätte der Magistra nur diese Klinge nicht geben brauchen. Den Rest hätte dann der Seelenfresser erledigt.
Andererseits war mit dem älteren Auge nicht gut Kirschen essen.
Ihre Order war unmissverständlich. Der Seelenfresser sollte wandeln.
Insofern hatte auch sie hier wieder einmal keine Wahl. Ob die Magistra das wusste?
Eigentlich war das nunmehr aber auch irrelevant. Der Seelenfresser war nicht mehr und die Magistra hatte doch tatsächlich dieses Abenteuer überlebt. Womöglich wäre es besser, es wäre nicht so, doch muß man die Dinge eben nehmen, wie sie sind.
Lange schon war Tara nicht mehr im Mantelturm gewesen. Nicht, dass sie dies vermisste, doch war es womöglich auch der Indikator dafür, dass die Magistra hatte, was sie wollte und ihrer nicht mehr bedurfte.
Doch das allein war noch nicht mal wirklich beunruhigend. Tatsächlich wussten sie wohl beide, dass es dereinst so sein würde. Besorgniserregend war vielmehr, dass die Magistra offenbar diese… Conni, Tanzie… als Schülerin annahm.
Was bei allen Höllen trieb sie nur dazu?
War sie so verzweifelt?
War sie gar wahnsinnig geworden?
Seltsamerweise erging sich diese Person bei ihrem jüngsten Aufeinandertreffen nicht mal in ihre üblichen Versuche, Tara zu beleidigen. Im Gegenteil!
Auch wenn sie zuerst meinte, Conni/Tanzies Bemerkung, sie müsse sich sehr bald entscheiden sei nur so dahingesagt gewesen, belehrte sie deren Wiederholung doch eines Besseren.
Sie meinte das tatsächlich ernst.
Ameng folgen oder sich auf die andere Seite stellen…
Sie konnte, wollte und würde der Magistra auf keinen Fall freiwillig in irgendeiner Art und Weise folgen!
Wenn diese Conni/Tanzie tatsächlich eine Schülerin der Magistra sein sollte, musste sie im Gegenteil zusehen, soviel Abstand, wie möglich zwischen jenen und sich selbst zu bringen.
Mochte sie auch arrogant, dünkelhaft und nur mäßig kompetent sein, so war doch ihre Gabe und ebenfalls das Gerede darum, es mit anderer Eigentum nicht immer so genau zu nehmen, gefährlich genug, um sie zu meiden.
Sie würde die Magistra nochmals sprechen müssen.
Soviel war nunmehr klar. Alle Aufzeichnungen! Vollständig!
Nicht auszudenken, wenn jene irgendwann dieser… Schülerin… in die Hände fielen!
Sollte sie doch glauben, was sie will! Weder würde sie Tara verstehen können, noch wollte diese das überhaupt.
Soll sie doch dem Gold und irgendwelchen Titeln oder Rängen und der vermeintlichen Macht hinterher jagen und daran scheitern, wie all die Unzähligen vor ihr!
Vielleicht schaffte sie es ja tatsächlich, etwas Gold anzuhäufen und die eine oder andere Feinheit des Gewebes zu nutzen?
Tatsächlich gönnte sie ihr das, solange sie sich damit begnügte und nicht zu neugierig oder gar wagemutig wurde.
Mit der Magistra indes stand die Sache weitaus diffiziler.
Es würde schwierig werden, jene nicht zu verärgern und trotzdem die Dinge so zu gestalten, wie sie selbst es wollte.
Und deren neue Begleitung, mit der sie sich umgab, machte das Unterfangen nicht unbedingt leichter.
Dennoch. Ein offener Zwist war des Letzte, was sie nun riskieren konnte.
Vielleicht waren ja auch diese widerlichen, stinkenden Hautsegler und das Geschmeiß, das sie umgab geeignet, ihr ein wenig Zeit zu verschaffen, um eine gute Entscheidung treffen zu können?
Dann täten die ja mal etwas sinnvolles…

Mit diesen Gedanken schläft Tara dann doch irgendwann ein.


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Do 23. Mär 2017, 11:29 
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Registriert: Fr 16. Mai 2014, 22:37
Beiträge: 799
… dann wurde es dunkel.
Wie viel Zeit verging weiß sie nicht zu sagen, als sie irgendwann auf dem Platz liegend aufwacht.
Desorientiert und verwirrt sieht sie sich um.
Sie kannte diesen Ort…
Es dauert noch eine Weile, bevor ihr Verstand es dem Körper gleichtut und ebenfalls wieder seine Arbeit aufnimmt.
Stückweise kehrt die Erinnerung zurück.
Die Drachen…
Der Kampf, ja geradezu ein Krieg…
Das Elfenkind…
Der Fluch…
Uuuuuuhhhhhh!
Mit ihrem Geist ist wohl auch die Nervenfunktion wieder da.
Aua! Tut das weh…
Vorsichtig prüft Tara die Funktion ihrer Gliedmaßen.
Arme…
Tun furchtbar weh, scheinen aber vollständig zu funktionieren.
Beine…
Dergleichen.
Kopf…
Bei allen Höllen! Der fühlt sich an, als seien beide Drachen persönlich darauf herumgetrampelt.
Diese widerliche, garstige, bösartigste aller bösartigen Wächter!
Hätte er nicht wenigstens seine verdammten Eisenhandschuhe ausziehen können?
Vorsichtig befühlt sie ihren Kiefer.
Autsch!
Womöglich ist da doch etwas gebrochen?
Tara erhebt sich mühsam und sieht sich um.
Von irgendwoher kommt Lärm, Stimmen. Auch das Gewebe ist in Aufruhr. Irgendwer wirkt gerade ziemlich mächtige Magie…
Egal!
Was immer da vorgeht, weder ist sie auch nur ansatzweise in der Lage darauf angemessen zu reagieren, noch will sie das im Moment.
Sie macht sich auf den Weg zum Friedhof. Ihrem Heim.
Seltsam, dass ausgerechnet der Totenacker zu ihrem zu Hause wurde.
Der Weg ist lang und sie kommt nur schleppend voran.
So dauert es auch nicht lange, bevor ihr Verstand wieder ungefragt arbeitet und sie mit ungewollten Gedanken traktiert.
Alles ging schief.
Das konnte man wohl mit Fug und Recht behaupten.
All die Vorbereitungen, die Gefahren und Risiken, die sie einging, um zu dem Übereinkommen zu gelangen, alles für die Katz!
Und diese Narren wussten das noch nicht einmal!
Um sich selbst war ihr nicht bange. Die Sümpfe hatten viel von ihrem Schrecken verloren, seit sie sich eingehender mit ihnen beschäftigte. Gewiß, es gab Gefahren, sogar sehr große Gefahren, doch wenn man es recht anfing, konnte man sie umgehen.
Anders sah es aus, wenn man sie eben nicht allein durchstreifte.
Und noch ganz anders, wenn die Begleiter an infantiler Selbstüberschätzung und Erkenntnisresistenz litten. Zumindest in Teilen.
Tara seufzt leise.
Ihre eigene Mitschuld an diesem Desaster dringt wie eine scharfe Klinge in ihr Bewusstsein.
Sie hätte mit der Baronin allein gehen sollen!
Womöglich wären die Dinge dann anders gelaufen. Natürlich hätte es an deren Zaudern ob der Entscheidung, mit welcher finsteren Kreatur sie denn paktieren wolle nichts geändert, sehr wahrscheinlich wäre alles bis dahin ebenso gekommen, wie es denn kam, doch ohne die Einflüsse der anderen hätte sie vielleicht die richtige Entscheidung getroffen.
Nun ja, aus Sicht der Baronin hatte sie wohl alles richtig gemacht. Sie war höchstwahrscheinlich diesen Fluch los und hatte womöglich auch noch dieses Elfenkind vor einem üblen Schicksal bewahrt.
Zumindest ließ der Umstand, dass sie sich nun, ungeachtet ihres Zustandes, auf dem Weg nach Hause befand, nur diesen Schluß zu.
Gleichwohl hatte sie verloren.
Mochten die anderen sich auch als Sieger, Retter oder sonstige Helden fühlen oder feiern lassen, war ihr eigener Verlust bei dieser Sache immens.
Ihr kostbares Artefakt, das ihr unweigerliches Glück bringen sollte..
Weg! Verloren! Für nichts und wieder nichts geopfert.
Wobei es wohl noch nicht einmal funktioniert hatte. Zumindest nicht in Taras Sinne.
Nichts von dem, was sie anstrebte oder erbat erhielt sie. Nicht mal im Ansatz!
Statt des erwünschten Erfolges gab es einen formidablen Fehlschlag!
Wie die Dinge liegen besteht nun gar die Möglichkeit, dass die Folgen für den Sumpf ihr angelastet wurden. An Stelle der Getreuen des nicht lebenden Drachens wäre das zumindest ihr erster Gedanke.
Während die anderen sich in ihren vermeintlichen Heldentaten sonnen, muß sie womöglich den Preis dafür bezahlen. Und diese Narren wissen das noch nicht einmal und sind obendrein wohl auch viel zu infantil, um das überhaupt zu erfassen!
Na ja. Das wäre vielleicht sogar noch das Gute dabei.
Immerhin stellen sie eh schon viel zu viele Fragen.
Wie sie es auch dreht und wendet, sie hätte nur die Baronin mitnehmen sollen. Das allein wäre schon schwer genug geworden, doch immerhin hätte das Unterfangen so eine Chance gehabt.
Spätestens als sie die ominösen Planungen der anderen miterlebte, hätte ihr auch ohne die Gabe der Prophezeiung klar sein müssen, wie das alles enden würde, was es ja schließlich auch tat.
Es war zum Haare raufen!
Da entschließt man sich, das Grauenvolle mit dem Bösen zu bekämpfen und wähnt sich obendrein als Leuchtfeuer des Guten und Gerechten!
Und die Magistra nannte sie ein herzloses Monster! Nicht zu fassen!
Gewiß hatte sie da Recht. Tara käme nie auf die Idee, offenkundige Tatsachen zu leugnen, doch immerhin hielt sie Wort und ließ sich nicht durch irgendwelche Dinge dazu hinreißen, ihre Entscheidung ohne gewichtigen Grund zu ändern.
Vermutlich war dies das einzige, was ihr blieb.
Ob sie es wohl für sich auch… dann… noch bewahren könnte?
Der Gedanke, alles ihres früheren Selbst zu verlieren lässt sie schaudern.
Wie hatte sie sich doch verändert.
Heute würde sie den Fehler, mit dem damals alles begann nicht wiederholen.
Heute würde sie diesen Rotzbengel vermutlich töten um ihn mit seinem Vater und dem kleinen, flauschigen Köter wieder zu vereinen, statt zu versuchen, jenen zurück zu holen.
Wie es scheint, hatten die Dörfler wohl doch Erfolg und etwas starb in dieser schrecklichsten aller Nächte…
Doch es war nunmehr einerlei. Was geschah, ist eben geschehen. Nichts würde daran mehr etwas ändern. Tatsächlich hatte sie noch einige Entscheidungen zu treffen, die deutlich wichtiger waren, als in der Vergangenheit zu wühlen, die sie eh nicht ändern kann.
Dabei…
Vielleicht….?
Ausgeschlossen wäre es nicht…
NEIN!
Ärgerlich und mit einer gehörigen Portion Angst drängt sie diesen Gedanken zurück.
Wer weiß wohl besser als sie, wie gefährlich es ist, mit der Zeit zu spielen?
Man zahlt immer einen Preis dafür, dessen Höhe man erst erkennt, wenn er zu begleichen ist.
Nein, es ist besser, nicht daran zu rühren.
Doch was sollte sie nun tun?
Wahrscheinlich kamen noch einige unangenehme Frage der anderen auf sie zu.
So erkenntnisresistent, dass sie keine haben könnten, waren sie denn doch nicht.
Dann ist da noch das Problem mit dem Mantel. Genauer mit der Magistra und ihrer Scholarin, die wohl einen Krieg beginnen möchten.
Sie würde ihr Ansinnen ablehnen müssen.
Erstaunlicherweise würde sie die Schriften und Laboratorien vermissen, doch die waren nicht unersetzlich.
Die verheißene Ausbildung wäre indes eh nicht mehr, als ein kleines Praktikum.
Womöglich wäre selbst die Magistra als Mentorin ungeeignet. Obschon ihr Wissen wirklich beeindruckend und sie selbst ohne jeden Zweifel überaus kompetent ist, würde das wohl nicht lange gut gehen.
Und was ihre Scholarin ihr anbot, war wohl eher der Versuch einer Beleidigung Taras Fähigkeiten und Intelligenz. Auch wenn sie nicht den Fehler machte, sie ob ihres Dünkels und der damit einhergehenden Arroganz gering oder gar zu unterschätzen, war ihr… Angebot… in keinster Weise ein angemessener Preis für das, was sie verlangte.
Nein. Sie würde sich anderswo umsehen müssen, einen kompetenten Mentor zu finden.
Der Fluch der Baronin führte ihr das sehr eindrücklich vor Augen.
Wie drückten sie sich aus? Grad zehn…?
Tatsächlich war diese Einteilung der Magie in Grade für sie immer noch überaus gewöhnungsbedürftig, doch wenn man deren Berechnungsgrundlage einmal verstanden hatte, nachvollziehbar.
Und dieser Fluch war das faszinierendste Stück Magie, was sie bisher sah!
Auch wenn sie ihn vermutlich gerade mal zur Hälfte verstand, wenn überhaupt, war er nichts anderes als ein Meisterwerk.
Derlei würde sie jedoch in keiner Akademie der Welt lernen. Erst recht nicht bei jemandem, der dazu nicht fähig ist und durch irgendwelche Dünkel oder Machtspielchen die reine Lehre behindert.
Sie brauchte einen anderen Lehrer. Einen unverblendeten. Einen, dessen Verstand nicht durch irgendwelche Dogmen oder Begehren eingeschränkt wurde. Einen der über solch trivialen Dingen stand.
Doch dazu muß sie vielleicht von vorn anfangen. Immerhin haben diese Narren ihr im Vorbeigehen womöglich gerade alles zerstört…


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Mo 24. Apr 2017, 15:13 
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Verdammte Priester!
Nun war es wohl soweit.
Die Arbeit war für heute getan. Doch ob der nun eintretenden Ruhe beginnen die Gedanken zu kreisen und Stück für Stück die ungeliebten Möglichkeiten zu untersuchen…
Tara sitzt auf ihrer Bettstatt und starrt ins Nichts.
Es war nicht wirklich überraschend, dennoch war es ein Schock als die fünf Priester hier auftauchten.
An ihrer Arbeit würden sie keinen Makel finden, dessen war sie sicher. Daß sie die Gräber jener, die eine Bestattung ohne klerikalen Beistand wünschten mit diskret angebrachten Bannzaubern davor schützte, dass sich irgendein Möchtegern daran verging, dürfte auch kein Problem sein.
Besorgniserregend war indes die Schnüffelei der Kelemvoriten ob ihrer persönlichen Belange.
Was interessierte es sie, was Tara mochte und was nicht? Oder wohin sie ging, wenn sie den Friedhof verließ?
Es steckte todsicher mehr dahinter, als ihr Amt der Gewalt Tiefwassers zu überantworten, dessen war sie sicher.
Was sagte Skorn doch gleich? Es war Flinns Idee, nach den Priestern zu schicken und er hätte das schon vor längerer Zeit getan…
Ausgerechnet Flinn, der seine Nase immer in Dinge steckt, die ihn nichts angehen und von denen er nichts versteht.
Gleichwohl er mit seinen ewigen Anspielungen, die er mal versteckt oder offen, viel zu beiläufig, als dass es nicht auffallen würde, ihr wohl einige Unbill bereiten könnte.
Was, wenn diese Priester ihm glauben?
Unsinn!
Natürlich glauben sie ihm. Immerhin dient er Helm, der ja ein Inbegriff des Guten und der Rechtschaffenheit ist. Da kann kommen wer oder was will, sie werden ihm glauben.
Wie sie diese Bigotterie hasste!
Da waren ihr doch sogar die brutalen und gnadenlosen Horden ihrer Heimat lieber.
Bei denen wusste man wenigstens, woran man war. Da gab es kein Schöntun und keine Spielchen, wenn sie siegten, war es das Ende. Unweigerlich.
Das war zumindest ehrlich.
In dieser Stadt jedoch lächelte man ihr ins Gesicht und betrieb hinterrücks Intrigen und versuchte Betrügereien.
Zum Einen waren da immer noch die mörderischen Elfen. Es war ein Segen, ein Wink des Schicksals, dass der Dwar Thankardt ihren Weg kreuzte.
Ihn in den Dienst genommen zu haben hatte sich bereits ausgezahlt.
Er hatte ihr immerhin schon ihr Dasein gerettet. Nun gut, das hatte diese zwiegespaltene Person auch. Wenn jene sich nicht dazu verstiegen hätte, sie zu betrügen, wäre Tara wohl durchaus dankbar gewesen, so jedoch waren sie einander nichts schuldig. Das machte es später womöglich einfacher. Tara gab sich keinen Illusionen darüber hin, dass man sie opfern würde, wenn dieser Elfenabschaum, der sich hier …Gesandschaft… nannte, es verlangte. Vielleicht würden sie ihr sogar noch ein hübsches Schleifchen um den Bauch binden und einen Apfel in den Mund stecken, bevor sie den Elfen überantwortet würde?
Zuzutrauen wäre es ihnen allemal.
Und als sei das nicht genug, hatte sie nun auch noch diese enervierenden Priester am Hals!
Interessant war indes, was genau sie eigentlich hier wollen.
Wer sie war und wie sie in das Amt der Totengräberin gelangte war kein Geheimnis. Dazu hätten sie sich nicht von Tiefwasser hierher bemühen müssen.
Um den Friedhof zu examinieren hätte einer oder vielleicht zwei genügt, doch keineswegs fünf, von denen drei an ihr klebten, wie Kletten!
Zudem es eher den Anschein hatte, als …bewachten…sie sie.
Vielleicht sollte sie mit ihnen reden? Das ganze Theater war doch ebenso fadenscheinig, wie enervierend. Doch dazu bedurfte es des rechten Zeitpunktes.
Man konnte mit Worten durchaus die Leute vor den Kopf stoßen und gegen sich aufbringen.
Das war indes das Letzte, was sie nun brauchte.
Vielleicht ließen sich ihre Absichten ja auch… anders… herausfinden?
Was die Leute taten sagte zumeist weit mehr, als ihre Worte.
Ja. Damit konnte sie kaum etwas falsch machen.
Wenn die Kelemvoriten herkamen, um die Dinge auf dem Totenacker selbst in die Hand zu nehmen und ihr keine Kunde ob der Einzelheiten gaben, war es nur folgerichtig, dass sie hier nicht mehr benötigt wurde.
Somit bestand kein Grund mehr für ihre Anwesenheit an diesem Ort.
Sie wendet ihren Blick hinaus aus dem kleinen Fenster und sieht auf die ordentlichen Reihen der Gräber.
Seltsam.
Irgendwie dauerte es sie, obwohl sie doch seit dem Anbeginn wusste, dass ihre Tätigkeit hier nur vorübergehend war. Nunmehr zwar schon recht lange, doch eben nur vorübergehend.
Der Frater kommt ihr in den Sinn.
Wieder einmal hatte er recht behalten. Man sollte sich eben nicht zu sehr an etwas hängen, weil irgendwann alles sein Ende findet.
Hm…
Es ist das Eine, das zu wissen, doch etwas ganz anderes, danach zu handeln.
Tara ist überrascht.
Fühlte sie da gar etwas? Und wenn ja, was war es?
Eine kleine Weile gönnt sie sich den Luxus dieses persönliche Mysterium zu ergründen, bevor sie diese Gedanken beiseite wischt.
Offenbar stand ihr eine weitere Prüfung bevor. Nun muß sich wohl zeigen, ob und wie gut sie dafür gelernt hat.

Und so beginnt sie unter den Augen der wachsamen Kelemvoriten ihre wenige Habe zusammenzupacken und achtet diskret auf jede ihrer Regungen darob.


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Do 13. Jul 2017, 11:13 
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Der Abend war aufschlussreich.
Sogar überaus aufschlussreich, wenn man es genau nahm. Und das, obwohl er gar nicht so begann.
Tara wandert gedankenverloren durch das nächtliche Greifenstein, froh, so viel Raum zwischen sich und diese enervierenden und widerwärtigen Kelemvoriten gebracht zu haben.
Viel Zeit blieb nicht mehr, bis der Morgen anbrach.
Das Gespräch mit Flinn und Skorn hallte unentwegt in ihr nach.
Diese Garde war entweder hochgradig inkompetent oder von üblen Elementen durchsetzt, die ihre ganz eigenen Interessen verfolgten. Oder beidem.
Hatten sie diese infantile Möchtegernmagae doch abermals verloren.
Das an sich war zwar ärgerlich, doch zu erwarten gewesen. Wurde jene doch durch einflussreiche Personen beschützt.
Viel interessanter war indes die Kunde, die sie bei dieser Unterredung erhielt.
Zum einen schwor Flinn, nichts mit den Kelemvoriten zu tun zu haben, außer vor geraumer Zeit nach jenen verlangt zu haben. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass er log, doch sie glaubte ihm.
Fürs Erste.
Wie sie weiterhin erfuhr, sollen diese jedoch von dieser Constanza aufgestachelt worden sein. Intrigant genug ist sie dafür allemal.
Wirklich interessant ist indes die Frage, warum sie so zielgerichtet zu ihr kamen und in der logischen Folge, woher sie ihre Kunde ob Taras Person bekamen.
Natürlich wäre es fatal, seine Gegner zu unterschätzen, doch irgendwie konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Constanza in ihrer Lage tatsächlich selbst zu eigenen Geistesleistungen imstande wäre. Allein schon, weil man dafür Zeit braucht und sie doch ständig in irgendwelche Umtriebe und Intrigen verstrickt ist.
Zudem die ganze Situation geradezu groteske Züge annahm.
Eine mächtige Magae soll sie sein. Nach hiesigem Gusto sogar den achten Zaubergrad beherrschen. Als ob das irgendeine… Macht… begründete!
Jeder Narr, der nicht völlig talentfrei ist, kann nach gehörigem Üben die komplexen Dinge wirken, aus denen solcherlei Zauber bestehen.
Deswegen bleibt er trotzdem ein Narr.
Dazu das abermalige Verweisen auf die vermeintliche… Macht…, nicht einmal durch sie selbst.
Nach allem, was sie sich aus dem Gerede, den Gerüchten und dem Tratsch zusammenreimen konnte, hatte sich die Magistra wieder einmal sehr für sie ins Zeug gelegt.
Es passte zu ihr, das Bild einer mächtigen Magae zu zeichnen. Wer würde schon wagen, so eine anzugreifen? Furcht war schon immer eines der besten Mittel, die Leute zu etwas zu bewegen oder sie davon abzuhalten.
Allerdings genügte es nicht, stetig seine Macht und Gefährlichkeit zu betonen, ohne sie wenigstens ein Mal unmissverständlich zu demonstrieren.
Und hier klaffte ein wahrer Abgrund zwischen dem Bild, das Ameng zeichnete und dem, was Tara selbst erlebte.
Ameng Xilo.
Das dürfte das eigentliche Problem, zumindest dessen wahre Quelle sein.
Wie die Dinge lagen, war es wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so, dass alle Kunde, die Constanza lancierte von ihr stammt.
Auch das war zu erwarten, ließen sich diese Dinge doch leider nie dauerhaft im Verborgenen halten, zumal die Magistra, als auch die Anderen, die sie warnten durchaus Recht hatten. Natürlich benahm sie sich zuweilen viel zu auffällig.
Und das, obwohl sie doch alles daran setzte, eben das nicht zu tun.
Doch was wussten jene schon von den Veränderungen, die immer weiter zunahmen, so sehr sie sich auch dagegen wehrte?
Tatsächlich wurde ihr die Tara… vordem… immer fremder und unverständlicher. Die Erinnerungen nahmen immer mehr die Züge von Geschichten an, die man ihr erzählte, statt dem eigenen Erleben. Eigentlich war sie schon lange nicht mehr sie selbst. Die Tara von einst wurde durch etwas ersetzt, das jene auffraß, verformte und wuchs, bis sie sich selbst nicht mehr erkennt.
Dazu noch diese seltsamen Unannehmlichkeiten.
Jerem hatte schon Recht. Sie war es nicht. Noch nicht, und wenn es nach ihr ging, noch eine ganze Weile nicht. Viel zu viel wartete darauf entdeckt und erforscht zu werden, mehr als diese Narren im Mantel oder deren Speichellecker sich auch nur vorstellen können!
Sie war einfach noch nicht bereit, heimzukehren. Es gab hier noch so viel zu tun und sie hatte Großmutters Geheiß noch nicht zur Gänze erfüllt.
Wenn sie zu Hause ankam durfte es nichts geben, das ihr widerstehen kann. Dann und nur dann war ihre Aufgabe erfüllt!
Doch irgendwie schien es immer unmöglicher, das zu erreichen. Je mehr sie lernte, je mehr Wissen sie erlangte umso mehr erkannte sie, wie wenig es eigentlich war.
Doch die Gefahr, jetzt schon ans Ende ihres Weges zu kommen war groß.
Und obschon sie es wusste, gar erwartete, tat der Verrat der Magistra irgendwie weh.
Hatte sie nicht alles getan, was jene wollte?
Sämtlichen Examina und Proben hatte sie sich gefügt, sogar ihre, nun ja… missverständlichen Aktivitäten weit außerhalb der Stadtmauern verlegt und auch ihrem Drang, diese mörderischen Elfen in die Schranken zu weisen widerstanden.
Auch wenn sie sich längst nicht mehr an ihr Wort in diesen Dingen gebunden fühlte, hatte sie sich doch gefügt und von der Magistra dergleichen erwartet. Und jene hatte sie abermals verraten.
Und Flinn sprach zu ihr von… Vertrauen. Lächerlich!
Nun hatte sie schon zum zweiten Mal… vertraut… und es ging wieder schief. Ein weiteres Mal passierte ihr das nicht! Diese Lektion hatte sie gelernt.
Es war wohl nunmehr an der Zeit, selbst etwas zu tun. Zuerst am Besten das, was sie Flinn riet. Auf die Jagd zu gehen und das Wild aufzuscheuchen, auf dass es sich zeigt.
Doch allein ist das sicher ein aussichtsloses Unterfangen.
Zum Glück gab es heute nichts zu tun. Den Totenacker konnte sie also getrost den Kelemvoriten überlassen, wie sie es wahrscheinlich alsbald dauerhaft tun muß.
Vielleicht bot die Chirurgie ihr die Möglichkeiten, ihre Handwerkskunst zu vervollkommnen, wenn sie nicht mehr auf die Toten zurückgreifen konnte?
Die Arbeit am lebenden Objekt war ja eigentlich auch viel anspruchsvoller, als an den Toten. Allerdings verziehen jene Fehler deutlich leichter. Doch Fehler hatte sie hier schon lange nicht mehr gemacht…
Man soll sich indes nicht an materiellen Dingen aufhängen.
Ging der Friedhof verloren, konnte sie sich nunmehr andere Möglichkeiten erschließen, voranzukommen.
Jetzt war es an ihr, nach Unterstützung zu suchen, um die Ideen, welche sie hatte umsetzen zu können.
Ließ sie ihre eigenen Aversionen einmal außer acht, war die Situation geradezu faszinierend. Eine würdige Möglichkeit zu erfahren, wo sie stand, was sie vermag und ob sie sich wirklich selbst recht taxiert oder dem Irrglauben an vermeintliche Kompetenz aufsaß.
Immerhin bestand ja die reale Möglichkeit, dass sie es dieser Möchtegernmagae gleichtat und sich hoffnungslos selbst überschätzte.
Das würde sie dann doch sehr kränken.
Jetzt jedoch war es wohl an der Zeit, einen Besuch zu machen.
Sie würde sich Zeit lassen, nach Rivin zurückzukehren. Zeit die sie brauchte um ihre Gedanken zu ordnen und an ihren Ideen zu feilen.
Und wer weiß? Vielleicht erwies sich ja der Weg zurück als durchaus…nahrhaft?


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Di 8. Aug 2017, 11:27 
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Autsch!
Das tat weh!
Tara kracht ziemlich unsanft auf den Boden, nachdem die Baumwipfel ihren Sturz abfingen.
Wie peinlich!
Dabei dachte sie doch eigentlich ganz gut fliegen zu können. Doch die Reise von einem Ort zum anderen war eben doch etwas anderes, als sich mit irgendwelchem Gezücht in der Luft herumzuschlagen. Gut, dass sie noch etwas Zeit zum Üben hatte!
Die Rückverwandlung setzte ein.
Unter dem ebenso vertrauten, wie verhassten Knacken und Knirschen schoben sich Knochen an ihren angestammten Platz und formten sich zu ihrer normalen Größe zurück.
Bäh! Wie sie diese Phasen der Wandlung verabscheute!
Doch es ist schnell vorüber.
Sie sieht hoch in den Nachthimmel. Es war töricht, zu üben und gleichzeitig ihren Gedanken nachzuhängen. Sie musste sich besser konzentrieren, ganz und ausschließlich bei der Sache sein.
Doch angesichts der jüngsten Ereignisse war das wohl leichter gesagt, als getan.
Löwenbach war also verloren.
Und die Stadt quoll geradezu über vor Leuten, die beinahe verzweifelt versuchten, irgendwo eine Bleibe zu finden. Nicht nur die Überlebenden aus Löwenbach, nunmehr auch die Einwohner Rosenfelds.
Es war schon erstaunlich, wie diszipliniert und beinahe reibungslos die Evakuierung verlief. Eigentlich hätte man sie dabei wohl nicht gebraucht.
Andererseits wusste sie nun die Bienenstöcke und Imker in Sicherheit. Wie sagte Großmutter doch immer so treffend?
„Willst du, dass etwas ordentlich gemacht wird, dann mach es selbst!“
Auch die umliegenden Waldleute kamen in die Stadt. Das allerdings war überaus bedauerlich. Es würde so deutlich schwerer werden, etwas in den Wäldern zu… finden. Und das, wo sie doch eh` schon achtsam wie nie zuvor war und beinahe allem entsagte. Verdammtes Drachenpack! Und diese dunkle Fee auch!
Nichts als Ärger hatte man damit!
Nicht genug, dass sie beinahe Rufus umbrachte, nun machten diese Widerlinge ihr auch noch das Dasein schwer.
Doch irgendwie haben sich die Dinge verändert. Man rückte zusammen. Ob gewollt oder nicht, es geschah einfach.
Handelte sie selbst doch schon im Auftrag der Garde, überbrachte Nachrichten und bereitete sich nun gar darauf vor, für diese zu kämpfen!
Wer hätte das gedacht?
Doch hatte sie denn eine Wahl? Natürlich könnte sie einfach verschwinden. Der Zeitpunkt, an dem sie das ohnehin tun musste rückte ja unweigerlich näher und näher. Manchmal meinte sie schon, es sei soweit.
Doch wäre das wohl Verrat an Sarinius, Jerem und… den anderen.
Nein! Sie war keine solch feige Verräterin, welche die ihren bei jeder Kleinigkeit im Stich ließ.
Nun ja, eine Kleinigkeit war so eine Drachenkreatur und eine Schattenfee sicher nicht, doch trotzdem! Wenn sie jetzt flöhe, so verlockend dieser Gedanke auch ist, dann wäre die Tara, die sie zu bewahren sucht, wirklich tot.
Andererseits… war sie das nicht längst? Ihr Dasein hatte durchaus seine Vorteile und sie hatte sich damit abgefunden, hieß ihr… neues Selbst… gar nunmehr willkommen. Es wäre auch sehr undankbar, das Geschenk der eigenen Mutter abzulehnen, ist sie das sogar nun zum zweiten Male. Zwei mal geboren, wer kann das schon von sich behaupten?
Zudem sie doch irgendwie über den Dingen stand.
Vordem hätte Constanza sie mit ihren ewigen Sticheleien und Intrigen wohl gleich Rafsan zu Hause, zur Weißglut und todsicher ziemlich voreiligen und unüberlegten Reaktionen getrieben.
Heute indes entlockte ihr derlei nicht mal mehr ein müdes Lächeln.
Tatsächlich interessierte es sie überhaupt nicht.
Tara horcht in sich hinein. Was interessierte sie eigentlich überhaupt noch?
Gewiß, da gab es Vitus. Auf den war sie tatsächlich sehr stolz, wie auf einen eigenen Sohn. Dennoch auch er war irgendwie…entbehrlich.
Jerem und Sarinius. Das war wohl das, was einer… Familie… am Nächsten kam. Erstaunlich, ausgerechnet diese beiden. Auch wenn sie es nicht verstand, akzeptierte sie das. Zu dumm, dass sie sich zerstritten hatten. Tatsächlich betrauerte sie diesen Umstand ungemein. Offenbar fühlte sie wohl doch noch etwas. Irgendwo.
Die anderen waren freundlich zu ihr. Auch das war nicht selbstverständlich und ihr ebenso unbegreiflich.
Jedoch waren sie mit größtem Eifer dabei, ihre Stadt zu retten und auch diejenigen, die dazu nicht selbst in der Lage waren. Das verdiente höchsten Respekt und Unterstützung.
Tja. Und nun half sie sogar bei der Evakuierung Rosenfelds, spielte Laufmädel für die Garde und übte hier aus gleichem Grund für den bevorstehenden Kampf. Eine paradoxe Situation.
Andererseits konnte sie so die Dinge üben, die sie früher oder später eh brauchen würde. Niemand würde jetzt wohl ihr Tun in Frage stellen. Auch wenn sie lange nicht so groß und imposant war, wie die Baronin in ihrer Drachenform und in ihrer Jagdgestalt, wie sie es im stillen nannte, auch nichts wirken konnte und selbst die Wyvern, auf die sie es ja abgesehen hatten, größer und vor allem giftiger waren, schien es, als sei sie ob ihrer Größe und Gestalt deutlich schneller als jene. Das war es, was sie nutzen musste. Die Kreaturen mussten aufgeschlitzt und ausgeblutet werden, bevor jene sie überhaupt wirklich bemerkten. Ein ebenso anspruchsvolles, wie kraftzehrendes Vorhaben.
Doch man wächst ja bekanntlich mit seinen Aufgaben.
Die Risiken dieses Krieges waren groß, doch barg er auch Chancen.
Vielleicht würden die Truppen der Drachentochter und ihrer Spießgesellen ja die Kelemvoriten beseitigen? Das wäre eine wirklich elegante Lösung für dieses Problem. Vielleicht bestand ja auch die Möglichkeit, ihre Beziehungen zu den Herren des Sumpfes bei Löwenbach zu verbessern? Immerhin könnte die Drachentochter ja auch jene bedrohen. Und von so einer Kreatur beherrscht zu werden, ob durch einen Sieg oder ein Bündnis, dürfte wohl kaum in deren Sinne sein.
Allerdings wusste sie immer noch nicht, wie sie die Vernichtung des Drachenlichs erklären konnte, ohne dass die Wahrheit wie eine billige Ausrede wirkte.
Gleichwohl musste sie die Augen offenhalten, um eventuelle Möglichkeiten, die sich ihr boten nicht zu übersehen.
Die Rechnungen, die sie noch zu begleichen hatte, mussten erstmal dahinter zurückstehen. Es gab einfach Dinge, die Vorrang haben.

Das unangenehme Gefühl des Hungers, der sie nunmehr deutlich über dem gewohnten Maß plagt beendet ihre Grübelei. Fliegen macht hungrig!
Es war wohl an der Zeit sich nach etwas Nahrhaftem umzusehen, bevor dies nicht mehr möglich war.
Und so wandelt sie sich erneut und erhebt sich abermals in die Nacht…


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Do 10. Aug 2017, 13:56 
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Beiträge: 799
Tot!
Tot.
Tot?!?!
Tara reißt sich aus ihrer Schockstarre, in die sie diese unerwartete Kunde warf.
Wie sie es in ihre Unterkunft schaffte, weiß sie nicht zu sagen. Ebenso wenig, wie sie es fertigbrachte, den Abend halbwegs gelassen zu bleiben. Zumindest nach außen hin.
Doch nun, in der Einsamkeit ihres kleinen Zimmers brach alles, was mit dieser entsetzlichen Nachricht einherging wie eine Flutwelle über sie herein.
Er konnte doch nicht tot sein?
Wie…?
Warum…?
Was…?
Wer…?
Tausend Fragen brandeten in ihrem Bewusstsein auf und verursachten ein heilloses Durcheinander in ihrem Kopf.
Sarinius sollte sich wirklich freiwillig diesen Elfen gestellt haben?
Das konnte sie unmöglich glauben. Nicht er. Niemals!
Oder etwa doch?
Ihre Gedanken wandern zurück nach Evereska, diesem üblen Ort, an dem das Unheil seinen Anfang hatte.
Alles ging gut. Railantas Art zu Reisen war zwar überaus ungewöhnlich, geradezu wagemutig, doch tausendmal besser, als das widerliche Teleportieren.
Und sie waren erstaunlich schnell dort.
Was bei allen Höllen, wollten diese Wachen nur an dem alten Tempel?
Jetzt, im Nachhinein betrachtet, wäre es wohl besser gewesen, hätte sie sich durchgesetzt und darauf bestanden, sich zurückzuziehen und von anderer Seite, zu besserer Stunde zum Tempel zu reisen.
War Sarinius wirklich der Mörder, der zu sein ihn alle beschuldigten? Sie konnte sich nicht erinnern, irgendwie ging alles viel zu schnell. Zuzutrauen war es ihm wohl, hitzköpfig, wie er ist…war…
Doch wusste sie es nicht zu sagen. Als sie wieder erwachte, waren diese Elfen tot und sie auch. Irgendwie.
Und nun erdreistete sich dieser spitzohrige Abschaum, auf Grund von bloßen Verdächtigungen und Indizien Sarinius umzubringen?
Je länger sie darüber nachsann, umso unwahrscheinlicher erscheint ihr die Erklärung, er habe sich selbst in Evereska gestellt. Und auch noch freiwillig! Pah!
Hatte sie ihn nicht all diese Dinge gelehrt? Wusste sie nicht besser, als die meisten anderen, was und wie er dachte?
Hatte sie ihm nicht erklärt, wie man die dunklen Seiten seines Selbst nutzen konnte?
Und hatte er es nicht überaus erfolgreich getan?
Wie kam Flinn und Skorn dazu sie glauben machen zu wollen, er hätte freiwillig sein Leben weggeworfen, nachdem er doch so weit gekommen war?
Sagte Sarinius nicht vor einiger Zeit, er würde nur nach Evereska zurückkehren, um es auszulöschen?
Gewiß, sie hielt ihn davon ab, immerhin gebot jede Vernunft, derlei sein zu lassen, doch nun war sie sich nicht mehr sicher, ob das wirklich so töricht war, wie sie es ihm vorhielt.
Tatsächlich verlangte es sie mehr nach Blut, als je zuvor. Bevorzugt elfischem Blut.
Doch halt!
Hast und Voreile waren etwas für Narren oder Helden. Und sie war weder das eine, noch das andere.
Zuerst galt es wohl herauszufinden, was… wirklich… geschehen war.
Sarinius war gewiß hitzig und zuweilen auch voreilig, ein Draufgänger eben.
Doch er würde es nie wagen, den Gedanken in ihr zu erzeugen, er habe versagt, ihre Lektionen von einst seien vergebens gewesen.
Und sein Leben einfach so zu opfern, dass wäre der Gipfel der Schande, er hätte damit den schlimmsten Verrat begangen, den man nur begehen kann, nämlich an sich selbst!
Das würde er nicht tun. Niemals!
Nein. Irgendetwas anderes ging hier vor.
Sie wusste nicht was, doch das würde sie schon noch herausfinden…


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Fr 5. Jan 2018, 11:14 
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Registriert: Fr 16. Mai 2014, 22:37
Beiträge: 799
Untote!
Haufenweise!
In Scharen drängen sie zum zerborstenen Tor.
Hinter sich vernimmt Tara die Stimme von Hochwürden Welmers, die sie anweist, nach vorn zu gehen, um diese Unholde einzuäschern.
Abgesehen davon, dass sie wohl der Weisung der Oberen des Ordens folgen muß, ist es ein wahrer Lichtblick, zu erleben, dass offenbar doch noch jemand ihre Fähigkeiten und die Möglichkeiten, die sie bargen, zu schätzen wusste.
Sila muß ihre Aufforderung nicht wiederholen.
Unverzüglich geht Tara vor die Linien der ihren und beginnt das, was sie fast am besten kann. Viele der Untoten erliegen ihren Flammen, doch ist der Nachschub an jenen schier endlos.
Viel zu bald sind sie bei ihnen und jeder muß sich seiner Haut erwehren, so gut es eben geht.
Wie sagte die Verräterin? Hochwürden Welmers muß überleben, sonst sei alles verloren?!
Den Reaktionen der anderen nach war das wohl auch ausnahmsweise mal die Wahrheit.
Sila stand hinter ihr. Hoffentlich gut geschützt und weit genug weg!
Trotzdem sich alle nach Kräften mühten standzuhalten, brach ein Kadaver nach dem anderen durch. Selbst wenn es gelang, die Hauptmacht jener vor den Mauern zu binden, würden es wohl doch irgendwann so viele sein, dass sie auch hinten gefährlich würden.
Obschon sie es eigentlich nicht für möglich hielt, schien die Zahl derer, die sie nun bedrängten stetig anzuwachsen. Mehr schlecht als recht erwehrt sie sich ihrer Angreifer mit den Klingen, auf denen im Notfall all ihre Hoffnungen liegen.
Doch es ist vergebens.
Sobald ein Kadaver fällt, scheinen zwei neue nachzurücken. Das Chaos tobt. Ein jeder haut und sticht um sich, voll damit beschäftigt, selbst nicht niedergestreckt zu werden. Es ist kaum auszumachen, wo Freund und wo Feind steht, alles ist ein wildes Durcheinander.
Niederbrennen!
Hochwürden Welmers Order war unmissverständlich und Tara hatte noch genug Kraft dafür.
Kurz zaudert sie. Die anderen waren nah. Eigentlich viel zu nah.
Andererseits wussten sie, was sie mit ihren Flammen tun konnte und hatten sich sicherlich, hoffentlich geschützt?
So musste es sein! Immerhin ist bei dem Angriff des feurigen Teufels auf der Mauer auch niemand von dessen Flammen verletzt worden.
Viel Zeit bleibt ihr nicht, derlei Überlegungen fortzuführen, die Untoten, die sie verbissen und energisch bedrängen, lassen ihr keine Zeit dazu. Sie muß handeln.
Der Zauber ist schnell gewirkt.
Eine überaus stattliche Explosion reinen Feuers streckt ihre Widersacher nieder.
Doch bevor sie einmal durchatmen und sich orientieren kann, wird sie abermals bedrängt. Hiebe und Stiche prasseln in schneller Folge auf sie ein.
Doch…Moment!
Wie kann das sein? Es standen doch gar keine Untoten mehr nah genug dafür?
Tatsächlich standen um sie herum nur noch sehr wenige. Und das waren keine Untoten.
Zudem jene doch durch das Tor strömten, während die Angriffe beinahe von hinten zu kommen schienen. Diese Analyse dauert nur einen Wimpernschlag.
Tara wendet sich um, um ihre Angreifer zu sehen, als sie von irgendetwas getroffen wird, das sie buchstäblich versteinern lässt. Obschon sie sich nicht wehren, ja nicht einmal fliehen kann, erkennt sie, wie die Verräterin und diese Gilda Finsterblick auf sie einschlagen und nach und nach ihre Schutzzauber durchbrechen.
Nur einen winzigen Augenblick ist sie milde erstaunt. Immerhin standen sie doch auf derselben Seite?
Doch das währt nur kurz. Es war nur natürlich, dass die Verräterin keine Gelegenheit auslassen würde, um sie umzubringen. Oft genug hatte sie das ja angedroht.
Erstaunlich war indes, dass die Nord ihr dabei half.
Eigentlich hielt Tara die Nordstämme immer für ehrenhaft. Vielleicht hat die Verräterin ja Gilda auch ihrem Willen unterworfen? Ein beachtliches Talent dafür hat sie ja.
Es ist sonderbar, wie klar der Verstand im Angesicht des nahenden Todes arbeitet.
Bewegungsunfähig wie sie ist, nimmt Tara jeden Schlag überaus intensiv wahr. Einige tun weh, andere scheinen nicht mehr, als ein Nasenstüber zu sein. Erstaunlicherweise schmerzen die, welche eigentlich belanglos sind. Jene, die sie als potentiell tödlich einstuft, tun kein bisschen weh…
Seltsam.
Sie spürt, wie das Leben aus ihr rinnt. Unaufhaltsam…
Bald schon wird sie wissen, ob ihre Kunde richtig ist oder die These Hochwürden Welmers.
Trotzdem ihr Atem stockt, ihre Augen brechen und das Herz seinen Dienst quittiert, spürt sie mindestens ebenso viel Neugier, wie Furcht.
Was geschieht nun…?
Dann erlöschen ihr Denken und Fühlen.



Das Licht tut in den Augen weh.
Tara blinzelt und versucht sich zu orientieren.
War sie tot?
Würde sie nun dem Herrn der Toten Rede und Antwort stehen müssen?
Doch irgendwie sah die Umgebung seltsam… vertraut… aus. Das kann doch unmöglich die Anderswelt sein!
Ihr Blick bleibt an einer monströsen, geflügelten Kreatur hängen, die jedoch in keinster Weise den Eindruck erweckt, zu den Unholden zu gehören.
Verdutzt starrt Tara das Wesen eine kleine Weile an, während sie versucht ihr Denken wieder in korrekte Bahnen zu lenken.
Sie hatte diese Kreatur schon einmal gesehen. Kein Zweifel.
Eine Solar, wenn sie sich recht entsann…
Obendrein eine, die ihnen gegen einen riesigen, feurigen Teufel beistand…
Teufel…
Imps…
Erinnyen…
Stimmt! Sie wurden angegriffen.
Und irgendwie war sie immer noch hier. Beinahe allein mit dem Solar…Wesen…wasauchimmer…
An Geschwindigkeit zunehmend, prasseln die Erinnerungen auf sie ein. Der Angriff, die Hatz von hier nach da, um das Schlimmste zu verhindern. Ihre Ermordung.
Das Wesen spricht zu ihr.
Tara hat Mühe, unter dem Ansturm der Eindrücke, ihren Worten zu folgen.
Nicht zaubern.
Hä…?!
Wie… nicht zaubern?
Verboten!
HÄH…?!
Bei allen Höllen…! Was war das denn?
Bis sie gelernt habe, damit umzugehen!
Was für ein Unsinn. Als ob es an der Effizienz ihrer Zauber etwas auszusetzen gäbe.
Was kann sie dafür, wenn diese Narren sich unzureichend schützen oder gar mitten in ihre Zauber hineinrennen?
Da brüsten sie sich permanent damit, wie mächtig und kompetent sie doch seien und ein paar simple Flammen werfen sie um! Bei allen Höllen! Es ist doch immer dasselbe.
Tara unterdrückt weitere Gedanken in diese Richtung. Wer weiß, ob dieses Wesen vor ihr jene nicht lesen kann? Und…auch wenn es Tara offenbar irgendwie, warum auch immer, in dieses Leben zurück holte, ist es bestimmt keine gute Idee, jetzt offen zu widersprechen.
Alsbald wendet sich die Solar ab und entfernt sich von der immer noch verdutzten Tara, die noch eine kleine Weile am Ort verbleibt.
Ihr Kampf war hier zu ende.
Sie war nun aller Schulden ledig.
Auch wenn ihr Herz nun wieder schlug und alles eigentlich so funktionierte, wie es soll, war sie weit davon entfernt, sich als… genesen… zu sehen.
Das Wesen hatte sie offensichtlich nur dem Schnitter entrissen. Nicht mehr und nicht weniger. Bei jeder Bewegung wird ihr das sehr schmerzhaft ins Gedächtnis gerufen.
Zudem sich ihr altbekannter und ungeliebter Hunger massiv in ihr zu regen beginnt.
Es ist Zeit, sich einen Unterschlupf zu suchen.
Und etwas zu… essen.
Doch wie sollte sie das anstellen? Sie kann sich ja kaum auf den Beinen halten.
Dabei hat sie doch so viel zu tun. So viel, um das sie sich nun endlich kümmern kann... und muß!
Tara wankt mühsam in eine dunkle Gasse und sackt in einer halbwegs geschützten Ecke zusammen. Gedanklich immer noch damit beschäftigt, ihre Erinnerungen zu ordnen ergibt sie sich rasch der Gnade des heilenden Schlafes…


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Fr 5. Jan 2018, 21:38 
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Tara sollte sich also zu den Verletzten zurück ziehen.
Die Erschöpfung stand allen noch ins Gesicht geschrieben. Nur wenige Augenblicke hatten sie sich gelassen, wenigstens Hunger und Durst nach dieser Schlacht zu stillen.
Dennoch vergaß Sila ihre Pflichten nicht. Ein Mitglied des Ordens lief irgendwo verletzt durch die Stadt.
So ging sie los, auch die Verletzten der anderen Fronten zusammen zu suchen. Jedes Mitglied des Ordens sollte zurück in das Anwesen de Teril gebracht werden.
Jene, die noch gehen konnten und keiner sofortigen Heilung bedurften wies sie an, ihr zu helfen.
An ihrer Seite ging Flinn Winterkalt. Er ließ die Priesterin bis in die späten Stunden nicht allein. So wurde die Nacht kurz. Für viele wäre es sicher zu kurz gewesen. Doch es war ihre Pflicht. Und jener ging sie nach. Sie wollte alle Mitglieder, ob lebend oder gefallen, zurück zu ihrem kleinen Bollwerk bringen lassen. Die Templer und Heilkundigen sollten die Patienten stabilisieren, als dass sie die folgenden Stunden überstanden. Die Schläger sollten die Toten in einen seperaten Raum führen und identifizieren.
Langsam füllte sich das Anwesen. Einem Jeden wurde Respekt gezollt, die schulter geklopft, die Witwen und Witwer fanden im Kreise der "Familie" Halt, dass sie in den schweren Schlag nicht Allein überstehen mussten. Nach und nach fand sich so der gesamte Orden ein. Und man würde nicht aufhören zu suchen, bis es wirklich alle waren, die gefunden wurden.
Alle- auch Tara.

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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Mi 10. Jan 2018, 12:04 
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Es war schon weit nach Mitternacht, als Tara in den Räumlichkeiten des Ordens, in denen Hochwürden Welmers und die anderen Heilkundigen des Tages ihre Dienste verrichten, nach den Verletzten sah.
Gewiß, es waren deutlich weniger, als kurz nach der Schlacht, doch immer noch genug. Immerhin lagen sie nun nicht mehr im Nebengelass herum, doch der Saal, wie Tara den Raum für sich nannte, war noch ganz gut belegt.
Lautes und leises Schnarchen, kurzzeitig von kurzen Schmerzenslauten unterbrochen, wenn sich ein Schläfer bewegte, erfüllt mit geradezu einschläfernder Monotonie die Luft…
Leisen Schrittes, peinlich darauf bedacht, jedes Geräusch zu vermeiden, um die Schläfer nicht zu stören, bewegt sie sich durch den Raum. Zu jedem Einzelnen geht sie, nimmt ihn in Augenschein, prüft die Lebenszeichen und den Fortschritt seiner Genesung…
All das geschieht routiniert und mechanisch, während sie einen großen Teil ihres Verstandes darauf verwendet, über die momentane Lage nachzudenken.
Der Tod war etwas ziemlich Einzigartiges. Nicht bedrohlich, ja nicht einmal unangenehm, eher irgendwie… befreiend.
Näher war sie dem Mysterium, über das sie so oft spekuliert, mutmaßt und nachdenkt nie gewesen. Nicht einmal in jener Nacht, die damals alles veränderte.
Die Erinnerungen daran brannten sich unauslöschlich in ihren Geist ein. Selbst wenn sie es wollte, nichts davon konnte sie vergessen.
Auch wenn es doch ganz anders war, als man es sich erzählt, stimmt es schon, dass im Augenblick des Todes das ganze eigene Leben noch einmal an einem vorüberzieht. Doch irgendwie ganz anders, als sie es erwartete.
Alles schien eine Ewigkeit zu dauern, auch wenn sie sicher war, dass es nur wenige Augenblicke währte.
Ihre Kindheit, die Ausbildung und der Rauswurf aus der Gilde. Die Zeit im Tempel, am Tor und ihre Reise, nachdem sie ihre Heimat verlassen musste.
All die Gesichter!
Valen, ihre Freundin, die Einzige, mit der sie wirklich jedes Geheimnis teilte.
Rafsan, dieser tumbe, eingebildete Narr, der sich ob des Reichtums seines Vaters für unfehlbar hielt.
All die Gesichter jener, die sie auf ihrer Reise traf. Manche freundlich, manche gleichgültig oder ablehnend, wieder andere irgendwie dunkel, mit dem Ausdruck des Entsetzens…
Rivin…
Die Ankunft.
Der Frater, dem sie doch so viel verdankt.
Ein leises Seufzen entringt sich ihr. Kaum mehr als ein Hauch.
Wenn er doch nur hier wäre! Er wusste immer Rat, wenn sie mit ihrem Latein am Ende war, was im Alltag leider nur zu häufig geschah.
Sarinius, den sie ausbildete und dann doch hergeben musste. Hatte sie versagt? Hätte sie ihn mehr lehren sollen? Gar alles?
Ein Anflug des Bedauerns, gefolgt von einem größeren des Erstaunens darob zieht durch sie hindurch.
All die Gesichter der Familie folgen.
Und natürlich die, mit denen sie die jüngste Zeit verband.
Allen voran die ihrer Mörderinnen.
Immer noch hatte sie gerade mal eine leise Ahnung, was sie eigentlich von ihr wollten, warum sie taten, was sie taten.
Die Verräterin war womöglich erbost, dass Tara ihren Versuchen, sie zu manipulieren und zu betrügen widerstand? Nun ja, abgesehen von ihrem Kopf, genauer dem dessen innewohnenden Hirn, hatte sie nichts zu bieten, was sie reizte. Nur verstand sie das offenbar nicht.
Doch selbst das hatte nunmehr seinen Reiz verloren, gleichwohl sie immer noch ein gewisses Interesse daran hatte, zu ergründen, was das Hirn einer Wahnsinnigen von einem Normalen unterschied.
Das Gesicht der Gilda Finsterblick drängt in ihr Denken.
Eine Nord der Stämme, wie sie im Buche steht. Dennoch war es überaus ungewöhnlich, dass sie sich an dem Mord beteiligte. Brachte es doch gemeinhin wenig Ehre, eher den Hohn und Spott der anderen ein, ein wehrloses Wild zu jagen.
Vielleicht war sie ehrlos? Vielleicht musste sie darum ihre Heimat verlassen?
Erstaunt registriert Tara, dass sie derlei Fragen doch tatsächlich irgendwie ernstlich interessieren.
Dieser Abschaum ermordete sie! War es da nicht eigentlich egal, warum und wieso?
Und dennoch…
Hmmm.
Weitere Gesichter erschienen.
Sila Welmers. Wer hätte gedacht, dass sie ausgerechnet mit einer Priesterin gemeinsame Sache machen würde?
Nicht dass ihr irgendetwas an Tyrannos lag. Tatsächlich war er ihr ziemlich gleichgültig, was sie Hochwürden Welmers auch sagte, doch jene… akzeptierte das?!
Erstaunlich!
Nun war sie also im Orden der Silbernen Faust. Das war mindestens ebenso erstaunlich. Besonders, da sie Hochwürden Welmers nie etwas vormachte, was ihre Beziehungen zu den Göttern anging.
Nun ja, der Orden war so gut, wie fast jeder andere Platz und sie würde tun, was sie konnte, um ihren Eid zu erfüllen.
Dann war da noch der undurchsichtige Flinn Winterkalt. Belesen, glatt wie ein Aal, womöglich noch glatter und durchaus kompetent, obwohl niemand wohl genau weiß, was er wirklich kann und was nicht.
Zuweilen schien er ihr Feind zu sein, um sie kurz darauf damit zu verwirren, ihre Partei zu ergreifen. Wer soll denn daraus schlau werden?!
Dann war da noch diese Pyka.
Tara weiß selbst nicht zu sagen, was genau an jener so faszinierend ist.
Vermutlich weil sie auf eine Weise sorglos ist, die Tara so sehr an ihr früheres Dasein erinnert?
Eine Schneiderin sei sie, heißt es.
Nun ja, eine solche kann sie wohl gut gebrauchen. Auch wenn ihre Wunden überaus gut und rasch verheilten, ist doch ihre Gewandung nur noch ein zerstörter Fetzen. Auch wenn sie jene flickte, so gut sie es eben vermochte.
Vielleicht sollte sie diese Pyka diesbezüglich einmal aufsuchen?
Besser bald aufsuchen!
Thankardt der Dwar drängt sich hervor.
Um jenen tat es ihr wirklich leid. Unglaublich, dennoch wahr.
Wie sie nunmehr weiß, hatte sie ihn buchstäblich geröstet. Zwar unbeabsichtigt und unter der Annahme falscher Voraussetzungen, doch das änderte nichts am Ergebnis.
Sie hatte ihm seine Dienste an ihr wahrlich übel vergolten!
Irrige Annahmen hin oder her.
Doch wurde jener wohl wieder ins Hier und Jetzt zurückgeholt, bevor er die Schwelle zu Anderswelt wohl endgültig übertreten konnte. Das war gut.
Sie würde mit ihm reden müssen um diese Sache irgendwie aus der Welt zu schaffen. Bei den meisten anderen wäre es ihr egal, doch der Dwar hatte so was nicht verdient. Zudem er allein wohl gänzlich schuldlos an allem war.
Steht in vorderster Reihe und tut seine Pflicht und sie brät ihn, wie ein Spanferkel!
Bei allen Höllen, das war so peinlich!
Da hilft es auch nur wenig, dass diese Narren von Mantelmagi wohl eher an sich, denn an den Erfolg der Sache dachten.
Tatsächlich ist es ihr ein Rätsel, wie man so planlos, geradezu leichtfertig handeln kann.
Was lernen sie in ihrer Ausbildung denn überhaupt?
Tara dringt das Geschrei des Sergeanten der damaranischen Armee ins Gedächtnis, der einige Rekruten zusammenstauchte, die gierig nach dem Ruhm in der Schlacht direkt ins Feuer ihrer eigenen Magi rannten. Klein, schwarz und hässlich waren sie hernach. Sie hatten Glück, dass sie überlebten und es dauerte lange, bis die Wunden vernarbten.
Dabei war es doch eine ebenso einfache, wie effiziente Vorgehensweise!
Erst tun die Magi ihr Werk und erst dann kümmern sich die Schwertmeister und Soldaten um das, was angeschlagen oder übrig ist.
Und niemand, wirklich niemand der in vorderster Linie etwas zu tun hat, geht ohne Schutz dorthin!
Doch irgendwie scheinen solche elementaren Grundlagen hier erstaunlicherweise unbekannt zu sein. Vielleicht ist es aber auch nur die Gier nach besagtem Ruhm in der Schlacht?
Kurz überlegt Tara, ob sie womöglich wirklich der Magie entsagen soll. Was nützte es, wenn sie feindliche Horden einäscherte, wenn sie die ihren gleich mit niederbrennt?
Dabei war es wohl egal, ob sie ihre Zauber schlecht platzierte oder die ihren zu dumm waren, geeignete Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Andererseits…
Konnte sie es sich das überhaupt leisten? Weder war sie besonders stark, noch konnte sie wirklich mit Waffen umgehen. Ihre Klingen beherrschte sie auch nur deshalb, weil sie eben sehr leicht waren. Doch im Krieg halfen sie ihr auch nicht wirklich.
Nein. Die Magie war es, die sie schützen und vor Übel bewahren konnte. Sie allein. Das konnte sie nicht aufgeben.
Gold verdienen, das kann sie auch mit der Alchemie, doch schon für einfache Verzauberungen brauchte sie die Magie.
Athraxis kommt ihr in den Sinn.
Ein ebenso seltsamer, wie faszinierender Kerl. Wer schon einmal die Klinge mit ihm kreuzte bescheinigt ihm Talent und Können. Es war ein wahrer Glücksgriff, dass sie sich überwand und ihn fragte. Zudem sich herausstellte, dass er eben nicht nur ein tumber Schwertschwinger war, sondern zudem auch noch Verstand besitzt. Auch wenn manche seine Worte mit Argwohn und Skepsis aufnahmen, wie sie im Wirtshaus schon mehrfach erlebte, rannte er doch oftmals bei ihr offene Türen ein.
Es ist schon seltsam. Manchmal sucht man das Einfache und findet einen Schatz.
Manchmal entpuppt sich ein vermeintlicher Schatz jedoch auch als wertlos.
Doch wie es scheint, trifft auf diesen Fall wohl das Erste zu…

Tara ist beim letzten Patienten des Ordenslazaretts angekommen.
Die Meisten werden genesen. Dessen ist sie sicher. Manche womöglich mit leichten Einschränkungen, doch haben sie ja dann die Hilfe der ihren und des Ordens. Zwei Verletzte jedoch werden todsicher dem Schnitter anheim fallen. Auch dessen ist sie sicher.
An der Bettstatt des Einen steht sie nun und sieht auf ihn herab.
Eigentlich ein hübsches Bürschlein. Wer weiß, was aus ihm hätte werden können?
Doch was immer ihn traf, es widersetzt sich hartnäckig jedweder Heilkunst.
Schon bald wird der Brand in seinem ganzen Körper wüten. Nicht nur in Arm und Bein. Eigentlich müsste sie Tag und Nacht Tränke brauen, Salben und Arzneien herstellen, doch um wirklich hier und jetzt etwas ausrichten zu können, müsste sie sich wohl verzehnfachen.
Sanft, beinahe zärtlich streicht sie ihm über den schweißnassen Kopf. Das Fieber war auch zurückgekehrt…
Einen Dienst konnte sie ihm wohl erweisen. Vorsichtig nimmt sie einen der Lappen aus dem eisigen Wasser, die extra für diese Zwecke inmitten der Betten platziert wurden und legt ihm das kühle Tuch auf die fieberheiße Stirn.
Er soll nicht leiden.
Sie hatte es Sila versprochen und sie hielt ihr Wort. Immer.


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Mo 2. Jul 2018, 10:38 
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Wie sehr sie das vermisste, fällt ihr erst so richtig auf, als sie lautlos und pfeilschnell über die Baumwipfel und Lichtungen des Waldes dahingleitet.
Mögen die Dinge sein, wie sie wollen, sie war endlich wieder ganz.
Tara landet, weitab und außerhalb der Sichtweite der Stadt auf einem Felsen.
Ja, sie hatte nun endlich, was sie wollte. Sie war wieder sie selbst.
Es war mehr als schmerzlich, neben dem schleichenden Verlust ihres alten Selbst, auch noch diesen bedeutenden Teil ihrer Fertigkeiten einzubüßen. Niemand kann das wohl auch nur im Ansatz nachfühlen. Umso schöner ist es jetzt, wo sie wieder zu einem Ganzen zusammengefügt wurde.
Sie sieht fasziniert zum strahlend hellen Mond hinauf, während ihre Gedanken sich irgendwie selbstständig machen.
Manchmal lösen sich die Probleme auf eine Weise, die wohl selbst die Weisesten nicht vorhersehen können.
War sie doch vordem drauf und dran, den Fluch, den ihr die Solar auferlegte auf brachiale Art und Weise zu brechen. Nur Selissas Auftauchen vereitelte dieses Vorhaben. Nicht, daß sie sich fürchten würde, immerhin sah sie ja die andere Seite nun schon, doch der Weg dahin will gut gewählt werden. Der Ihre war doch ziemlich schmerzhaft und unschön. Nach derlei verlangte es sie nicht noch einmal.
Zudem ihr solcherlei ja nun ohnehin verwehrt war. Wie lange dauert es eigentlich bis so ein Kind erwachsen ist?
Großmutter würde wohl sagen, sie sei es heute noch nicht und sicher würde ihr so mancher, der sie kennt zustimmen. Selissa brauchte sicher noch zehn?... zwanzig? Jahre, bis sie soweit war, sie guten Gewissens verlassen zu können. Natürlich würde sie zetern und es mit aller Raffinesse versuchen, ihr auszureden. Und das beherrschte sie wahrlich meisterhaft. Viel zu oft ließ sich Tara wohl um den Finger wickeln, obwohl sie doch eigentlich etwas ganz anderes wollte.
Seltsam. Warum war das so?
Gewiß. Ihre Mutter war tot und sie selbst trat an deren Stelle. Mit allen Unbilden und enervierenden Verpflichtungen, die das nun mal mit sich bringt. Und dennoch!
Es wäre so einfach, sich ihrer zu entledigen, doch was tat sie? Sicherte ihre Ausbildung, ihr Fortkommen…
Nein. Die schnöde Wahrheit war wohl, selbst wenn sie so wie jetzt, logisch darüber nachdachte, sie konnte es gar nicht. Selissa gehört nun zur Familie, sogar noch weit mehr, als sie es eigentlich durfte. Doch das bedeutete wohl nichts anderes, als daß sie nun ein Teil ihres Selbst war. Zudem da auch noch einige Schulden zu begleichen sind…
Trotz aller Besorgnis ließ sie der Kleinen die Entscheidung, ob die Mörder ihrer Mutter bestraft werden sollen. Das war wichtig. So würde sie sich niemals Vorwürfe machen müssen, etwas in dieser Sache versäumt zu haben, das sie hätte tun müssen.
Auch wenn sie sich selbst eher daran erinnerte, als es noch bewusst zu leben, wusste Tara doch sicher, daß so ein Gewissen eine furchtbar quälende Sache sein kann. Das hatte sie Selissa hoffentlich erspart.
Gewissen…
Es war offenkundig, daß die Kleine eigentlich nichts mit dem Schicksal der Mörder zu tun haben will. Das soll sie auch nicht, dennoch muß sie ihr Urteil dazu abgeben, wie immer es auch ausfallen mag.
Es sollte wirklich nicht so sein, diese Lektion hätte Tara ihr gern erspart, doch nun sieht sie wohl, daß manches einfach kommt, ob man will oder nicht. Und dann muß man sich damit auseinandersetzen.
Sie würde Selissas Entscheidung in jedem Fall beachten, obwohl das vermutlich nur die Art und Weise der Strafe beeinflussen würde. Doch das musste sie ja, je nachdem wie sie sich entschied, nicht erfahren.
So oder so würde diese leidige Angelegenheit bald ihr Ende finden.
Wichtiger war wohl, wie es danach weitergeht.
Sie muß irgendwie, irgendwoher einen Lehrmeister auftreiben.
Nicht, daß es Selissa so ergeht, wie ihr selbst.
So schmerzlich die letzte Zeit, in der sie ihrer Fähigkeiten beraubt war auch war, sie war lehrreicher, als all die Jahre bei den Blutstäben und im Tempel zusammen.
Gleichwohl sie der Maestra dafür niemals Dank sagen würde.
Doch was wahr ist, bleibt wahr, selbst wenn die Maestra die Dinge benennt.
Sie war erschreckend unwissend, was viele Bereiche des Gewebes und des Umgangs damit betrifft. Das musste sie leidvoll eingestehen. Die kurze Zeit der Studien im Mantel war hierfür überaus aufschluss- und lehrreich. Ihre Grenzen lagen deutlich enger, als sie es sich selbst vorstellte und sie hatte somit noch so viel zu lernen, daß ein Leben dafür kaum ausreichen würde. All das war ohne jeden Zweifel wahr.
Dennoch wurmte es sie gewaltig, daß man im Mantel offenbar Scherze mit ihr trieb. Wozu stellte sie sich all den Plagen und der Mühe, wenn doch offenbar niemandem dort daran gelegen war, daß sie je ihre Fertigkeiten zurück bekam?
Zumindest niemandem, der Entscheidungen zu treffen hatte.
Tara spürt den Zorn in sich aufwallen und drängt ihn erstaunlich leicht zurück.
Egal!
Es gab nun Wichtigeres, als ihre Aversion gegen den Mantel und jene der Maestra und anderer gegen sie.
Natürlich wäre es schön, könnte Selissa ihre Ausbildung dort beginnen. Saralke war eine wirklich gute Mentorin und hatte die Gabe, auch komplizierte Dinge verständlich zu erklären.
Ein wenig Zucht und Ordnung bei Amin täten ihr wohl auch mal ganz gut.
Malizia…besser nicht. Das hatte Zeit, wenn es überhaupt ihr Weg sein sollte.
Faenshalae wäre sicher auch eine Quelle der Weisheit. Mit ihr kann man sich wenigstens vernünftig und ohne störende Einschränkungen über die Dinge unterhalten. Das war wichtig für eine Ausbildung.
Was die Drow beim Mantel hielt war Tara unbegreiflich.
Nelphie und Dreani wären sicher auch eine Hilfe. Wenn jenen etwas misslang, müsste Selissa wohl eine Weile mit grünen Haaren oder blauer Haut herumlaufen.
Das wäre sicher besser, als ein rauchendes Häuflein Asche zu sein…
Doch das war ihr ja nun durch die Maestra verwehrt.
Das sie Tara verbot, je wieder einen Fuß in den Mantel zu setzen… geschenkt.
Doch daß sie drohte, Selissa fortholen zu wollen, damit ging sie zu weit. Unentschuldbar zu weit.
Gewiß, sollte Selissa aus eigenem Entschluß von ihr fort wollen, würde sie das klaglos akzeptieren.
Klaglos…?
Tara horcht erstaunt in sich hinein. Würde sie das wirklich?
Natürlich würde sie Selissa gehen lassen und ihr mitgeben, was immer sie könnte, doch dann?
Was, wenn jene dann fort wäre?
Seltsam. So sehr sie auch nachdenkt, sie findet keine Antwort.
Dabei wird irgendwann genau dieser Moment kommen.
Im günstigsten Fall in einigen Jahren, doch wer weiß das schon?
Es ist sicher eine gute Idee, die Ausbildung unverzüglich zu beginnen.
Und es ist sicher eine gute Gelegenheit festzustellen, welche ihrer Schriften dieses vorwitzige Ding schon gelesen hat.
Eigentlich sollte sie ihr die Ohren langziehen.
Doch vielleicht erweist sich das auch als Zeitersparnis. Immerhin muß sie Selissa nichts lehren, was sie schon weiß.
Dennoch. Ein richtiger Lehrmeister musste her. Das ist dann wohl die nächste anstehende Aufgabe, so einen irgendwo zu finden.
Doch zuvor steht da wohl noch die Sache mit den seltsamen Sporen der Baronin und der ominösen Suche Kadilas an.
Wie erwartet kommen die ganzen Haken und Unwägbarkeiten erst nach und nach ans Licht.
Hätte die Baronin nicht gleich sagen können, daß da womöglich noch ein schwarzer Drache im Spiel ist?
Und auf einem Schiff übers Wasser zu segeln erfüllt Tara auch nicht gerade mit Zufriedenheit.
Das Urteil des Richters steht auch noch aus.
Obwohl das nun irgendwie an Bedeutung verlor. Es ist nur insofern relevant, daß die Betroffenen endlich merken, daß man für jede Tat einen Preis bezahlt. Exakt die Lektion, die sie Tara gaben.
Wie sehr sich doch die Gewichtung der Dinge mit Zunahme der Anzahl der Aufgaben ändert. Erstaunlich!
Das helle Mondlicht zwingt sie aus ihren Gedanken.
Zweifelsohne gibt es viel, unglaublich viel, das es zu bedenken gilt, das getan werden muß, doch jetzt ist wahrlich nicht die Zeit dafür.
All die Dinge des Alltags hatten sicher noch Zeit bis morgen.
Mit kräftigen Schwingenschlägen gewinnt Tara rasch an Höhe, während der Felsen und die Wälder unter ihr immer kleiner werden.
Ob das die Freude war, von denen alle immer erzählten?
Tatsächlich fühlte sie sich rundum zufrieden, als sie in schwindelerregender Höhe abkippt und in einen Sturzflug übergeht, der ihr beinahe den Atem raubt.
Natürlich konnte man auch anders fliegen, auf eine Weise, die es einem erlaubt unterwegs Zauber zu wirken und dergleichen…
Doch was war das schon gegen dieses unbändige, urgewaltige Empfinden mit eigener Kraft durch die Lüfte zu gleiten!
Es war ihr tatsächlich egal, ob ein einsamer Wanderer in der Nacht künftig in irgendwelchen Tavernen von einem geflügelten Ungeheuer erzählen würde, das verrückte Kapriolen in der Luft vollführte und womöglich geradezu einen närrischen Eindruck machte.
Es war viel zu schön, wieder zu fliegen!
Und so schaffte Tara es erst kurz vor der Morgendämmerung zurück ins Segel. Völlig ausgelaugt und erschöpft, doch zufrieden, wie schon lange nicht mehr…


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: So 18. Aug 2019, 14:15 
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Registriert: Fr 16. Mai 2014, 22:37
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Völlig erschöpft fällt Tara in ihr Bett.
Dieser van Espada ist ein wahrer Leuteschinder. Wieder und wieder übten sie zur körperlichen Ertüchtigung und auch das Erzeugen eines Kero…
Seltsamerweise machte ihr das dort im Wald gar nichts aus. Der Zorn auf die Maestra trieb sie an. Egal was van Espada verlangte, sie tat es und noch mehr.
Sogar ein Kero konnte sie heute bis zur letzten Konsequenz erzeugen und auch ins Ziel bringen. Es war ganz leicht. Irgendwie viel zu leicht. Warum war das so?
Und warum war van Espadas grasgrün, während sie nur ein tiefes Rot zustande brachte, wie es auch diese üblen Tyrannten tun?
War das alles die Folge ihres Zorns?
Obschon Tara todmüde ist, kann sie mit all dem Chaos in ihrem Kopf nicht einschlafen.
Die Maestra geht ihr einfach nicht aus dem Kopf.
Warum nur hatte sie sich überhaupt darauf eingelassen? Sie hätte es doch wissen müssen!
Abermals ließ sie sich vom Baron zum Vertrauen überreden. Und abermals bekam es ihr schlecht.
Keine Ausflüchte! Keine Ausreden oder Schönfärberei mehr!
Tatsächlich reagierten die anderen so ganz anders, als sie es befürchtete. Natürlich hieß niemand ihre Taten gut. Wie auch? Sie selbst tat das ja auch nicht. Doch die Reaktion der Maestra übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen.
Was hatte sie eigentlich erwartet?
Tara grübelt hin und her.
Sie wusste nur, was sie nicht erwartete. Nämlich das, was die Maestra ihr doch tatsächlich wagte… anzubieten. Obschon es vorauszusehen war, dass sie darauf bestehen würde Sicherheiten zu bekommen, dass derlei sich nicht wiederholt, war es doch zusätzlich deprimierend sehen zu müssen, wie sie sich in ihre eigenen Wahrheiten erging, wo sie ihr doch alles offenbarte.
Eine wahnsinnige Mörderin sei sie. Eine, die sich nicht darum schert, welche Opfer ihr Tun fordert. Eben das herzlose Monster, als das die Maestra sie damals schon zieh.
Hatte sie damit recht?
Eine Mörderin war sie ohne jeden Zweifel vor dem Gesetz und auch vor jenen, die von ihr wussten. Wahnsinnig? Mitnichten!
Sie sah Vieles anders, als die Maestra und die Speichellecker, die sie umgaben, ja.
Doch war sie deswegen schon wahnsinnig?
Eine Wahl hätte sie gehabt, eine Wahl sich zu entscheiden! Pah!
Was wusste die Maestra schon vom Hunger, der nie endet? Was davon, wie es ist, erkennen zu müssen, dass man niemals satt wird, sondern immer mehr braucht, je mehr man bekommt? Was davon, wie ihr untotes Selbst stärker und stärker wurde, während sie selbst Stück für Stück davon gefressen wurde?
Für die Maestra bildete sich Tara das alles nur ein.
Das eitle Geschwätz einer, die sich selbst für weise hält und nur sieht, was in ihre begrenzte Wahrnehmung passt. Wie bei allen Höllen kam der Baron nur darauf, dass Tara ausgerechnet… ihr… vertrauen soll? Alles was sie bisher von der Maestra erfuhr war Pein und Seelenqual. Öffnen sollte sie sich. Pah!
Nun tat sie es und alles kam genau so, wie sie es vorhersah!
Wie sie es leid war, in diesem Punkt immer und immer wieder bestätigt zu werden!
Der Baron, die ehemalige Baronin und Anara waren doch tatsächlich ein kurzer Lichtblick. Eine kurze Weile hoffte sie darauf, dass sie sich ja doch womöglich in etwas verrannt habe, das eigentlich ganz anders ist… Das es für sie keine Vergebung geben würde, bereitet ihr kein Kopfzerbrechen. Wie kann man auch vergeben, was sie tat? Würde sie das je selbst können, so wie es die ehemalige Baronin prophezeite…?
Nein.
Niemals!
Das hieße ja, dass sie sich von ihrer Schuld freikaufen würde. Und das widerspricht wirklich allem, was sie jemals als richtig und wichtig ansah.
Dennoch konnte nichts darüber hinwegtäuschen, dass die Maestra in weiten Teilen recht hatte.
Wie sehr sie es hasste, sich das eingestehen zu müssen!
Sie war ein Monster. Immer noch.
Momentan verstand sie zwar noch nicht, wie dieser Tyrannt in ihr es fertig brachte, den Vampir zu bezwingen, so dass sie doch vieles von ihrem früheren Selbst zurück erhielt, doch das würde sie noch herausfinden. Nun war sie also nicht mehr auf dem direkten Weg in ein untotes Dasein, doch war es denn jetzt besser?
Gewiß, all die Einschränkungen der Vergangenheit waren irgendwie…fort.
Doch dafür kam neues Ungemach.
So leicht es vordem war, ihre Opfer im Vergessen zu halten und sich nicht von ihnen plagen zu lassen, so sehr drängen sie nun in jedem wachen Augenblick in ihren Geist.
Diese verdammten Gefühle!
Wie töricht sie doch war, deren Schwinden und Fehlen als Fluch zu sehen!
Es war ein Segen! Ein Segen, keine Reue, kein Mitgefühl, keine Scham empfinden zu müssen. Eben all dem zu entgehen, das nun im Übermaß über sie kam und vor dem es kein Entrinnen gibt.
Was würde wohl als Nächstes geschehen?
Der Vampir in ihr war bezwungen, doch war der Tyrannt denn nur einen Deut besser? Sie weiß ganz genau, was nur ein Einziger von denen anrichten kann.
Und die Wälder wimmeln von ihnen.
Sie sagten, sie habe ihn bezwungen. Ihr Tyrannt schlafe nun und würde nicht erwachen, wenn sie nichts Dummes tat. Doch was wenn sie irren?
Was, wenn dieses… Ding… nur viel gewitzter ist, als sie es alle vermuten und gar nicht schläft, sondern nur auf eine Gelegenheit wartet, zuzuschlagen?
Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass sie nun ein Kero wirken kann, was doch eigentlich nur Tyrannten können.
Wenn dieses Wesen so mächtig war, sie selbst wieder zum Vorschein zu bringen, wer weiß, was es noch alles vermag?
Welche Art Ungeheuer war sie nun wohl?
Natürlich hatte sie schon versucht, eben dies herauszufinden, doch das erwies sich als überaus schwierig. Gleichwohl hatte sie im Laboratorium etwas erprobt, das sie sehr nachdenklich stimmte und wovon sie den anderen besser nichts sagte.
War sie herzlos?
Waren ihr die Toten, die sie zu verantworten hat wirklich egal, wie es die Maestra behauptete?
Eine geraume Weile horcht Tara in sich hinein. War dort vordem Leere, tobten nun ihre Emotionen in einem fürchterlichen Chaos herum und kämpften gegeneinander.
Was hätte sie denn tun sollen? Sie hatte Hunger und musste etwas essen, wenn sie nicht selbst verfallen wollte. Zudem sie in diesem Zustand keinen klaren Gedanken fassen konnte und eher Raubtier denn Mensch war.
Eine Erklärung war das allemal, auch wenn die Maestra es ihr nicht glaubte. Doch machte das irgendetwas besser?
Der Frater sagte ihr damals schon, sie müsse lernen, sich zu bezähmen.
Sie lernte es bis heute nicht wirklich. Somit war es kein mildernder Umstand.
Zeugt es von… Herz… im Nachhinein zu bereuen, was man tat?
Zeugte es nicht eher von Herz, das zu verhindern?
Auch wenn die Maestra eitel und selbstgerecht war, dass es kaum zu ertragen ist, trafen ihre Worte Tara doch abermals bis ins Mark. Ihr Blick wandert zu ihrem Dolch, der geradezu unscheinbar auf dem Tisch liegt.
Es wäre so einfach, so leicht.
All ihre Fragen würden mit einem Schlag beantwortet werden. Auf die eine oder andere Art, dennoch….
Sie zählen auf sie. Sie muß mit in diese seltsame, hohle Welt und sich dem stellen, was immer dort wartet.
Sich jetzt allem zu entziehen wäre… ehrlos.
Tara schaudert.
Was ist nur geschehen, dass sie so was überhaupt in Erwägung zieht?
Bekam sie ihre Emotionen zurück, um ihre Ehre zu verlieren?
Die Krieger ihrer Heimat fielen ihr ein. Niemand von denen würde sich selbst umbringen! Wenn sie den Tod suchten, dann mit dem Schwert auf dem Schlachtfeld.
Zum Nutzen für die Übrigen.
Nun ja….
Sie war keine Kriegerin.
Doch dieser Kodex kam jenem schon sehr nahe, dem sie folgt.
Suchte sie denn den Tod?
NEIN!
Eindeutig nicht!
Sie hat eine verdammte Pflicht zu erfüllen. Eine für die sie unter allen Umständen leben muß. Selissa hat genug Verluste in ihren jungen Jahren erlitten. Allein für sie muß sie weitermachen.
Was hernach geschieht, wird die Zeit weisen. In einer Sache ist sich Tara allerdings absolut sicher. Weder wird sie mit der Maestra zu irgendeiner Kirche gehen, noch sich in irgendeiner Weise ihrer Obhut oder wie immer jene das nennen mag, unterwerfen.
In ihrem Gedankenchaos gefangen fordert der Tag letztlich doch seinen Tribut und sie wird vom Schlaf übermannt, um sich ihrem anderen Schrecken zu stellen…


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Di 9. Mär 2021, 16:02 
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Registriert: Fr 16. Mai 2014, 22:37
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Es war ein hartes Stück Arbeit, Selissa gegenüber gewohnt gelassen und ruhig zu erscheinen, wo doch alles in ihr in heller Aufregung ist.
Doch nun liegt sie hier, auf ihrem weichen Lager, während die Dunstschwaden durch den Raum wabern.
War das wirklich die richtige Entscheidung?
Ist sie überhaupt stark genug dafür?
Was, wenn es schief geht, wenn das Ungeheuer in ihr die Oberhand gewinnt?
Eine Frage folgt der Nächsten, während in Taras Wahrnehmung und Bewusstsein zunehmend die Grenzen zwischen der der realen und ihrer inneren Welt verschwimmen…

Abermals steht sie vor der Burg, die doch eigentlich eher einer Ruine gleicht.
Tara sieht nach oben. Dort hinauf muß sie. Hoch in den Turm. Nur dort findet sie, was sie sucht, wenigstens das weiß sie genau.
Zögernd betritt sie die… Burg… und macht sich auf den Weg hinauf.
Wie schon zuvor sind die Zeichen des Verfalls unübersehbar. Wände sind eingefallen, Schutt und Trümmer liegen herum und der Wind pfeift durch die Lücken.
Ein trostloses Bild. Alles ist dunkel, keine Fackel erleuchtet den Weg und auch die erkalteten Kamine spenden keine Wärme.
Ohne Probleme erreicht sie die Treppe, die nach oben führt.
Auch in der zweiten Etage unterscheidet sich der Anblick nicht sehr vom vorherigen. Einzig die Schatten, die durch die Gänge huschen sind neu.
Wenn Tara einen Blick in die Zimmer wirft, erkennt sie dort Szenen, die eigentlich nicht in eine Burg gehören. Szenen, so vertraut, daß es einem Schock gleichkommt, als sie erkennt, daß es sich um Begebenheiten ihrer Kindheit handelt, an die sie sich bei ihrem Anblick wieder entsinnt, obgleich sie all das längst vergessen wähnte.
Szenen aus Blutstein, der Akademie, aus dem Tempel des Leidenden, aus ihrem Häuschen, das sie mit Großmutter bewohnte…
Doch all das verschwindet nach wenigen Augenblicken wieder und hinterläßt nur den Anblick eines kargen, verfallenen Raumes, der teils schon einsturzgefährdet wirkt.
Tara geht weiter durch die Gänge, nicht ohne jeweils einen Blick in die Räume zu werfen, an denen sie vorbei kommt.
Weiter und weiter, eine Treppe nach der anderen erklimmt sie, wobei sie manchmal abzustürzen droht, als Teile des brüchigen Bodens mit viel Gepolter in die Tiefe stürzen und gefährliche Löcher hinterlassen.
Mit Erstaunen registriert sie, daß die Schatten, die außerhalb der Räume um sie herum durch die Gänge huschen, nunmehr Gesichter bekommen. Erst nur schemenhaft und schwach zu erkennen, doch je weiter sie auf ihrem Weg vorankommt, umso deutlicher werden sie.
Es ist ein großer Schock, als sie erkennen muß, daß es ausnahmslos die Gesichter ihrer Opfer sind. Allesamt gefangen im letzten Augenblick ihres Daseins in dieser Welt, bevor sie durch ihre Schuld aus jener gerissen wurden.
Da ist die alte Bettlerin aus Dilpur, deren gütige Züge sich in grenzenlosem Entsetzen verzerren, als sie erkennt, was da auf sie zukommt. Von allen erinnert sich Tara am besten an sie, war sie doch die Erste. Der erste Beweis für ihr Versagen, ihr Unvermögen sich zu bezähmen, für ihre Disziplinlosigkeit, dem noch so viele folgten.
Schattengesichter voller Angst, Arglosigkeit, ungläubigem Erstaunen und Wut.
Nach eine Weile, sie steht nun direkt am Aufgang zum Turm, registriert Tara, daß all diese, nun nicht mehr namenlosen Schatten zu ihr sprechen. Eine Kakophonie von Beschimpfungen, Anklagen und Vorwürfen, die sie ausnahmslos nur in ihrem Kopf vernimmt, bringt diesen fast zum Bersten.
Das Poltern herabstürzender Steinteile nimmt sich dagegen geradezu wohltuend aus.
Schneller und schneller rennt sie die breite Wendeltreppe zum Turm hinauf, ohne darauf zu achten, ob etwas unter ihren Schritten bricht. Weg! Nur weg will sie von all diesen Stimmen in ihrem Kopf.
Tatsächlich nimmt deren Intensität ab, je weiter sie die Treppe hinaufsteigt.
Tara wird langsamer und auch wieder achtsamer, wo sie hintritt und wie ihre Umgebung aussieht.
Auch hier gibt es kein Licht und keine Wärme, doch scheint der Turm in deutlich besserem Zustand zu sein, als der Rest der Burg.
Bis zur oberen Etage des Hauptgebäudes, vielmehr dem, was davon noch steht, kannte sie sich aus. Immerhin fand tobte hier ihr Kampf mit dem Tyrannten, den sie glücklicherweise für sich entscheiden konnte. Doch das hier, der Turm, der ist neu. Nie zuvor war sie hier gewesen, tatsächlich hätte sie nicht einmal sagen können, ob es ihn überhaupt gab oder wie man dorthin gelangt.
Heute jedoch geht sie den Weg, als habe sie nie etwas anderes getan. Seltsam.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, die Anzahl der Treppen muß die Höhe des Turmes bei Weitem übersteigen, gelangt sie ans Ende der Wendeltreppe.
Tara riskiert einen Blick hinab und ist arg erstaunt, den Boden nicht ausmachen zu können. Ohne Geländer, das wenigstens ein wenig Sicherheit verspricht, scheint der freie Fall nach unten endlos zu sein. Nichts als finstere Schwärze ist unten zu sehen.
Mit Schaudern wendet sie sich der schweren Eichentür zu, die ihr den weiteren Weg versperrt.
Jene scheint intakt zu sein und passt so gar nicht zu der Ruine, die sie bisher durchquerte.
Einen Augenblick gönnt sie sich noch die Ruhe, die das Fehlen der Stimmen und der Geräusche polternden Gesteins bietet, bevor sie die Tür öffnet.
Jene gibt lautlos nach und läßt sich mühelos öffnen.
Dahinter liegt indes abermals nichts als Schwärze. Gerade mal etwa zwei Schritt weit kann Tara den Boden sehen. Alles andere liegt im Dunkel.
Kurz zögert sie, dann jedoch tritt sie ins Dunkel hinein…
Mit einem leisen Klappen fällt die schwere Tür hinter ihr ins Schloß, woraufhin im Raum plötzlich Kerzen aufflammen, als habe sie ihren Zauber, mit dem sie gemeinhin auf diese Weise Licht macht, gewirkt.
Tara sieht sich um.
Sie kennt diesen Raum.
Dort steht ihr Bett. Natürlich unbenutzt, denn sie steht ja hier und liegt nicht darin…
Dort steht das andere Bett. Großmutters Bett.
Irgendjemand schläft darin.
Sie kann nicht erkennen wer, hat der Schläfer doch sein Gesicht zur Wand gedreht. Sein Schlaf scheint jedoch überaus tief zu sein. Tara ist sich aus irgendeinem Grund sicher, daß sie hier mit Pauken und Posaunen herumlaufen könnte, ohne daß er erwacht.
Eigentlich sollte an der dritten Wand der Schrank stehen, wo Großmutter ihre eigene und Taras Gewandung aufbewahrte, doch steht dort an seiner statt ein halb verhangener Spiegel.
Tara hat eine furchtbare Angst vor diesem Spiegel. Zitternd setzt sie sich an die Tür und versucht das Chaos in ihrem Kopf zu ordnen.
Beinahe ebenso große Furcht hat sie davor, sich den Schlafenden genauer anzusehen.
Soll sie umkehren?
Aufgeben?
Es ein andermal wagen?
Allein der Gedanke daran, sich abermals durch die Schattengesichter kämpfen zu müssen läßt sie schaudern.
Nein. Sie war jetzt hier. Jetzt. Kein andermal, nicht irgendwann und aufzugeben war ihr verwehrt.
Bellonas Worte kamen ihr in den Sinn.
„Wenn du es nicht für dich tust, tu es für jemand anderen!“
Lebte sie nicht schon seit längerem nur noch für jemand anderen? Hatte sie ihre Tochter nicht durch ihr Tun oder nicht Tun dorthin getrieben, wo sie jetzt ist?
Wie will sie ihr eine Mutter sein, wenn es doch oft genug Selissa ist, die auf sie aufpasst, wo es doch umgekehrt sein muß?
Nein!
Der Schlafende ist das Eine, doch Tara weiß instinktiv, daß das Ziel ihrer Reise hierher, dieser Spiegel und das, was er ihr zeigen mag ist.
Es dauert noch eine ganze Weile, bis sie den Mut findet und mit ziemlich wackligen Knien zum Spiegel geht.
Nach einem letzten Zaudern reißt sie mit dem Mut der Verzweiflung das Tuch weg, das ihn verdeckt und sieht hinein.
Was immer sie erwartete, sie sieht den Raum, in dem sie sich befindet und … sich selbst. Ganz so, wie man es von einem Spiegelbild erwartet.
Während sie noch darüber nachsinnt, ob sie ob dieses Anblicks glücklich oder enttäuscht sein soll, beginnt sich ihr Spiegelbild zu verändern…
Erst beginnt es zu verschwimmen, als wäre der Spiegel verschmutzt, dann wird es irgendwie…durchsichtig, bis es dann verschwunden ist und Tara in einen leeren Raum starrt
Einzig die Kerzen und die Betten mitsamt dem Schlafenden sind auch auf der anderen Seite des Spiegels sichtbar. Von ihr selbst fehlt indes jede Spur.
Bevor sie sich jedoch zu sehr darüber wundern kann, taucht ihr Spiegelbild wieder auf. Ebenso, wie es zuvor verschwand, kommt es zurück. Erst als leichter Schemen, durchsichtig, nur in den Umrissen zu erkennen, gewinnt es schnell an Konturen und Schärfe.
Alsbald sieht Tara sich wieder selbst gegenüber, doch wie verändert!
Die Male des Tyrannten sind fort, als hätte es sie nie gegeben. Ihre Haut ist makellos und bleich, als fiele das Mondlicht auf Pergament.
Ihre Gesichtszüge sind zwar die ihren, doch irgendwie auch wieder nicht.
Es sieht aus, als habe jemand all die kleinen Makel einfach weggewischt. Die Lippen sind voll und rot, ihre Augen wirken, als hätte sie diese schattig geschminkt, wie es heute vielfach als schön empfunden wird. Dabei hat sie doch nicht einmal Schminkzeug!
Der größte Unterschied, den sie ausmachen kann, sind indes ihre Augen selbst.
Sind die ihrigen doch von einem Grau, welches dank ihrer Begegnung mit dem Tyrannten jetzt zuweilen hell und stechend wirkt, sind die ihres Spiegelbildes tiefrot, als seien ihre Augäpfel mit Blut gefüllt.
Tara steht eine Weile sprachlos vor dem Spiegel, als ihr Spiegelbild plötzlich das Schweigen bricht.
„Du siehst überrascht aus. Verschlägt dir unser Anblick die Sprache?“
Ein Grinsen ihres ichs im Spiegel entblößt spitze Eckzähne, die wohl manch Raubtier neidisch machen könnten.
„Ich….nein…wie….wo kommst du her? Warum bist du überhaupt noch da?“
„Oooch! Ich war doch nie weg, weißt du? Immerhin bin ich doch das Geschenk Mutters an dich. Wie könnte ich dich da verlassen?“
„Meine Mutter ist tot!“ schleudert Tara ihrem Spiegelbild entgegen.
„Untot.“ Kommt die lakonische Antwort. „Und wenn wir schon dabei sind, was meinst du wohl, was sie dazu sagt, wie wenig du ihr Geschenk wertschätzt? Ohne mich wärst du längst tot. Schon vergessen?“
„Stattdessen machst du mich zur Mörderin! Weißt du, wie viele Leute ich auf dem Gewissen habe seit…dir?!“
„Oh ja! Natürlich weiß ich das. Ich war immerhin dabei.“
„Vielleicht wäre es besser, ich wäre tot!“
„Tz, tz, tz! Ich glaube, sowas hört Selissa aber gar nicht gerne!“
„Nimm ihren Namen nicht in den Mund!“
„Was willst du dagegen tun? Du kannst aber unbesorgt sein! Ich mag sie ebenso gern, wie du. Darum tue ich ihr auch nichts…“
„Du untoter Abschaum! Du machst mich zur Mörderin und verspottest mich auch noch?!“
Augenscheinlich verliert allmählich auch die untote Tara im Spiegel die Geduld…
„Du wagst es…mich… Abschaum zu nennen? Ausgerechnet du, die nicht den kleinesten Funken Selbstbeherrschung aufbringt? Die jedem kleinen Drang nachgibt und dafür Leute umbringt?...“
„Das war nicht ich, das warst du! Du hast sie auf dem Gewissen! Du hast sie umgebracht!“
„Das habe ich nicht! Es ist dein Mangel an Disziplin, der daran schuld ist! Selbst die widerliche Maestra hat das erkannt! Du mußt sie nicht umbringen, nur um etwas Blut zu bekommen…“
Lange Zeit tobt der Streit zwischen Tara und ihrem anderen Selbst im Spiegel. Schuldzuweisungen gehen hin und her und jede wirft der anderen Dinge an den Kopf, die mit Taras üblicher emotionsloser Logik nicht das Geringste gemein haben.
Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit scheinen beiden die Worte ausgegangen zu sein und so begnügen sie sich vorerst damit, sich haßerfüllt anzustarren.
Bevor sie es sich noch anders überlegen kann, bricht die Erkenntnis ob des Nachdenkens währenddessen aus der Tara vor dem Spiegel hervor: „Du hast Recht.“
Ihr Spiegelbild ist verblüfft: „Wie jetzt?“
„Du hast Recht. Es ist meine Schuld. Zumindest zum größten Teil.“
„Sag ich doch!“ Zögernd setzt ihr Spiegelbild nach: „So ganz falsch liegst du aber auch nicht.“
Tara sieht ihr untotes Selbst eine Weile an, während jener ihr Zorn verraucht.
„Tut weh, diese Erkenntnis, nicht wahr?“
Ihr Spiegelbild nickt nur und scheint ebenfalls keine Wut mehr zu verspüren.
„Der Frater sagte es mir immer wieder und wieder. Ich muß lernen, mich zusammenzureißen. Und bis heute habe ich es nicht geschafft. Darum habe ich solche Angst vor dir! “
Fast könnte man meinen, ihr Spiegelbild sieht Tara mit einer gewissen Wärme an.
„Warum fürchtest du mich so sehr? Ich spüre es zwar, kann es mir aber immer noch nicht erklären.“
„Weil….na weil… weil du mich auffrisst! Wenn ich du bin, bin ich tot. Es bleibt nichts von mir übrig, ich bin dann weg, als hätte es mich nie gegeben.“
Die Tara im Spiegel lacht tatsächlich belustigt auf.
„Das glaubst du tatsächlich? Ausgerechnet du, die Meisterin des Todes?“ Die untote Tara mustert forschend ihr anderes Ich.
„Du glaubst es ja wirklich! Nicht zu fassen!“ Sie seufzt. „Dann merke jetzt mal gut auf! Ich kann nichts an dir bewirken, das nicht schon da ist. Gewiß ändere ich deine Bedürfnisse, dein Verlangen und es mag dir auch erscheinen, als sei all das neu und ich brächte es mit, doch die Gier, deine Blutrünstigkeit… all das war schon immer ein Teil von dir. Du hast ihn nur immer unterdrückt.“
„Und was ist mit diesem ewigen Hunger?“
„Der stammt leider von mir. Ja. Aber ich werde doch nicht dein Wesen ändern…
Oder, wie du sagst, dich… auffressen! Weißt du denn nicht, daß dies auch mein Ende wäre? Abgesehen davon, daß das auch gar nicht geht.“
„Wirklich?“
„Ja wirklich. Warum sollte ich dich anlügen? Und wie sollte ich das an diesem Ort überhaupt können?“
„Was ist so besonders an diesem Ort, daß du das nicht kannst?“
Das Spiegelbild lacht abermals auf. „Weißt du eigentlich, wie lustig du bist? Wir sollten uns öfter unterhalten, statt uns zu bekriegen. Du hast immer noch keine Ahnung, wo wir sind, richtig?“
„In irgendeiner Burg, in einem wilden Traum?“
„Fast. Diese… Burg… spiegelt das wider, das du deinen Verstand nennst. Wenn du mich fragst, musst du hier dringend etwas tun! So geht das nicht mehr lange gut…
Und dein Traum ist nichts weniger als dein Selbst, dein Geist.“
„Bei allen Höllen!“ Tara ist entsetzt. „Mein Verstand ist nur noch eine Ruine?!“
„Hmhm!“ meint ihr Spiegelbild nur zustimmend.
„Aber warum beherrscht du mich denn nicht mehr? Und warum kommst du jetzt wieder?“
„Nun…um deine erste Frage zu beantworten, du hast einmal genug Willen gezeigt, um mich aus deinem Denken und Tun zu verbannen. Wir sind eins, vergiß das nicht! Also hast du nichts weiter getan, als das, was der Frater uns einst auftrug, dich bezähmt…
Was deine zweite Frage angeht, nochmals, ich war nie weg. Ich bin du, du bist ich. Je nachdem, was du begehrst bin ich da oder eben nicht. Ganz einfach.“
„Also haben sie alle Recht und ich bin doch einfach nur verrückt?“
„Äh…also… soweit würde ich nicht gehen. Halten wir uns doch einfach an die Tatsachen. Erstens, du wurdest gehängt.
Zweitens, du wärest folglich fast gestorben.
Drittens, Mutter gab dir ihr Blut.
Da du ja nun weist, was aus ihr wurde, was sie nun ist, brauchst du sicherlich nicht lange in irgendwelchen Schriften nachzulesen, was das bedeutet!“
„Also bin ich doch ein Vampir? Eine verrückte Vampirin?“
„Bei allen Höllen! Du machst es uns aber wirklich unnötig schwer! Du bist kein Vampir. Du lebst! Wenn du allerdings stirbst, wirst du einer. Ja.
Und ob du verrückt bist, weiß ich nicht. Momentan tendiere ich zu verwirrt.“
Tara lacht auf. „Vielleicht hast du Recht und wir sollten uns wirklich öfter unterhalten!“
„Es zeigt Einsicht! Löblich, löblich!“ grinst ihr Spiegelbild.
Tara sieht ihr untotes Ich eine Weile an und findet es eigentlich weit weniger schrecklich als zu Beginn.
„Und was machen wir nun?“
„Zuerst mal würde ich die Frage umformulieren. Was mache… ich…nun?“
„Ich?“
„Ich!“
„Na schön. Also, was mache ich nun?“
„Wie wäre es damit Frieden zu schließen? Ganz so, wie es diese freche Bellona sagte?“
„Geht das denn?“
„Warum soll das nicht gehen? Immerhin sind… wir… doch schon in dir drin. Und wie du nun weist, sind wir beide ich….oder du, damit du es besser erfassen kannst.“
„Danke! Ist wirklich nicht leicht, du….es…wir…und ich auseinander zu halten.“
„Ich weiß. Darum sage ich es dir ja. Ich bin ein Teil von dir. Ein Teil, den du fürchtest, weil ich all das bin, was du nie sein wolltest und immer noch nicht willst. Aber bekämpfst du mich, bekämpfst du dich nur selbst.“
„Und was passiert, wenn ich gegen mich kämpfe?“
Das Spiegelbild antwortet schulterzuckend: „Du wirst verrückt. Also wirklich verrückt. Das kann ganz unterhaltsam sein, doch auf Dauer ist das sicher nichts, was du willst. Und ich auch nicht.“
„Wie schließen wir denn jetzt Frieden?“
„Ooooch! Das ist doch nun wirklich einfach. Akzeptiere mich so, wie ich dich akzeptiere! Wir sind, wie wir sind. Wichtig ist nur, was wir daraus machen.“
Kurz zögert Tara noch, bevor sie erst zaudernd, dann jedoch entschlossen ihre Hände gen Spiegel austreckt. Ihr Gegenstück auf der anderen Seite tut dasselbe.
Beide treten aufeinander zu und können sich letztlich ohne die Barriere eines Spiegels umarmen.
„Endlich!“
Obschon es beide zeitgleich sagen ist Tara überrascht, nunmehr allein im Raum zu sein. Na ja, fast allein. Der Schläfer in Großmutters Bett hat von all dem, was sich abspielte offenbar nichts mitbekommen und schläft den Schlaf der Gerechten.
Der Spiegel indes ist verschwunden.
Nunmehr wagt es Tara sich den Schläfer genauer anzusehen.
„Überrascht?“ fragt ein Teil ihres Selbst.
„Nein. Das war wohl zu erwarten.“ Antwortet sie sich und wendet sich vom schlafenden Tyrannten ab.
Als sie letztlich den Raum verläßt ist sie sehr überrascht, die breite Wendeltreppe, die den Turm hinab führt, hell von Fackeln, die in Halterungen an den Wänden stecken erleuchtet zu finden…

Mit einem leisen Aufschrei reißt Tara die Augen auf, um sich ihrer Tochter gegenüber zu sehen, die sie besorgt ansieht…


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Do 30. Dez 2021, 13:18 
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Frei!
Endlich frei!
Es fühlt sich derart unwirklich an, daß Tara es anfangs gar nicht bemerkt. Als nach einer Weile jedoch nicht nur die Erkenntnis, sondern auch die Gewißheit, daß es wahr ist in ihr Bewusstsein dringt, den Tyrannten endlich los zu sein, brechen die Gefühle wie eine Sintflut über sie herein. Lachend und weinend vor Erleichterung umarmt sie die junge Elfe, die mittels ihres Zaubers den Unhold aus ihr verbannte und wirbelt sie herum, wie sie es zuweilen mit Selissa tat, was bei der überraschten Elfe offenbar reichlich Verwirrung stiftete.
Zum Glück gibt es außer ihr, der Baronin und dem riesigen Konstrukt im Gang vor ihrer Zelle keine weiteren Zeugen ihres Gefühlsausbruchs, der wohl jedem, der sie kennt mehr als seltsam anmuten würde.
Egal, daß sie hier in einer der Zellen des Mantels eingesperrt war.
Unwichtig, daß sie hier im direkten Einflußbereich der Maestra und ihrer Freundinnen oder wie immer sie zueinander stehen mögen ist.
Daß die meisten Mantelmagi sie wohl verabscheuen und lieber tot als lebendig, zumindest aber weggesperrt und den Zellentürschlüssel weggeworfen sähen, völlig irrelevant!
Einzig, daß sie von dem Unhold endlich befreit ist zählt.
Naturgemäß dauert dieser Gefühlszustand jedoch nicht ewig an, so daß Tara sich alsbald wieder mit den übrigen Aufgaben und Sorgen konfrontiert sieht.
Die Worte der Elfenmagae stimmen sie sehr nachdenklich.
Wenn jene im Mantel etwas zu bestimmen hätte und nur die Hälfte von dem, was unter den Magi so über sie geredet wurde wahr sei, würde sie Tara auf ewig einsperren.
Einerseits würde sie schon gern wissen, was hier wirklich über sie kursierte, andererseits stimmt es sie irgendwie…traurig… derlei von einer Magae zu hören, die sie eigentlich nicht mal wirklich kennt.
Natürlich gibt es nie Rauch ohne Feuer. Und sie hat sich zweifelsohne viel zu Schulden komme lassen. Sehr viel.
Es ist eigentlich gar nicht so dumm, den Gaes fortdauern zu lassen.
Wenn der Tyrannt, der es ja irgendwie schaffte, ihr blutdurstiges Selbst so weit zurückzudrängen, daß sie nun ja, also daß sie fast wieder sie selbst wurde, nun fort ist, wie soll sie jenem denn widerstehen, zumindest damit umgehen können ohne zum Tier zu werden, wenn wieder nur sie allein ihm entgegensteht?
Gewiß, sie war nicht mehr das kleine dumme Ding von einst, doch was wenn sie nun ein großes dummes Ding von heute wäre, das womöglich alte Fehler wiederholt?
Auch wenn sie das für sich ausschließt, bleibt es ein Risiko, das sie nicht mehr eingehen mag. Immerhin kennt sie den ewigen Hunger, wie wohl kaum jemand sonst von den Lebenden hier.
Doch mit der Maestra darüber zu sprechen oder gar mit der Magae, niemals! Das ist unmöglich. Zu viel fiel zwischen ihnen nunmehr vor, als daß derlei auch nur im Ansatz möglich wäre.
Anders sieht es mit Varda und Dreani aus, die sich als vertrauenswürdig erwiesen, trotzdem sie mit dem Mantel verbandelt sind. Erstaunlich!
Womöglich sollte sie ihre Meinung zu dieser Gilde doch einmal überdenken?
Genügte doch bisher oft schon die Erwähnung des Mantels, um ihr die Zornesröte ins Gesicht zu treiben. Doch tut sie zweifelsfrei einigen damit bitter Unrecht! Nicht zuletzt der Elfe, die sie von dem Tyrannten befreite, obwohl sie weiß, wen sie da vor sich hat.
So kann es nicht weitergehen. Es wäre ehrlos.
Hier muß sich einiges ändern. Das anstehende Treffen mit Dreani und Varda ist hier sicher hilfreich und Tara setzt große Hoffnungen darauf.
Auch mit Selissa wird sie reden. Immerhin kann sie sich ihr nun ja wieder gefahrlos nähern.
Endlich!


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 Betreff des Beitrags: Re: Wahnsinn oder Wahrheit?
BeitragVerfasst: Mo 8. Aug 2022, 13:41 
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Registriert: Fr 16. Mai 2014, 22:37
Beiträge: 799
Was für ein Abend!
Furchterregend!
Schrecklich!
Tara sitzt endlich in ihrer Heimstatt über den Geschäftsräumen des „Insolentia“ und hat sichtlich Mühe, das Erlebte zu verdauen.
Kurz sieht sie zu ihrer schlafenden Tochter und vergewissert sich, daß Selissa auch wirklich schläft, bevor sie zum Schrank geht und sich einen Kelch eines ganz besonderen Tropfens einschenkt, den sie in einer zwar größeren, doch recht unscheinbaren Steingutflasche dort aufbewahrt.
Würde Selissa bemerken, was sie gerade tat, gäbe es sicher wieder die halbe Nacht lang Dispute, wobei Tara ihr nichts entgegenzusetzen hätte. Denn zweifelsfrei hätte ihre Tochter Recht, dagegen zu sprechen.
Doch was sie nicht weiß, macht sie auch nicht heiß. Und heute brauchte sie es mehr als sonst. Tara verstaut die Flasche wieder in den Tiefen des Schrankes und setzt sich mit ihrem Kelch an den Kamin.
Sie starrt eine Weile ins flackernde Feuer und versucht die Ereignisse dieses Abends in irgendeine gedankliche Ordnung zu bringen.
Das gestaltet sich überaus schwierig, tobt doch in ihrem Kopf ein wahrer Sturm aus Fürsten und deren Beratern, Kalifen und Gnollen, gerüsteten vorlauten Halblingsdamen, die mit Elfen streiten und einer Dunkelheit, die ihresgleichen sucht. Und das zusätzlich zu all dem anderen, was eh schon in ihrem Geist herumspukt.
Etwas geschieht gerade. Fürwahr!
Etwas, dessen Tragweite sie nicht erfassen kann. Dessen ist sie sicher.
Etwas, auf das sie vorbereitet sein muß, so gut es eben nur geht.
Sie sieht auf den Kelch in ihrer Hand.
Tiefrot spiegeln sich die Flammen des Kamins im Spiegelbild der kristallenen Oberfläche des Kelches.
Eine kleine Weile gönnt sie sich den Luxus dieses Bild betrachten zu dürfen, bevor sie einen Schluck davon nimmt.
Bei allen Höllen! Nicht so gierig! Schalt sie sich, als der Kelch den halben Inhalt verlor, nachdem sie ihn wieder absetzt.
Gleichwohl ist das Gefühl, das dieser Trunk in ihr auslöst unbeschreiblich. Genau so muß sich jemand fühlen, der die Wüste durchquert und dann endlich einen Becher Wasser trinken kann.
Allein deswegen musste sie es schon tun.
Ihr permanent präsentes Verlangen, der unstillbare Hunger tritt tatsächlich ein wenig in den Hintergrund und gibt ihre so Raum, sich auf die Vorfälle des heutigen Abends zu besinnen.
Sie ordnet die Geschehnisse der Reihe nach. Zuerst dieses überaus seltsame Zusammentreffen mit dem Berater des Fürsten oder in welcher Funktion er auch immer hier weilen mochte.
Zweifelsfrei eine überaus ernst zu nehmende Warnung.
Daß das ältere Auge nicht vergisst, nicht entläßt und sicher auch nicht vergibt.
Tatsächlich würde es sie eher wundern, einfach so davonkommen zu können und in Ruhe gelassen zu werden, nachdem sie doch ihrem Sklavendasein bei ihm offenbar wider seines Willens entkommen konnte.
Oder entkam sie gar nicht und es wollte sie nur eine Weile in Ruhe lassen?
Zuzutrauen war ihm wohl alles. Doch sie will nie wieder seine Sklavin sein. Nie wieder!
Sie verabscheut seine Schleime, seine fanatischen Anhänger, die sich voller Verzückung von ihm verschlingen ließen und eigentlich alles, was mit ihm zu tun hat! Ja, sie hat nur Abscheu und Haß und Zorn dafür übrig. Geboren aus der Angst des Erlebens, was dieses ältere Auge anrichtet.
Tara schaudert und leert den Kelch zur Gänze, woraufhin sich das angenehme Gefühl der Klarheit ob des zurückgedrängten, wenn auch nicht verschwundenen Hungers noch verstärkt.
Das ältere Auge vergisst nichts und niemanden, so sagte er ihr. Irgendwann wird es also wieder die Finger? Tentakel? oder widerliche Schleimfäden nach ihr ausstrecken um etwas einzufordern. Anders sind seine Worte wohl kaum zu verstehen.
Ebenso, daß sie sich besser weiterhin ihres eigentlichen Fachgebietes widmen soll, statt politische Mutmaßungen anzustellen.
Woher kann er überhaupt davon wissen?
War sie nicht überaus vorsichtig und tat rein gar nichts, weder in diesem neuen, alten Rivin, noch in jenem, wo der Fürst residiert?
Dennoch weiß er offenbar all diese Dinge.
Woher? Und warum lief sie dann eigentlich noch unbehelligt herum?
Was geschieht hier?
Die haßerfüllten Worte Calopees dringen ihr in den Sinn: „Dich hätten sie hinrichten sollen!...“
Das zweite Mysterium an diesem Abend. Nicht genug, daß sie eine Warnung erhielt, was ihr blüht, wenn sie sich dem älteren Auge oder dem, der angeblich in dessen Auftrag handelt widersetzt, gingen die Seltsamkeiten in der Schänke weiter.
Von der großmäuligen Hin hatte sie nichts anderes erwartet, als Provokation und eben großmäuliges Gerede. Die Fremden jedoch, die sie diesen Abend erlebte und das, was sie taten, das waren entschieden zu viele Zufälle, als daß man es einfach als solche abtun könnte.
Die Reaktion Findriels, als diese Githyankikreatur die Leichen der kleinen Feen auf den Tisch packte, konnte sie nur zu gut verstehen. So dankbar sie Dreani für diesen Gaes auch war, der sie vor weiteren, schlimmen Taten bewahrte, was der Hin womöglich das Leben rettete, so sehr verfluchte sie sie als die Kreatur sich offenbar über sie alle lustig machte.
Dann die Schlägerei zwischen Findriel und der Hin, an deren Ende beide einträchtig Seite an Seite standen! Wer bei allen Höllen, soll das denn noch verstehen?!
Wenn sie zuvor also wirklich die Hin…?
Nicht auszudenken! Sie hätte ja schon wieder alles falsch gemacht und das dann auch noch der Nord, die ja jetzt hier irgendwie ein großes Tier bei der Stadtwache zu sein scheint, erklären müssen.
Tara nimmt sich fest vor, bei der nächsten Schlägerei, derer sie in einem Wirtshaus ansichtig wird, einfach zu gehen. Besser als etwas Dummes zu tun, das man womöglich nicht wieder gutmachen kann.
Sie starrt auf ihren, nunmehr leeren Kelch, ohne jenen wirklich zu sehen.
Vielleicht ist es das Beste, nochmals mit den anderen zu reden? Immerhin gibt es ja da das bereits namentlich bekannte Problem, welches beseitigt werden muß.
Vordrängen wird sie sich dabei nicht, das brachte bisher immer nur Ärger ein. Doch so ihr die Möglichkeit gegeben ist, wird sie tun, was getan werden muß. Schnell, effizient und endgültig, ohne irgendwelche überflüssigen Grausamkeiten.
Dazu jedoch sollte sie besser ausgeruht sein.
Und damit begibt Tara sich ebenfalls zu Bett, nicht ohne zuvor dafür zu sorgen, von weiteren unangenehmen Träumen und Gedanken verschont zu bleiben…


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