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Ein kleines Wäldchen
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Seite 1 von 1

Autor:  Ameng Xilo [ So 9. Sep 2018, 01:55 ]
Betreff des Beitrags:  Ein kleines Wäldchen

"WERTLOS! DU BIST VÖLLIG WERTLOS!"

"Was..?"

"NUR DRECK UNTER MEINEM FINGERNAGEL!"

"I..ich kann lernen! Ich werde besser!"

"NUTZLOSER ABSCHAUM"

Die junge, kleinwüchsige Dämonin fasste sich an den Mund, diese grausamen Worten schnitten sich wie Dolche ihren Geist, sie ging auf die Knie. Sie schrie auf zu der anderen, gewaltigen, übernatürlich schönen Dämonin, die über ihr thronte und sie mit abwertenden Blicken verurteilte. Mit ihrem Aufschrei hatte sie versucht etwas zu formulieren, aber dazu war sie nicht mehr in der Lage und ihr Schrei blieb einfach nur ein Schrei, ein hilfloser, einfacher, bedeutungsloser Schrei der Unfähigkeit, ihre Emotionen zu artikulieren. Ein Schrei voller Schmerzen, voller Pein, voller Angst, voller Leid, der ungehört von den kalten Wänden wiederhalte, während die gewaltige Dämonin über sie lachte.

Ihr eigener Schrei hallte noch nach, als sie erwachte. In ihrer Kerkerzelle, in ihrem Kerker. Natürlich hatte sie nicht wirklich geschlafen, Dämonen brauchten eigentlich keinen Schlaf. Aber manchmal, insbesondere dann, wenn es eine lange Wartezeit zu überbrücken galt, versetzte sie sich in einen meditativen Zustand. Sie strich mit der Hand über die raue Wand, rieb sich schniefend die Augen, betrachtete dann ihre Finger. Diese waren blutrot. Sie hatte also geweint. Ihre Tränen waren immer blutrot. Und sie liefen weiter aus ihren Augen hinaus, unkontrolliert.

Wertlos. Nutzlos. Abschaum. Dreck.

Langsam trat sie zu der Tür ihrer kleinen Zelle.

Wertlos. Nutzlos. Abschaum. Dreck.

Sie wischte sich hilflos die Tränen aus den Augen, aber es kamen immer mehr.

Wertlos. Nutzlos. Abschaum. Dreck.

Ihre kleinen Krallen glitten durch das Holz der Zellentüre, doch ihr war klar, es war sinnlos, das magische Feld, das sie gefangenhielt, jenes konnte sie nicht überschreiten. Ihr Schweif peitschte ängstlich über den Boden, ihre blutroten Tränen rannen über ihr blasses Gesicht, sie drückte ihre Stirn gegen das zerkratzte Holz.

Wertlos. Nutzlos. Abschaum. Dreck.

Nur ganz langsam sank sie zu Boden, drückte mit ihren Armen zitternd ihre Beine sehr eng an sich, krümmte sich zusammen und benetzte nunmehr ihre Knie mit ihren blutroten Tränen.

Wertlos. Nutzlos. Abschaum. Dreck.

"Sie... werden mich umbringen."

Wertlos. Nutzlos. Abschaum. Dreck.

Verzweifelt brach die Dämonin zusammen und tränkte dann den steinigen Boden mit ihren blutigen Tränen, während sie schluchzend sprach.

"Es war so dumm, herzukommen, Lynn! Es gibt hier keine Elfen und keinen Tee. Bitte verzeih mir! Bitte verzeih mir! Bitte hol mich hier raus... ich bin ganz alleine und ich.. ich hab Angst... Lynn! Ich hab solche Angst!"

Autor:  Ameng Xilo [ Do 14. Jan 2021, 06:22 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Ein kleines Wäldchen

Sanft und vorsichtig pustete die kleine Dämonin über ihren warmen Tee. Die Blicke glitten nach draußen durch das Fenster in den beginnenden Morgen. Dichter Schnee bedeckte die Straßen und Dächer der geschäftigen Hafenstadt. Vor den Geschäften und auf dem Marktplatz hatte man diesen bereits geräumt und damit Wege geschaffen für die zahlreichen Fußgänger, aber auch für die wenigen Kutschen, die hier entlangfuhren. Aurils kalter Winteratem hatte die Stadt wie jedes Jahr wieder fest im Griff, aber die Riviner ließen sich davon nicht abhalten, ihrem Tagewerk nachzugehen.

Auch das traditionsreiche Bordell, durch dessen Fenster sie hinausblickte, würde bald die nächsten Freier des neuen Morgens erwarten - während die letzten Gäste der Nacht sich auf den Heimweg machen würden. In diesem Gewerbe gab es eigentlich keine wirklichen Ruhepausen. Kobayashi freute sich, denn sie würde bald dem nächsten Strom Kunden ihre Auswahl an verschiedenen Tees servieren dürfen, eine Aufgabe, die sie mit großer Hingabe ausführte und sie tief bis in ihre Essenz erfüllte. Sie war ein Dämon, aber sie hatte eben ein besonderes Faible für Tee, na und? Ihr großer Traum, eines Tages ein eigenes Teehaus in einer Elfenstadt wie Evereska oder zumindest in Silbrigmond zu eröffnen, stand noch in nahezu unendlich weiter Ferne, sie hatte Zeit. Die Unsterblichkeit war einer der wenigen Vorteile des dämonischen Daseins.

Trotzdem hatte es auch Abschnitte in ihrem Leben gegeben, in denen alleine dieser Traum sie noch am Leben gehalten hatte, in denen sie wirklich unglücklich und hoffnungslos war. Aber im Moment war dem nicht definitiv nicht mehr so. Sie hoffte, dass dieser Abschnitt ihres Daseins lange anhalten würde. Denn im Moment war sie wirklich glücklich und zufrieden. Sie hatte ein angenehmes Tagwerk und konnte vielen Leuten ihren Tee servieren und diese damit glücklich machen. Keiner war auf der Jagd nach ihr und sie musste sich nicht an allen möglichen Intrigen und Machtkämpfen beteiligen, nur um ihre Auslöschung oder grausige Folterszenarien zu vermeiden. Ab und an kam sogar der eine oder andere Elf herein, dem sie ihren Tee servieren konnte. Oder auch die eine oder andere Elfe, was noch besser war. Und manchmal kamen sogar Faeanshalee oder Dreani zu Besuch, was sie mit ganz besonders großer Freude erfüllte.

Ihr Blick fiel hinab auf die Straße. Oh, da kamen ja schon die nächsten angemeldeten Kundentermine. Nun aber auf! Tee kochte sich nicht von allein, Gebäck stellte sich nicht von alleine bereit und die Tassen, die Teller und das Besteck flogen auch nicht von alleine zu den Gästen. Natürlich wäre das mit ein wenig Magie möglich gewesen, aber wo bliebe der Spaß?

Kurz hielt sie inne.

Nur eines beschäftigte sie im Moment ab und zu, ein Anflug von schlechtem Gewissen. Ihre Augen bewegten sich zu ihrem Schreibtisch. Dort war immer noch der noch nicht wirklich angefangene Bilderband, den Lynn sich gewünscht hatte. Kobayashi hatte es nie geschafft zu gestehen, dass es schlichtweg daran scheiterte, dass sie nicht dazu in der Lage war, Lynns schier unbeschreibliche Schönheit und Anmut so in ein Bild zu fangen, dass es dieser für Kobayashis hohe Maßstäbe angemessen war. Sie war Lynn wirklich so dankbar dafür, dass diese sie aufgenommen und sich immer für sie eingesetzt hatte. Nur dadurch war Kobayashi nun dieses glückliche und fröhliche Leben möglich gewesen. Wie konnte sie Lynn nur zeigen, dass sie sie wirklich sehr, sehr lieb hatte? Eines Tages würde ihr gewiss ein Weg einfallen. Aber bis dahin... hieß es erstmal Tee servieren!

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