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 Betreff des Beitrags: [HGK] Diener und Meister
BeitragVerfasst: Do 21. Jan 2021, 08:08 
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>>Haus des Wissens, Puppenmeister<<

Der Blick wanderte über seine Hände, die so aussahen, wie zu Lebzeiten. Das heißt, wie zu den tatsächlichen Lebzeiten, lange bevor er seinen einst sterblichen Leib gegen den Körper eines Puppenkonstrukts eingetauscht hatte. Nun, nach seinem Tod, hatte er sie wieder zurück, seine menschlichen, sterblichen Hände, die nun nicht mehr sterblich waren. Der Körper, in dem er sich befand, war beschaffen wie ein menschlicher Körper in seinen besten Jahren, er schätzte ihn auf etwa dreißig. Er hatte dasselbe Aussehen wie damals, nur vielleicht etwas schlanker und gepflegter und ohne den Makel von Augenringen oder anderen Anzeichen des Schlafmangels. Ein wirklich hübscher, menschlicher Körper, der sich auch ganz genauso anfühlte.

Vincent Veremin, dem einstigen Puppenmeister, war klar, dass dieser Zustand in seinem Fall nur von vorübergehender Natur war. Im Gegensatz zu den anderen Petenten - so nannte man die Diener der Götter in ihren neuen Körpern nach ihrem Tod - im Haus des Wissens hatte er noch alle Erinnerungen an sein einstiges Dasein als Sterblicher auf Toril. Fürst Tyr hatte dies verfügt, da dies die einzige Möglichkeit war, zu gewährleisten, dass Vincent sich in seiner Gerichtsverhandlung hinreichend verteidigen konnte. Das heißt, eigentlich war es nicht 'seine' Gerichtsverhandlung und er war auch nicht der Angeklagte, sondern gewissermaßen nur das Objekt des Streits. Dennoch hielt Fürst Tyr es wie üblich erforderlich, alle Punkte gleichermaßen zu beleuchten und aus diesem Grund waren auch die Aussagen von Vincent erforderlich.

Er seufzte tief. Im Grunde war es aber egal, es war lediglich eine Formalie, auf die Fürst Tyr wegen seiner Ordnungsliebe bestand, der Ausgang war Vincent bereits klar, er machte sich keine Illusionen. Vincent war Zeit seines Lebens ein Priester und Kleriker des Gond gewesen, wenn auch von sehr düsterer und kaltblütiger, ja grausamer Natur. Seine Seele aber gehörte nach Baator, nicht einmal wegen seiner mannigfaltigen Taten, die durchaus die Verdammnis der Höllen verdienten, sondern wegen seines Vertrages, den er vor sehr langer Zeit mit der Teufelin Alektra geschlossen hatte - seine Unsterbliche Seele gegen kurzfristige, sterbliche Macht. Ein dummer Vertrag, eine Jugendsünde letztendlich, aber Vertrag ist Vertrag.

Die Umstände, unter denen der Vertrag zustande gekommen war, konnten natürlich Argumente zur Anfechtung liefern. Es gab tatsächlich eine unglaubliche und komplexe Vielzahl von Regeln, an die sich die Teufel bei ihrer Seelenernte auf den Reichen halten mussten und Fürst Tyr wurde nicht müde, gemeinsam mit seinen Richtern, die Ordnungsmäßigkeit jedes einzelnen Seelen-Kontrakts zwischen Sterblichen und Teufeln in Frage zu stellen. Dennoch waren es zumeist junge, unerfahrene Teufel, die darin versagten, akribisch jede einzelne der komplexen Regeln zu befolgen - Alektra jedoch war lange genug im Geschäft, als dass sie sich einen Fehler erlaubt hätte, der die Unwirksamkeit eines ihrer Verträge mit sich ziehen würde.

Daher machte Vincent sich keine Hoffnungen. Alles, was das Verfahren zwischen Gond und Baator bringen konnte, dem Tyr vorsaß und dessen Gegenstand er war, war Zeit. Am Ende aber würde seine Seele unweigerlich nach Baator gehen und für alle Zeit den dortigen... Unannehmlichkeiten ausgesetzt sein. Auch die Hoffnung auf eine Wiederbelebung seitens seiner... Freunde hatte er bald begraben. Das verfluchte Artefakt, das Rauvyl ihm beschafft hatte, jene Waffe, hatte ihn auf eine so nachdrückliche Weise aus dem Leben gerissen, das nur die aller-aller-mächtigste Magie, wie ein Wunder oder ein Wunsch seine Wiedererweckung bewirken konnten. Und jene wenigen, die über solche Möglichkeiten verfügten, waren mit anderen Dingen beschäftigt... wie etwa seine Nachfolge im Rubin anzutreten. Nichts konnte etwas ändern, Vincents Schicksal war... besiegelt.

Er wandte sich um und blickte zur Türe, die sich öffnete. Gond Reich war im Grunde ein scheinbar unendlich großer Komplex aus Bibliotheken, Laboren und Werkstätten. Ein Paradies für Wissenschaftler wie Vincent, nur war er nicht in der Lage, diesem Umstand Genuss zu schenken. Dennoch erfüllte eine Wärme sein Herz und spiegelte sich auf den Lippen, als 'sie' durch die Türe hereintrat. Sie. Nichts Dunkels ahnend schenkte sie ihm ein sonniges Lächeln, als sie mit der Unschuld und Lebensfreude eines Kindes zu ihm eilte und ihre zarte, weiche Gesichtshaut von seinen nun fühlenden, menschlichen Fingern berühren ließ. Sein Geschöpf, seine von ihm gebaute und erdachte Tochter, seine Puppe, sein Opus Magnum, sein Meisterstück - Dolly.

Gond hatte sie schließlich vollendet. Er hatte ihr perfekte Haut und echtes, wachsendes Haar gegeben, das ihr weiß wie Maden oder Schnee über die Schultern fiel. Vollendet ausgebildete Mimik eines voll funktionstüchtigen Systems von Gesichtsmuskeln. Dolly war seine perfekte Schöpfung, hatte Gond gesagt. Zwar hatte er seinen Teil seiner Seele dauerhaft in sie eingepflanzt, doch dies hatte nur dem Zweck gedient, den Lebensfunken zu wecken, ähnlich wie dies bei der herkömmlichen Paarung geschieht, bei der die Seelen von zwei Sterblichen für einen Moment verschmelzen, um ein neues Leben zu schaffen.

Dolly hatte ein eigenes Bewusstsein, eine eigene Seele und Daseinsberechtigung, die unabhängig von ihm funktionierte, sie musste nur noch vollständig von seiner Seele, mit der sie noch verwachsen gewesen war, getrennt werden. Gond war dies gelungen und Vincent war zutiefst erleichtert darüber - so war Dollys Seele nicht mit verdammt worden, Tyr hatte befunden, dass ihre Schöpfung der eines Kindes gleicht und sie dementsprechend als eigenständige Persönlichkeit zu betrachten ist. Gond würde sie als eine der vielen Errungenschaften der Wissenschaft auf ewig in seinem Reich, dem Haus des Wissens, wohnen lassen. Das war Vincents einziger Trost.

Seine Tochter, Dolly, würde leben. Würde das reichen? Nun... es musste.

In den langen Bibliotheksgängen hinter der Türe, durch die sie hereingestürmt war, konnte Vincent eines der Wächterkonstrukte Gonds sehen. Es war also soweit. Dolly war gesandt worden, damit er sich verabschieden konnte. Eine letzte Geste seines Gottes Gond.

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"Jene, die sich Abenteurer nennen, sind grausame Individuen aus einer anderen Welt. Sie sind auf der ständigen Suche nach neuen Opfern für ihre dunkle Gottheit Exp, die sie dafür mit immer stärkeren Fähigkeiten und Kräften ausstattet."

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 Betreff des Beitrags: Re: Diener und Meister
BeitragVerfasst: Do 28. Jan 2021, 12:13 
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>>Baator, Puppenmeister<<

Schmerz ist das erste Gefühl, das ihn jäh wieder ins Bewusstsein reißt. Der Schmerz, der seine trockene, ledrige und rissige Haut und seine Sehnen und Knochen bei jeder Bewegung durchzieht. Gefolgt von Entsetzen, Hoffnungslosigkeit und dem lange verloren geglaubten Gefühl von... Angst. Vincent, der Puppenmeister, hatte schon lange keinen Schmerz mehr gespürt und dessen beißenden Zahn vergessen. Nach seiner... Transformation in seiner Zeit als Sterblicher hatte er nur noch in gefühllosen künstlichen Puppen- und Golemkörpern gelebt. In Gonds Reich hatte er zwar wieder eine fleischliche Form mit funktionierenden Nerven angenommen, aber jene war absolut perfekt, von keiner Krankheit, Verletzung oder Schwäche geschlagen und in Gonds großer Bibliothek gab es nicht viele Möglichkeiten, sich zu verletzen (außer vielleicht, man stieß sich an einem Tisch oder schnitt sich mit einer scharfen Buchseite...). Doch jetzt war der Schmerz mit einem Mal ein beständiges Gefühl, wobei der Schmerz an sich selbst nicht einmal das Schlimme an jenem war, sondern die Verletzlichkeit und Empfindlichkeit seiner jetzigen Daseinsform, die Vincent begreiflich wurde.

Entsetzt betrachtete er seine Hände. Diese waren rau und rissig. Jede Bewegung eines Fingers ließ die ausgetrocknete, ledrige Haut an der einen oder anderen Stelle einreißen. Die Fingernägel waren schmutzig und brüchig, sie splitterten leicht. Die nackten Arme waren sehnig, mager und von sichtbaren Sehnen und Adern durchzogen, verfügten kaum über Muskelkraft. Sein Körper war an vielen Stellen von Hautkrankheiten und schmerzhaften Pusteln gezeichnet und trug keinerlei Kleidung. Der Boden war schroff und staubig und kleine, diamantharte Kiesel schnitten in seine bloßen Füße. Die Luft war staubig, schwer und voller Asche, sie brannte in seinen Augen, auf seiner Haut und in seinen Lungen, während die Winde sie ihm entgegenbliesen. Es roch nach Schwefel, Verwesung und brennendem Fett. Er befand sich auf einem von zahlreichen blutgetränkten Felsen, die aus einem öligen Fluss herausragten. Vincent wusste, dass es sich um den Fluss des Blutes handelte, den Styx. Mit Vorsicht hielt er sich von dessen Wasser fern - er wusste, dass nur wenige Tropfen davon ausreichen würden, ihm die Erinnerungen zu rauben und sein umfangreiches Wissen war im Moment der einzige Vorteil, den er noch hatte.

Auf einigen der übrigen Felsen sah er weitere unglückliche Seelen, die sich in ihren neuen, ledrigen Körpern an diesem schrecklichen Ort wiedergefunden hatten. Einige schrien, andere weinten, wieder andere saßen oder lagen in Apathie auf den scharfkantigen Steinen. Auch jene, die nicht über Vincents Kenntnisse verfügten, mieden eine Berührung mit dem schmierigen Flusswasser, das alles andere als vertrauenswürdig wirkte. Verzweifelt bemühte sich Vincent um Ruhe, um Fassung. Anders als die meisten anderen wusste er, was bevorstand. Doch das machte es nicht gerade besser. Er wusste, in Kürze würden von Barbazu gelenkte Boote kommen und die frisch eingetroffenen Seelen abholen. Anschließend würde jede Seele identifiziert, dokumentiert und katalogisiert werden, die Bürokratie der Hölle war in dieser Hinsicht erstaunlich - bevor man sie schließlich ihren jeweiligen neuen, teuflischen Besitzern zuführen würde.

Und dann würde die eigentliche Qual beginnen... die Folterungen.

Er erinnerte sich an sein letztes Gespräch mit Gond. Das Gerichtsurteil war wie erwartet zu seinen Ungunsten entschieden worden. Die Hölle hatte jedoch ein Angebot zum Freikauf an. Einhundert andere Seelen aus dem Besitz Gonds gegen die eine Seele von Vincent. Ein Angebot, das Gond nicht annehmen konnte oder wollte. Es war verständlich, wenn auch bedauernswert. Ein Teil von Vincent hatte gehofft, dass er mit seinen vielfältigen Errungenschaften und seinem Wissen vielleicht den Preis wertgewesen wäre, den die Höllen für ihn verlangten. Aber natürlich wusste er auch, dass dies kaum denkbar war. Kein Gott würde einem solchen Handel jemals einwilligen.

Zumindest kein guter Gott...

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 Betreff des Beitrags: Re: Diener und Meister
BeitragVerfasst: Fr 29. Jan 2021, 20:13 
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>>Eispalast, Loviatar<<

Loviatar entspannte sich auf ihrem gefrorenen Thron aus Eis und lauschte den Klängen der Musik.

Die geschickten Finger halbelfischer Harfenspieler und Harfenspielerinnen bewegten sich gewandt über die dünnen und scharfen Saiten ihrer Instrumente. Jene Saiten gaben wunderschöne Klänge von sich, doch sie schnitten bei jedem Zupfen mit eiskaltem Schmerz in die Fingerkuppen und die Fingergelenke, tranken das Blut und nutzten die daraus gewonnene Lebenskraft um die Wunden sogleich wieder zu heilen, so dass die Spieler und Spielerinnen sich wieder und wieder schneiden konnten. Die Trommeln waren bespannt mit dem Häuten der menschlichen und halborkischen Trommler, die auf magische Weise eine Verbindung mit ihnen aufrecht erhielten, damit sie jeden Schlag auf dem eigenem Leib spüren konnten. Klangvolle Glockenspiele bestanden aus Zähnen in übergroßen, offenen Mündern verwandelter Gnome und Halblinge, von denen immer wieder der eine oder andere splitterte.

Tänzer und Tänzerinnen jeglichen Volkes wanden sich zu der Musik, ihre bloßen Füße in Metallschuhen, die zuvor in glühenden Schmiedeöfen erhitzt worden waren. Die Häute von ihnen waren an zahlreichen Ketten mit den großen Säulen des Saals verbunden, so dass den Tänzern und Tänzerinnen während der ekstatischen Tänze immer wieder Häute entrissen wurden. Und wenn die Musik etwas leiser wurde, konnte man das melodiöse Summen der Eisenwespen hören, die wieder und wieder mit ihren Stacheln in die empfindsamsten Stellen jedes Musikers und Tänzers stachen, der aus dem Takt zu geraten wagte. Selbst die unvermeidlichen Schmerzenslaute hatten im Rhythmus der Melodien zu erfolgen, ein Kunststück, das jeder der Anwesenden sorgsam eingeübt und perfektioniert hatte, denn nur den besten Tänzern und Musikanten wurde die Ehre zuteil, in Loviatars großem Saal auftreten zu dürfen.

Loviatar, die Maid der Schmerzen, hatte einen sehr ausgeprägten Kunstgeschmack, wofür auch die Einrichtung des marmorgetäfelten Saales an sich sprach. Zahlreiche Statuen, Gemälde, Wandteppiche und andere Kunstobjekte verschiedenster Kulturen dekorierten die Wände und Säulen, das Motiv hatte natürlich in den meisten Fällen etwas mit Folter oder Schmerz zu tun.

Langsam überschlug sie ihre Beine und trank einen genüsslichen Schluck aus ihrem Kelch, gefüllt mit den Tränen emotional verletzter Menschen aus den Reichen der Sterblichen, ein besonderer Trank, bei dem es sehr wichtig war, dass die Tränen rein waren und nur den Schmerz der verletzten Gefühle enthielten und nicht etwa mit Angst oder Verzweiflung verdorben waren, die den Geschmack des reinen Schmerzes trübten. Heerscharen ihrer Diener sammelten solche Tränen unentwegt - Tränen, die hier in ihrem Reich selten vergossen werden, neigen doch nur wenige ihrer Anhänger noch zu allzu großer Verletzbarkeit von Gefühlen.

Während sie wie üblich den Trank und die Klänge genoss, begab sie sich in eine meditative Haltung und konzentrierte sich darauf, die Gebete ihrer Anhänger, Priester und Kleriker zu empfangen. Anders als man denken mochte, war Loviatar eine der aufmerksamsten Gottheiten der Reiche und lauschte den an sie gerichteten Gebeten stets mit aufrichtigem Interesse. Obgleich ihre Anhänger natürlich in eher finsteren und korrupten Städten und Ländern zahlreicher verteilt waren, waren sie dennoch recht weit verteilt. Auch die Städte des Guten brauchten ihre Verhör- und Kerkermeister und nur selten fanden Paladine ihre Bestimmung in diesen Berufszweigen. Loviatars Fokus richtete sich dennoch zunächst nach Zentilfeste, wo man wieder einmal sehr geschäftig war. Mit einem seligen Lächeln biss sich Loviatar seitlich ganz leicht auf die Zunge. Wie enthusiastisch sie doch wieder waren. Mit Peitschen und Zangen, mit Nägeln und Nadeln, mit Feuer und Eis, mit... oh, mit einem Kartoffelschäler...wie einfallsreich.

Sie schluckte die Speichelmengen hinunter, die sie sich in den Mündern ihrer verschiedenen Avatare auf den Ebenen gerade gesammelt hatte. Der Mann mit dem Kartoffelschäler, das war Malvis Brandt. Er stand im Moment hoch in ihrer Gunst, er hatte so raffinierte Ideen, sie liebte es, ihm bei seiner Arbeit zuzusehen. Sogleich wollte sie sich genauer ansehen, was er da wieder tat. Es sah sehr schön aus, sein angekettetes Opfer, oh... darauf musste man erst einmal kommen, also wirklich, was für eine Liebe zum Detail, so eine Hingabe. Und jetzt, was tat er jetzt, würde er nun tatsächlich... jäh wurde Loviatars Verbindung unterbrochen, ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen und der Kelch entglitt ihren Händen.

Das... das konnte nicht sein. Auch wenn sie eine Gottheit war, brauchte sie wenige, kurze Momente, um sich zu sammeln. Ein solcher, plötzlicher Verbindungsabbruch konnte nur zwei Dinge bedeuten. Entweder eine mächtigere Gottheit als sie ist gerade persönlich in Zentilfeste aufgetaucht und hat ihre Wahrnehmung blockiert... was eher unwahrscheinlich ist, oder...

Sofort konzentrierte sie sich auf ihren Tempel in Zentilfeste. Die Verbindung stand sofort, sie wurde also nicht von einer mächtigeren Gottheit blockiert, das heißt, die zweite Wahrscheinlichkeit ist eingetreten. Loviatars Finger krallten sich in die Seitenlehne ihres gefrorenen Thrones und ließen das Eis splittern. Sogleich erschuf sie einen Avatar, der in ihrem Tempel Gestalt anzunehmen begann. Aus den Augen von jenem wollte sie sich ein Bild der Lage verschaffen. Sie wusste bereits, was geschehen war, nur noch nicht, wie.

Es war keine Überraschung, dass ihr Tempel in Flammen stand - ebenso wie ganz Zentilfeste. Die Schritte ihres Avatars führten jenen nach draußen, wo sie mit dessen Augen durch die Straßen blickte. Straßen, die zum Teil geschmolzen waren. Ja, es war die zweite, schlimmere Wahrscheinlichkeit gewesen. Als niedere Gottheit konnte Loviatar, wenn sie sich konzentrierte, alles innerhalb von 12 Kilometer um einen ihrer Anhänger herum wahrnehmen. Ein solcher, jäher Verbindungabbruch ihrer Wahrnehmung in Zentilfeste war nur möglich, wenn eine mächtigere Gottheit ihre Wahrnehmung blockierte.

Oder aber, wenn alle ihre Anhänger in Zentilfeste im gleichen Moment plötzlich starben.

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 Betreff des Beitrags: Re: Diener und Meister
BeitragVerfasst: Sa 6. Feb 2021, 16:05 
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>>Baator, Puppenmeister<<

Seine trockene, ledrige Haut riss bei jedem Holpern des Käfigwagens immer wieder an einzelnen Stellen schmerzhaft auf. Immer nur sehr kleine Risse, aber in ihrer Häufigkeit marternd. Die Situation ließ Vincent aber wenig Raum für übertriebenes Selbstmitleid, das heißt, er wollte dem keinen Raum geben, weil er sich von den anderen hier abheben wollte. Sie waren wie Fleischbrocken achtlos in den Käfigwagen geworfen worden und mehr als das waren sie für die Teufel hier auch nicht. Mit ihren Flößen und Booten hatten die Barbazu die in die Hölle gefahrenen Seelen von den Felsbrocken im Blutfluss Styx geholt, zum Ufer gebracht und in jene Käfigwagen gepfercht. Notdürftig zusammengezimmerte Käfigwagen, von abscheulichen, pferdeähnlichen Kreaturen gezogen, deren Haut in Fetzen gerissen war, deren Fleisch offen lag und deren Knochen hier und da herausragten, von fetten Fliegen umschwirrt, die die von ihnen fraßen.

Einige der Fliegen schwirrten auch herüber um sich an den Gefangenen gütlich zu tun, dort zu fressen, wo die ledrige Haut weit genug aufgerissen und das Opfer zu schwach oder lethargisch war, um sich zu wehren. Es gab keine wirkliche Straße, nur eine Art Weg, der durch die ständige Benutzung entstanden war, er führte durch eine zerklüftete Felslandschaft, die voller Blut war und überall mit Gedärm, Eingeweiden und Körperteilen verschiedener Kreaturen bedeckt, auch an diesen vergingen sich die fetten, widerlichen Fliegen, deren Gebrumm die nach Fett und Asche stinkende, unheilgeschwängerte Luft gemeinsam mit den Schreien und dem Wehklagen der Verdammten erfüllte.

Und dennoch würden sie sich danach noch sehnen, denn das was kommen würde, war noch schlimmer. Wahrlich, dies war die Hölle. Von hier an konnte es nur immer noch schlimmer werden, je tiefer sie in diesen trichterförmig in die Tiefe gehenden, gewaltigen Ort hinabkamen. Soweit Vincent wusste, war dies der erste Kreis der Hölle, der am weitesten oben lag und den größten Umfang hatte. Er meinte einst gelesen zu haben, der oberste Kreis habe einen Radius von einer Million Kilometer, also war es ein Durchmesser von zwei Millionen Kilometern. Faerûn, nein, ganz Toril, hätte hier hunderte Male reingepasst. Allerdings sprachen andere Schriften von einem weitaus kleinerem Durchmesser.

Vincent fragte sich, woher diese Diskrepanz wohl kam und musste unwillkürlich lächeln, was keine gute Idee war, da dadurch seine Lippen und die Haut um seinen Mund an mehreren Stillen einriss. Dennoch amüsierte es ihn innerlich fast ein wenig, dass er sich an einem solchen Ort in einer solchen Situation noch solch unnötige Fragen stellte. Denn es war eigentlich sehr egal und wahrscheinlich taten Kartographen sich schwer, hier ihrer Arbeit nachzugehen. Obgleich es bei den ordnungsliebenden Teufeln bestimmt auch irgendwo genauere Aufzeichnungen gab.

Sicher war, dass diese oberste Schicht den Namen Avernus trug und der Hauptschauplatz des Blutkriegs war, der ewigen Schlacht zwischen Teufeln und Dämonen. Daher kam auch all das Blut, die Eingeweide und die Körperteile. Sie stammten von Teufeln, Dämonen und unzähligen Kreaturen und Wesen, die von der einen oder anderen Seite rekrutiert worden waren. Ein seit Äonen gehender Krieg, so alt wie die Zeit selbst und von einer Größe und Gewalt, dass alle Schlachten der Sterblichen auf den Materiellen Ebenen dagegen wie Scharmützel wirkten. Und es war ein Glück für die Reiche der Sterblichen, dass dieser Krieg ebenso wie die zahlreichen inneren Konflikte und Intrigen der Dämonen und Teufel untereinander den Großteil der Aufmerksamkeit dieser Geschöpfe des Bösen auf sich zog.

Die Kreaturen des Bösen waren die meiste Zeit damit beschäftigt, sich gegenseitig zu zerreißen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Diener und Meister
BeitragVerfasst: Mi 17. Feb 2021, 20:11 
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>>Zentilfeste, Loviatar<<

Loviatars Avatar erhob sich in die Lüfte, einem Racheengel gleich. Die mit dem Körper des Avatars verwachsenen Ketten peitschten durch die geschmolzenen Straßen und aus ihr wuchsen ädrige Flügel aus Fleisch und Knochen, die aus dem Rücken hervorgebrochen gekommen waren. Ein dunkles Feuer lag in den blutroten Augen, das porzellanweiße Antlitz war erstarrt in Wut. Ihre Anhänger hatten nichts von dem Grauen geahnt, das so plötzlich über sie gekommen war. Eben noch hatten sie alle friedlich ihre Opfer gefoltert oder sich selbst gegeißelt oder neue Qualen erdacht, hatten vielleicht geruht von ihrem Tagewerk oder sich etwas zu essen zubereitet.

Einige von ihnen litten sogar unter köstlichem Liebeskummer, oder hatten Zahnschmerzen, Rückenschmerzen oder Magenkrämpfe oder all die anderen wunderbaren Dinge, die ihnen das Leben anbot. Ein Leben, das ihnen einfach so entrissen wurde. Viel zu schnell! Sie fühlte die Tode, die zahllosen Tode, all die Verluste. Sie waren schnell gestorben, in wenigen Momenten zu Staub verbrannt. Viel zu schnell! Ihre Körper vergangen, noch bevor sie realisieren konnten, dass ihr Fleisch von der Hitze schmolz. Keine köstlich langsamen Feuertode, das wurde ihnen verwehrt. Unverständnis und Wut erfüllte Loviatars Essenz.

Hoch über der Stadt schwebte sie, als sie die Täter erblickte. Natürlich. Die Fliegende Stadt der Erzmagier aus der Schattenebene. Sie hatten das Leichentuch aus zerstörerischer Magie über Zentilfeste niederfallen lassen. Doch sogleich würden sie die gerechte Vergeltung für diese sinnlose Tat erfahren. Es war kein Schmerz, den Loviatar spürte, kein Schmerz. Dies hätte ihr gefallen, hätte ihr zugesagt. Aber was ihr zugefügt wurde, war kein Schmerz. Es war Verlust. Und sie schätzte Verlust nicht. Deshalb war sie entgegen einiger irriger Annahmen unwissender Sterblicher auch nie eine Freundin von Verstümmelungen gewesen. Bei der Verstümmelung stand der Verlust im Vordergrund, der Schmerz im Hintergrund. Außerdem fehlte damit ein Körperteil, dem die Freuden von Eis, Feuer, Peitsche und Stahl zugeführt werden konnten.

Und dies war es, was sie nun fühlte, mit dem Verlust von Zentilfeste. Es war, als wäre ihr eine Hand abgetrennt worden. Schmerzlos abgetrennt! So viele großartige Foltermeister. So ein gut durchdachtes Justizsystem. Solche weisen Regenten. Zentilfeste war stets wie ein gut geschmiertes Hebelsystem gelaufen, das dem Opfer die Gliedmaßen verdrehte, ohne sie abzutrennen oder nutzlos zu machen. Ihre Ermittler und Verhörleiter und Inquisitoren und Ratgeber an den Ohren der Regenten und Richter hatten die sinnlosen Morde von Cyrciern und überhaupt die Anzahl von Cyricern fast auf Null reduziert. Zugleich alle Todes- und Verstümmlungsstrafen fast vollständig abgeschafft und durch Körperstrafen und öffentliche Demütigungen ersetzt. Zentilfeste war ein Meisterwerk gewesen! Sie hatte so lange daran gearbeitet und gefeilt. Und nun war es einfach weg. Vernichtet von diesen Magiern.

Gewaltige Energiemengen sammelten sich in den Händen ihres Avatars, in den zwei Händen, die sie schon hatte und auch in den vier weiteren Händen, die sich knackend von ihnen aus den Rippen herausboxten. Ihre Ketten schlugen tiefe Wunden in das tote Land unter ihr und noch tiefer hinab in den Leib des Planeten. Diese Magier hielten sich für mächtig, doch sie würden gleich wissen, was es bedeutete, eine Gottheit herauszufordern. Sie würde ihre wertlose, fliegende Madenstadt zerschmettern wie ein gläsernes Spielzeug. Vor ihrem Ende würden sie erfahren, was wahre Macht war. Und dennoch würde sie ihnen Schmerzen nicht verwehren. Jene, die überlebten, würden ihren dornigen Kuss empfangen und sich darin ergehen. Bis ihr Verstand zerbricht.

Gleich war sie soweit, bereit für den Angriff, doch da zerbrach die Starre ihres porzellanweißes Antlitz vor Hass, als sie erblickte, wer sich ihr da in den Weg stellte. Und die Nacht mitbrachte, die dunkle Nacht, die sich über den gesamten Horizont zog, obwohl die Stunde noch lange nicht gekommen war. Eine wolkenlose Nacht, so leer, dass sie eigentlich sternenklar sein müsste, doch die Leere verschlang auch das Licht der Sterne selbst.

Shar, die Fürstin des Verlusts, die wahre Herrin der Erzmagier in ihrer lächerlichen, fliegenden Stadt. Der Avatar, den Shar gewählt hatte, war nicht der schwarze Sternenhimmelkörper der dunklen Tänzerin und auch nicht der der Nachtsängerin in ihren wallenden Roben, so wie sie die Sterblichen erschien, wenn sie es denn mal tat. Dieser Avatar Shars, der sich Loviatars Avatar in den Weg stellte, war groß wie ein Turm und ragte hoch über dem vergleichsweise kleinen Avatar Loviatars auf. Er bestand aus wirbelnden Schatten und einem überragend schönen, schneeweißen, menschlich wirkendem Gesicht, das Loviatar tadelnd musterte.

"Fürstin Shar... was soll das?"
"Aber meine arme, verlorene Loviatar. Das sollte ich eher dich fragen. Du bist eine Göttin. Willst du dich persönlich involvieren in einen... politischen Streit zwischen zwei Völkern?"
"Das war dein Werk! Was hast du da getan...?" fauchte die Schmerzensmaid zornig.
"Nichts..." meinte die Fürstin des Verlusts süffisant, bevor sie fortfuhr.
"...es ist, wie ich sagte. Ein politischer Streit. Die Umbra erfuhren von einem geheimen Pakt zwischen den Zentarim und den Phaerimm. Die Phaerimm sind der Erzfeind der Umbra, also bewegten sie ihre Schwebende Stadt hierher um die Verbündeten der Phaerimm zu vernichten. Mehr ist nicht dahinter."
"Das soll ich glauben...? Und warum bist du dann hier?"

Es fiel Loviatar schwer, ihre Wut zurückzuhalten. Aber sie machte sich keine Illusionen, Shar war wesentlich mächtiger als sie. Wo war eigentlich Tyrannos, verdammt? Das war doch auch seine Stadt.

"Oh, liebe Loviatar. Du hast mich doch gerufen. Indirekt. Ich konnte ihn spüren, so tief und köstlich. Ich musste einfach kommen."
"Was hast du gespürt?"
"Deinen... Verlust." sprach die Herrin des Verlustes und ließ sich das Wort und den dazugehörigen Geschmack auf der Zunge zergehen.

Loviatars Avatar hingegen schrie nun... vor Zorn und Hass, Gefühle, die sie nicht mehr zurückhalten konnte und löste sich auf, verschwand zurück in die infernale Heimatebene der Maid der Schmerzen. Dort, zurück in ihrem Thronsaal, war es still geworden.

Die Musiker hatten aufgehört zu spielen und die Tänzer von ihren Ketten und glühenden Sohlen befreit und waren gegangen, sie alle hatten die Wut ihrer Göttin bemerkt und hielten es für besser, sie erst einmal alleine zu lassen. Nur eine sehr treue Dienerin war geblieben und kroch mit Tränen in den Augen zu Loviatars Thron sich vor den Stiefeln ihrer Göttin niederzuwerfen. Jene treue Dienerin hatte sich lange, spitze Nadeln aus kaltgeschmiedetem Eisen tief unter die Fingernägel geschoben um ihre Herrin mit ihren Qualen zu erfreuen und zu trösten. Loviatar war ein bisschen gerührt und streichelte der Dienerin durch das Haar, aber ihre Hand bebte noch immer vor Zorn.

Aber die Loyalität ihrer Dienerin erinnerte sie dann wieder an etwas - Loyalität musste von beiden Seiten erbracht werden. Sie hatte nicht verhindern können, dass ihre Diener alle so plötzlich aus dem Leben gerissen wurden und sie konnte keine Vergeltung für deren Tod üben. So war sie es ihren loyalen Dienern zumindest schuldig, sie nun alle rasch in ihrem Reich willkommen zu heißen und sie über den Schock des Todes hinwegzutrösten - mit glühenden Kohlen und kalten Klingen.

"Ich möchte, dass sofort ein großes Abholkomitee vorbereitet wird. Ich könnte mir nicht verzeihen, wenn meine Anhänger auch nur eine Sekunde länger als nötig in Kelemvors gefühlskalter, öder, langweiliger Stadt des Todes verweilen müssen."
"Ja, Herrin."

Die Dienerin lächelte erfreut unter ihren Schmerzen und eilte los, den Befehl weiterzugeben.

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 Betreff des Beitrags: Re: Diener und Meister
BeitragVerfasst: Sa 27. Feb 2021, 13:00 
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>>Baator, Puppenmeister<<

"Aber... ihr versteht nicht, ich habe doch eigens meinen Erstgeborenen geopfert..."
"Ja, das ist hier vermerkt und wir waren über eure Hingabe sehr erfreut."
"Es war vereinbart, dass meine Seele damit gerettet sei!"
"Das wurde sie ja auch - vor einem Ende in der Mauer der Gottlosen. Oder denkt ihr denn, dass eure Gottheit euch noch angenommen hätte, nachdem ihr euren Erstgeborenen den Höllen opfert?"
"Aber vorgesehen war, dass meine Seele vor Baator sicher wäre..."
"Ah, interessant. Wurde das in eurem Kontrakt schriftlich exakt so formuliert?"
"N-nein, aber es ergab sich aus dem Kontext."
"Hrm... ja, nein. Da kann ich euch wirklich nicht helfen. Würdet ihr eure Identität bestätigen, damit wir fortfahren können? Es warten noch andere hinter euch in der Schlange."

Vincent seufzte leise. Es gab hier weder Tag noch Nacht und in welchen Abständen genau die großen Sanduhren auf den Podesten gedreht wurden und welche Zeitangabe sich den verschiedenen leuchtenden Steinen entnehmen ließ, war ihm unbekannt. Aber er schätzte, dass er schon Tage in dieser Folterstation zubrachte, in welche man ihn und die anderen aus dem Styx gefischten Seelen gebracht hatte. Wobei es sich bisher mehr dem Namen nach um eine Folterstation handelte, bisher kam es Vincent eher wie eine gewaltige und unübersichtliche, aber doch streng geordnete Behörde vor. Allerdings war das hier ja auch nur die Registratur. Vor ihm befanden sich noch zahlreiche Seelen, die auf ihre Abfertigung warteten und hinter ihm inzwischen ebenfalls. Und natürlich war jede Seele der Ansicht, dass sie nicht an diesen Ort gehörte und versuchte Einspruch zu erheben oder gar zu feilschen. Was die Wartezeit in der ohnehin schon unglaublich langen Schlange noch weiter verzögerte. Obgleich er es nicht wirklich eilig hatte.

Ab und an hatte er überlebt, ob er nicht einfach allen anderen hinter sich den Vortritt lassen sollte. Die Ewigkeit in einer Warteschlange einer Höllenbehörde zu verbringen, war vermutlich immer noch angenehmer, als das, was danach kommen würde. Allerdings würden die grüngesichtigen, in violette Roben gehüllten Beamten, die sogenannten Amnizu, welche an eine absurde Mischung aus Schwein und Fledermaus erinnerten, bestimmt früher oder später darauf aufmerksam werden. Hinzu kam, dass je länger die Wartezeit wurde, umso mehr nahm seine Angst und Nervosität zu. Es hieß nicht zu Unrecht, dass Vorfreude die schönste Freude war, aber mit dem gegenteiligen Gefühl war es ähnlich. Egal, wie sehr er sich abzulenken versuchte, früher oder später kreisten seine Gedanken immer wieder um all die entsetzlichen Dinge, die man ihm antun würde. Und sie würden nicht damit aufhören, die Teufel kannten keine Gnade, kein Mitgefühl. Sie würden ihn in alle Ewigkeit immer weiter und weiter foltern, auf Arten, die sich ein menschlicher Verstand kaum ausmalen konnte. Solange, bis sein Verstand ausgelöscht sein würde. Solange, bis sein neuer, ledriger, schmerzender Körper nur noch ein Stück Fleisch war, dessen Nerven noch reagierten, aber in dem sich kein Wille, kein Bewusstsein mehr befand.

Etwas für ihn seltsames begann. Vincent fing an, zu weinen. Er wollte es nicht, es passierte einfach. Vor Verzweiflung, vor (nicht ganz unberechtigtem) Selbstmitleid, vor Angst, vor Traurigkeit, vor Hoffnungslosigkeit. Das war es also? So würde sein Dasein zu Ende gehen? Er, der gefürchtete Puppenmeister, am Ende ein geistloses, winselndes Häufchen Elend? Er fragte sich nicht, womit er das verdient hatte, denn er wusste es. Aber er wollte das nicht. Er wollte das nicht. Er wollte nicht, dass ihm das passiert. Er wollte nicht, dass ihm das angetan wird. Noch vor Minuten hätte er dieses Verhalten als jämmerlich empfunden. So wie all die anderen in dieser langen Warteschlange. Die fluchten, die heulten, die feilschten, die... sogar beteten. Doch Vincent konnte nichts dagegen tun. Und eigentlich war es ja auch egal. Sein Stolz war nicht mehr wichtig.

Nichts war mehr wichtig. Es war auf für ihn. Es war zu Ende.

"Vincent Veremin?" hallte eine fragende Stimme eines gelangweilt suchenden Beamten durch die Reihe der Wartenden.

Einige Momente lang glaubte Vincent, seine zerfransten Ohren spielten ihm einen Streich.

"Vincent Veremin!" wurde die Stimme allmählich ungeduldiger.

"Ja, ich, hier!"

Vincent horchte auf. Ein anderer in der Schlange hatte sich gemeldet. Gab sich als er aus. Doch der teuflische Beamte ließ sich nicht täuschen. Mit seiner plattgedrückten, fledermaus- oder schweineartigen Nase schnüffelte er an dem Mann, der sich gemeldet hatte. Dann verzogen sich die tierischen Gesichtszüge und er rammte dem dreisten Täuscher die Spitze seiner langen Schreibfeder ins Auge. Schreiend ging der Mann zu Boden, doch der Amnizu kümmerte sich nicht weiter darum.

"Vincent Veremin!" sprach er nun mit deutlicher Wut in der Stimme.

Schnell versuchte Vincent den letzten Rest Würde in sich zusammenzunehmen und meldete sich.

"Hier, ich bin es, ich!"

Der Amnizu trat näher, seine lange Robe schleifte über den Boden. Ein breites Grinsen schien sich in dem schrecklichen Gesicht zu zeigen, obgleich das auch eine Täuschung sein konnte, denn der mit langen Fangzähnen besetzte Mund schien sich fast von einem Fledermausohr zum anderen zu ziehen. Erneut schnüffelte der teuflische Beamte, doch dieses Mal war er sich sicher.

"Ah ja, du bist es, heh? Komm mit, die Herrin wünscht dich zu sehen."

Grob packte der Amnizu Vincent und legte ihm ein stählernes Halsband mit einer Kette an, deren anderes Ende er hielt. Wie bei einem Hund, dachte sich Vincent. Dann machte sich der Beamte eilig auf den Weg und zog Vincent einfach mit sich mit, der sich aufrappelte und sogleich folgte. Ein letzter Blick galt dem Tresen am Ende der Schlange und der dortigen Konversation zwischen der nächsten verdammten Seele und dem teuflischen Sachbearbeiter.

"I...ich bin irrtümlich hier, das kann alles nicht sein, das ist nicht Rechtens!"
"Nun, da liegt ihr falsch. Doch ich werde nicht darüber debattieren. Die Beschwerdestelle ist in Turm sechs, gleich gegenüber."
"A...aber dort stehen schon an die Tausende von Seelen...?"
"Und es werden nicht weniger, wir sind schrecklich unterbesetzt, seit der jüngsten Eskalation des Blutkriegs... aber auch darüber könnt ihr natürlich dort Beschwerde einreichen."

Den Rest davon bekam Vincent nicht mehr mit, denn er wurde von seinem Beamten durch ein großes Tor in einen anderen Teil der teuflischen Behörde gebracht.

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"Jene, die sich Abenteurer nennen, sind grausame Individuen aus einer anderen Welt. Sie sind auf der ständigen Suche nach neuen Opfern für ihre dunkle Gottheit Exp, die sie dafür mit immer stärkeren Fähigkeiten und Kräften ausstattet."

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 Betreff des Beitrags: Re: [HGK] Diener und Meister
BeitragVerfasst: Sa 6. Mär 2021, 13:31 
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>>Eispalast, Loviatar<<

Loviatar lächelte voller Vorfreude. Ihr Gesicht, das Antlitz des Körpers, den sie gerade bewohnte, tat das. Ein Gefühl wohligen Schauderns überkam sie, als sie spürte, wie die empfindlichen, gerade erst erschaffenen Muskeln sich dabei bewegten. Zu fühlen... die Enge und die Verletzlichkeit eines sterblichen Körpers zu fühlen, war doch ein besonderes Vergnügen. Sie erinnerte sich daran, wie sie es das erste Mal während der Zeit der Sorgen in dieser Intensität spürte. Seither schlüpfte sie von Zeit zu Zeit zu besonderen Anlässen in solch einen sterblichen Körper, den sie speziell dafür schuf. Nicht so wie ihre Avatare, nein, mit der vollen Schwäche und Hilflosigkeit, wie sie die sterblichen Bewohner der Materiellen Ebene ständig verspürten.

Gewählt für den heutigen Anlass hatte sie den Leib einer Elfe. Sie mochte es, dieses Volk hatte eine gewisse Anmut und Grazie. Vor allem aber diese... Empfindsamkeit. Diese Empfindlichkeit. Zarte Haut bedeckte festes, faszinierendes Fleisch, gezogen von hocheffektiven Sehnen, wie es sie von dieser Machart bei keiner anderen Kreatur gab. Äußerst wahrnehmungsfähige, weit verzweigte Nervenbahnen durch das Fleisch gelebt machten jede noch so geringe Berührung zu einem Feuerwerk an... Erlebnissen. Und erst an den Ohren, den Handinnenflächen, den Kniekehlen, den Schenkelinnenseiten. Den Schienbeinen, den Lippen, den Wangen, den Fingernägeln. Den Fußballen, der Fußsohle, den Zehenzwischenräumen. So hochempfindsam.

Das war ihr Geschenk, ihr Geschenk für einen besonderen Diener. Malvis Brandt, der Mann mit dem Kartoffelschäler. Eines der vielen Opfer des feigen Angriffs der Erzmagier auf die Zentilfeste. Doch sie würde daraus ihre Freude zu ziehen wissen. Zu Lebzeiten hatte sie ihn beobachtet, seine Fantasie und Hingabe bewundert. Jetzt endlich würde sie in den Genuss kommen, diese aus erster Hand zu erleben. Ihr speziell für diesen Anlass von ihr erschaffener, elfischer Körper lag auf Seidenkissen, die sich wiederum auf einer Folterbank befanden. Und diese Folterbank war die Mitte einer so umfangreich ausgestatteten Folterkammer, das keine Wünsche offenblieben. Ihr elfischer Körper war schön, nach den Maßstäben von humanoiden Sterblichen und zeigte viel Haut, doch nicht zu viel, wertvolle Kleidung bedeckte gerade so viel, dass es Neugier und männliches Verlangen weckte. Er konnte die Kleidung entfernen, ebenso wie die Kissen, ganz nach seinem Belieben. Loviatar fragte sich, ob er mit ihr spielen würde.

Natürlich würde Malvis Brandt nicht wissen, dass seine Göttin diesen Körper bewohnte. Das würde ihn womöglich sonst... einschüchtern. Die Anweisung an ihre Diener war eindeutig. Die Seele von Malvis Brandt sollte abgeholt werden und sich erfrischen können, bevor man ihr neue Kleidung gab und ohne weitere Erklärungen oder Anweisungen in die Folterkammer zu der vermeintlichen Elfe brachte. Dann sollte man ihn verlassen und Loviatar würde abwarten, was er tat. Sie freute sich schon sehr darauf. Und nach einiger Zeit würde sie sich ihm offenbaren, wenn sie es lange genug genossen hatte. Danach würde sie ihm ihre Zuneigung zeigen und es würde sie herausfordern, jeglichen Schmerz und jegliche Raffinesse der Folter, die er ihren Körper zugefügt hatte, noch zu übertrumpfen. Das Glück, das er ihr schenkte, würde sie mit ihm teilen und dabei in die tiefsten Tiefen der Qual eintauchen lassen, aber nur für einen kurzen Moment, nicht dass er zerbrach. Sterbliche waren so zerbrechlich wie dünnes Porzellan. Sie musste sich zurückhalten.

Zuerst würde sie Schmerz erfahren und dann er. Es würde so großartig werden.

Sie freute sich schon so sehr.

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 Betreff des Beitrags: Re: [HGK] Diener und Meister
BeitragVerfasst: Mi 31. Mär 2021, 18:43 
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>>Baator, Puppenmeister<<

Eine alte, dunkle, steinerne Halle an deren Wänden unzählige Regale voller staubiger Aktenordner standen, die sauber nach irgendeinem bestimmt sehr ausgeklügelten System nummeriert und beschriftet waren. Es kam ihm so vor, als würde er hier nun schon seit Ewigkeiten warten. Ewigkeiten? Er lachte innerlich fast bei diesem Wort. Die wahre Bedeutung würde ihm schon bald schmerzlich bewusst werden. Dennoch wartete er hier schon ziemlich lange.

Der schweinsgesichtige Amnizu hatte ihn hierhergebracht und schien nun auf irgendetwas zu warten. Worauf, wusste Vincent nicht, und er wagte es auch nicht, zu fragen. Es hätte ohnehin keinen Unterschied gemacht. Er strich mit den Fingern über seine ledrige, rissige Haut. Fast jede Bewegung bereitete Schmerzen, im Grunde war es ganz angenehm, zu warten und nichts zu tun. Allerdings hätte er sich gerne zumindest hingesetzt. So aber warteten sie und warteten sie im Stehen und das Zeitgefühl ging ihm verloren. Eine Uhr oder etwas in der Art gab es in diesem Teil der Behörde nicht, anders als in der großen Abfertigungshalle, wo zahlreichen Sanduhren gestanden waren.

Hier war es völlig ruhig und sie standen vor einer Art steinernen Bürotür und warteten vermutlich darauf, dass sie eingelassen werden durften. Die Herrin dieses Amnizus wolle ihn sprechen. Vermutlich eine Erinnye, die diese Behörde oder diese Abteilung leitete. Neben dem Büro stand ein Name und ein Titel, in infernalen Buchstaben und der diabolischen Sprache der Teufel auf einer steinernen Plakette eingraviert. Vincent beherrschte die Sprache und so las er, was dort stand.

Unterministerialamtshauptmeisterin Lynxidis

Er konnte mit diesem Titel nichts anfangen, aber zumindest wusste er nun den Namen besagter Herrin. Bereits im nächsten Moment war das Läuten einer Glocke zu vernehmen und das schwere, steinerne Tor öffnete sich, um Vincent gemeinsam mit dem schweinsgesichtigen Teufel einzulassen. Dahinter war ein großzügig ausgestattetes Büro mit einem schweren, mit Schnitzereien verzierten Tisch aus dunklem Holz und zahlreiche, massive Regale mit noch mehr Ordnern und Dokumenten, die sich außerdem in dem ganzen Raum stapelten.

Die Erinnye hinter dem großen Schreibtisch sprang schwungvoll von ihrem Sessel auf und umrundete den Tisch, um sich dagegen zu lehnen, während sie zu Vincent und dem Amnizu blickte. Ihre Haut hatte einen hellblauen Teint, ihre Haare waren schneeweiß und lang, in den Augen loderten trotz einer sichtlichen Müdigkeit die blutroten Flammen der Höllen. Ihre Stimme klang sehr angenehm.

"Ah... Vincent Veremin, der Puppenmeister..."
Sie machte eine Handbewegung und scheuchte den Amnizu ohne große Worte hinfort, der das Halsband, mit dem er Vincent hergeführt hatte, dann einfach fallen ließ und rasch hinauseilte. Die Teufelin musterte Vincent einige Momente lang, als würde sie ihn examinieren, dann fuhr sie fort.
"...meine Freikarte nach draußen, nach oben... zumindest hoffe ich das, für dich."
Vincent schluckte seinen Stolz und sein Ego hinunter. Es war besser, nicht aufmüpfig zu sein.
"Wie kann ich euch dienen, edle Lynxidis?"
Seine Stimme war mehr ein rauhes Krächzen als alles andere.
"Oh, du wirst mich begleiten, wir machen eine Reise. Eine weite Reise, weit weg von hier. Jemand hat die hundert Seelen für dich beglichen und nun darf ich dich ihm bringen."
Vincent hätte vor Freude fast innerlich gejubelt, auch wenn ein Teil von ihm es kaum glauben konnte. Er vergaß seine Zurückhaltung und fragte rasch nach.
"D...dann hat Fürst Gond mich ausgelöst? Wir kehren zurück in sein Reich?"

Doch die Erinnye lächelte dünn.
"Nein, wir gehen..."
Sie machte eine Handbewegung mit einer kunstvollen Pause, bevor sie fortfuhr.
"In das Ödland der Verderbnis und der Verzweiflung. Fürst Tyrannos war es, der dich gekauft hat."
Vincent brach fast zusammen. Tyrannos? Aber warum...? Doch er wagte nicht zu fragen. Die Teufeln sprach sogleich weiter und deutete huldvoll auf sich selbst.
"Und ich... werde diejenige sein, die dich zu ihm bringt und dabei seine Aufmerksamkeit erlangt. Fürst Tyrannos ruft und die Erinnye Lnyxidis bringt ihm, was immer er verlangt, so soll es sein, so möchte ich von ihm wahrgenommen werden. Meine Chance, in seine Dienste zu treten und dieser beruflichen Sackgasse den Rücken zu kehren. Wehe dir, du lässt mich nicht gut dastehen, Vincent Veremin. Wehe dir, es lohnt sich nicht für mich. Und jetzt... komm, wir ziehen wir etwas anderes an. Aber zuvor nimmst du ein Bad. Wir müssen dich etwas zurechtmachen. Immerhin treffen wir beide demnächst einen Gott... und noch viel wichtiger, meinen Arbeitgeber in spe.

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 Betreff des Beitrags: Re: [HGK] Diener und Meister
BeitragVerfasst: Fr 2. Apr 2021, 13:19 
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>>Eispalast, Loviatar<<

Loviatar hatte nun schon sehr lange gewartet, in ihrem verletzlichen, elfischen Körper. Wie lange dauerte das denn noch? Nicht, dass ihr langweilig geworden wäre. Immerhin war sie in diesem Moment nicht nur in jenem Körper, sondern zugleich nach wie vor an mehreren anderen Orten. Als Gottheit der Schmerzen war man stets beschäftigt, es gab immer etwas zu tun. Doch sie hatte eine gewisse Vorfreude empfunden und Erwartungen aufgebaut, die nun gestillt werden sollten, warum also ließ man sie warten? Zumal ihr etwas Ablenkungen gerade ganz recht gekommen wäre.

Ihre Aufmerksamkeit widmete sich ihren verbliebenden Anhängern und deren Anzahl. Natürlich war jene nicht bedrohlich geschrumpft und schon gar nicht genug, um ihre Macht, ihren Status oder gar ihre Existenz zu gefährden, wie das bei Gottheiten der Fall war, die keine Anbeter mehr hatten, aber es war eben doch ein spürbarer Verlust gewesen. Natürlich gab es überall auf der Welt Folterkerker und ebenso gab es zahlreiche Tyrannen, die von diesen ganz intensiv Gebrauch machten. Und nicht zu vergessen existierten auch viele verdorbene Sterbliche in privilegierten Gefilden, Adlige oder reiche Kaufleute oder deren Söhne, die aus dem Schmerz Genuss entnahmen. Obgleich Loviatar selbst sie niemals als verdorben bezeichnet hätte.

Aber es waren einfach... weniger geworden. Sie würde handeln müssen. Eine neue Hochburg war erforderlich, vielleicht konnte sie einen geeigneten Herrscher von entsprechender Macht ausfindig machen, um ihn ihrem Willen zu unterwerfen. Leider hatten die meisten solcher Personen schon die Aufmerksamkeit irgendeiner... höheren Gottheit. Aber vielleicht konnte sie langfristiger planen, einen verwöhnten und dekadenten Thronfolger mit den Vorzügen der Kombination aus Schmerz und Lust verführen, sie hatte einige sehr begabte Diener, die diese Kunst meisterhaft beherrschten. Oder sie würde wieder im Schatten eines dunklen Reiches eine entsprechende Enklave aufbauen, die mit der Zeit dem Glanz von Zentilfeste gleichkommen mochte.

Die Göttin der Schmerzen wurde aus ihren Gedanken geholt, als sie stählerne Schritte mit ihren Ohren vernahm, sie musste sich kurz fokussieren, mit welchen Ohren, denn da sie an mehreren Orten zugleich aktiv war, hatte sie recht viele. Ah, die Erkenntnis brachte ihr Freude, es waren die empfindlichen, elfischen Ohren ihrer empfindlichen, fleischlichen Gestalt, die in ihrer eigenen Folterkammer in ihrem Reich auf die Ankunft ihres Dieners wartete. Wie wunderschön. Dann konnte die Ablenkung endlich beginnen, ein wenig amüsante Kurzweil, ein wenig Spaß. Obwohl... was wenn er noch zu überwältigt war vom Schrecken des Todes oder schockiert vom Fall von Zentilfeste? Womöglich würde sie ihn erst trösten müssen? Nun, sie würde es gleich sehen.

Sie öffnete die Augen ihres fleischlichen Körpers und blickte zu den stählernen Schritten. Und war verwundet. Es handelte sich Sarai, eine ihrer aus Fleisch und Stahl geschmiedeten Botinnen, die unter anderem die Aufgabe hatte, die Sterblichen aus Kelemvors Reich zu holen. Sie hätte doch ihren neuesten Diener, Malvis Brandt, mitbringen sollen. Wollte sie ihre Göttin etwa warten lassen? Loviatar schreckte auf. Ihre Botin, Sarai, hatte blutige Tränen in den Augen. Nicht, dass Loviatar das Blut störte oder sie sich darüber gewundert hätte. Immerhin hatte sie die Tränenkanäle der von ihr geschaffenen Botin so gestaltet, dass sie schmerzhaft aufbrachen, wenn salzige Tränen durch sie rannen, damit der Schmerz sie trösten konnte, wenn sie traurig war. Loviatar mochte Schmerz. Nicht Traurigkeit. Nicht... den Verlust.

Loviatars fleischlicher, elfischer Körper erhob sich von der Folterbank, die eher zur Zierde gedachten Stahlketten rissen wie Papier. Sie wandte sich ihrer Botin zu, die sogleich auf die Knie fiel und dann mit bemüht fester Stimme den Schrecken berichtete, den sie ihrer geliebten Herrin voller Scham und Traurigkeit berichten musste.

"Meine Fürstin... ich... ich weiß nicht, wie ich... es ist..."
"Sprich, mein Kind."
"Alle eure verstorbenen Anhänger... sie sind nicht... gekommen. Keiner von ihnen war in der Stadt des Gottesurteils. Und... ich habe es sogleich überprüft... auch die von Fürst Tyrannos nicht!"
Loviatars fleischlicher Körper riss entsetzt die Augen auf.
"Hat die Waffe der Umbra ihre Seelen zerstört? Sie hatten schon einmal eine solche."
"N..nein, ich habe mich umgesehen. Auch eure unter anderen Umständen verstorbenen Anhänger des heutigen Tages sind nicht aufgetaucht. Einer wurde in Tiefwasser gehängt, ein anderer in Rashemen verbrannt, einer starb an Altersschwäche im Eltabbar. Keiner von ihnen kam an."
Die Botin Sarai zitterte vor Angst und Sorge, als sie fortfuhr.
"Die Seelen eurer Anhänger gelangen nicht mehr in die Fugenebene."

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 Betreff des Beitrags: Re: [HGK] Diener und Meister
BeitragVerfasst: Sa 10. Apr 2021, 14:58 
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>>Pyarados, Tay<<

Kerep, seines Zeichens Roter Magier und Tyrannospriester, hob andächtig seine Hände und wirkte einen weiteren Zauber auf den bereits von magischen Krankheiten gepeinigten und gekrümmten Sklaven, der in Ketten zu seinen Füßen lag. Ein weiterer Schrei entwich der röchelnden Kehle des Sklaven und sein Leiden ging weiter, seine Augen voller Tränen in einem Blick voller Angst und Hass.

Das war gut, das war wichtig in diesem prunkvollen, dunklen Tempel des Bösen, der Tyrannos zu Ehren errichtet war. Deshalb freute sich Kerep immer, wenn es unter den Sklaven in Pyarados einen Aufständischen gab, denn diese zerbrachen nicht so leicht. Wenn sie zerbrachen, war da nämlich nur noch Angst, nicht aber der brennende Hass. Und Kerep wollte beides, immerhin diente er dem Gott der Angst und des Hasses. Er genoss die Hilflosigkeit seines Sklaven mit Wonne und die Macht, die er über ihn hatte. Dies befriedigte einen äußerst niedrigen Trieb in ihm.

Die versammelten Gläubigen schlugen mit ihren geballten Fäusten auf ihre Brust und lobten und preisten Tyrannos, ihren Gott und Herrn, mit immer lauter werdendem Jubel.

Womit keiner gerechnet hatte war, dass auf einmal hinter Kereb der Raum in einer giftgrünen Wolke schier explodierte und eine dunkle Präsenz sich manifestierte, die jeden der Anwesenden erstarren ließ vor Angst, vor Angst in einer nie gekannten Intensität, die sich in ihre Herzen schlich und ihre Muskeln regelrecht festkettete. Alle hatte nur noch den Gedanken zu fliehen, doch keiner wagte es, auch nur eine Bewegung zu machen.

Ein muskulöser, ansehnlicher Krieger mit markanten, aber herablassenden Gesichtszügen und rabenschwarzem, langen Haar, in dunkle, aber fürstliche Kleidung gehüllt und mit festen, stählernen Stiefeln trat aus dem Nebel, in seinen Augen war das, was normalerweise Weiß ist, schwarz und die Pupillen leuchteten blutrot, er überragte alle in diesem Raum bei Weitem. Die von einer giftgrünen Energie umzogene, leuchtende rechte Hand ließt keinen Zweifel mehr - ein Avatar des Tyrannos. Selbst der aufständische und gepeinigte Sklave verneigte sich vor Angst.

Kerep blickte mit geweiteten Augen zu der Erscheinung, er wusste nicht, ob er sich freuen sollte oder nicht. Meistens bedeutete das Auftauchen eines der Avatare des Fürsten der Finsternis nichts Gutes für seine Anhänger, denn meistens tauchte er nur auf, um seine Unzufriedenheit zu zeigen.

Der Avatar des Tyrannos blickte zuerst über die knienden Maßen der Anhänger, dann zuletzt auf den Priester dieses Tempels und verzog die Gesichtszüge nur geringfügig. Schließlich sprach er mit donnernder Stimme.

"Kerep, mein Diener. Ich bin zufrieden mit dir und habe beschlossen, dir die Möglichkeit zu geben, dich zu beweisen."

Eine Handbewegung des Avatars reichte und Kereps Geist wurde mit Visionen überflutet. Er sah, sich selbst auf einem großen, eisernen Thron sitzen, über ganz Pyarados herrschend. Die Reichtümer der Stadt wurden zu seinen Füßen ausgeschüttet, die Frau, die ihn abgewiesen hatte, lag in Ketten vor ihm, ihr zarter Leib nur von Sklavenlumpen bedeckt, sie seiner Gnade ausgeliefert, seine Widersacher und Konkurrenten gepfählt aufgereiht und alle, die je an ihm gezweifelt hatte, knieten voller Furcht vor ihrem neuen Herrscher. Die Visionen gingen weiter, zeigten Kerep, wie seine Macht noch größer und umfangreicher wurde und selbst den großen Szass Tarm in die Knie zwang. Er würde der unbesiegbare und unbestrittene Herrscher Tays werden. Er gackerte fast wie ein verrücktes Kind vor Freude über diese Möglichkeit.

Was er nicht wusste war, dass alle seine Anhänger ähnliche Visionen hatten, wie jeder von ihnen sich als Herrscher sah, solange er nur Tyrannos treu diente und sich vor ihm bewies. Tyrannos schätzte kein Chaos, doch ein gesunder Konkurrenzkampf und der Antrieb seiner Anhänger, sich ständig gegenseitig zu übertrumpfen, war ein gut funktionierender Motor für seine gewaltige Maschinerie der Tyrannei und des Bösen. Anders als bei chaotischen Göttern durften sie sich jedoch nicht gegenseitig umbringen oder dergleichen, um aufzusteigen, sondern mussten ihre Loyalität, ihre Treue und ihren Wert als Diener beweisen, mussten ihre Aufgaben besser erledigen als alle anderen und nach Möglichkeit die Aufgaben der anderen mit, mussten die anderen ausstechen und möglichst viele Erfolge für sich beanspruchen. Natürlich sah letztendlich jeder sich selbst als derjenige, der am Ende ganz nach oben aufsteigen würde.

Jeder wollte jetzt gut dienen, um zu Kerebs Seite aufzusteigen. Jeder wollte dann auf seine Chance warten, sich vor Tyrannos selbst zu beweisen, damit er sehen würde, dass er ein besserer Diener als Kereb war. Jeder im Raum wollte die Macht, die Tyrannos ihnen scheinbar bot. Keiner sah, dass jeder einzelne von ihnen letztendlich ein austauschbares Zahnrad war, das nur wie jedes andere dafür sorgen musste, dass Tyrannos gewaltige Maschinerie weiter angetrieben werden konnte. Eine Maschinerie der Eroberung, Unterwerfung und Unterdrückung, die keine Pause und keine Ruhe kannte, sich immer weiter bewegen musste und jedes einzelne seiner Zahnräder letztendlich verschließen und ersetzen würde, wenn es seinen Dienst nicht mehr tat.

Doch dann... wandte Tyrannos sich ab, als wäre er enttäuscht und die Visionen endeten jäh, ließen alle in der brutalen Realität wieder ankommen.

"Nein. Ich... habe mich getäuscht, das Potential ist nicht ausreichend."

Der Avatar schritt zurück zu dem giftgrünen Strudel aus dem er eingetreten war. Entsetzen blieb zurück im gesamten Raum, blankes Entsetzen, das für einen Moment noch größer wurde, als die Furcht vor dem Avatar an sich, nämlich die Furcht, von ihm nicht geschätzt zu werden, sich nicht vor ihm als würdig zu erweisen, nicht als sein Diener über die anderen herrschen zu dürfen.

Eine Furcht, die es sogar schaffte, dass Kereb es wagte, zu sprachen, obwohl er solche Angst vor dem Avatar selbst hatte.

"Neeein! Mein Herr, bitte verlass uns nicht, wir tun alles, was du verlangst, alles, was du willst!"

Der Avatar warf einen gelangweilten Blick zurück, als würde er seufzend zu einem verkrüppelten Hund sehen, der trotz gebrochenen Kiefers versuchte, ein Stöckchen für seinen Meister zu apportieren. Doch jener herablassende, gelangweilte, ja fast schon genervte Blick gab seinen Anhängern und Kereb einen Hauch von Hoffnung.

"Was.. was immer du wollst, mein Gebieter..."

"Nun gut. Ich gebe dir... eine einfache Aufgabe. Unterwirf so viel wie möglich von dieser Stadt. Verzehnfache deine Anhänger. Du hast einen Mond. Dann sehen wir weiter."

Und damit verschwand der Avatar und ließ Kereb mit offenem Mund stehen, der dann rasch und euphorisch sprach.

"Ja, so sei es, mein Meister, wie du willst!"

Und alle in dem Raum sagten dasselbe. Selbst der Sklave, denn auch er hatte die Visionen erhalten. In Tyrannos Maschinerie war jeder willkommen. Jeder hat sie Chance, ein Zahnrad zu werden. Jeder hat die Chance, zu verschleißen. Wichtig war nur, dass die Maschinerie lief. Alle in diesem Raum würden dafür sorgen. Alle in diesem Raum würden mit vollem Eifer der gegebenen Aufgabe nachkommen, und sich beweisen. Und alle würden betrogen werden.

Und was sie noch nicht wussten war, dass Tyrannos in jedem Tempel in ganz Tay erschienen war.

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 Betreff des Beitrags: Re: [HGK] Diener und Meister
BeitragVerfasst: Sa 17. Apr 2021, 12:37 
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>>Schwarze Feste, Tyrannos<<

Das Ödland der Verderbnis und der Verzweiflung war eine entsetzliche Ebene, den Höllen nicht unähnlich. Doch während der gewaltige Eispalast Loviatars, dessen rasiermesserscharfe Türme hoch über dem zerklüfteten Land aufragten, die schönste Bastion dieser Ebene darstellte, so war die Schwarze Feste des Tyrannos das mit Abstand größte und furchterregendste Bauwerk. Ein gewaltiges Gebäude aus Adamantit, Obsidian, Ebenholz und schwarzem Marmor, das beinahe jedes Licht zu verschlucken schien. Die unglücklichen Seelen derer, die in ihren Lebzeiten Teil der gewaltigen Maschinerie des Gottes der Tyrannei gewesen waren, fristen ihr nun ewiges Dasein bis auf wenige Ausnahmen nun in Form von sogenannten Larven. Mittelgroße Würmer mit Gesichtern ähnlich denen ihrer sterblichen Körper. Während sie in Lebzeiten von Macht und Unterwerfung träumten, dienen sie nun den infernalischen Ebenen als Währung, Nahrung oder werden als Energiequelle für verschiedene Zauber missbraucht. Nur wenigen wird das zweifelhafte Glück zuteil, zumindest in eine Lemure oder einen Dretch verwandelt zu werden.

Im gewaltigsten und prächtigsten Thronsaal der Festung saß Tyrannos, der Schwarze Fürst, auf seinem furchteinflößenden, aber beeindruckendem Schädelthron und zog seine Aufmerksamkeit langsam von den zahlreichen Sterblichen zurück, die er in Tay besucht hatte. War der noch menschliche wirkende Avatar, den er ihnen gesandt hatte, schon einschüchtern genug, so wären beim Anblick seiner wahren Gestalt die Herzen der meisten Lebewesen in ihrer Brust vor Angst gefroren. Selbst seine zahlreichen infernalischen Diener, die schon größte Schrecken erlebt hatten, erstarrten vor ihm vor Furcht. Er ist der Gott der Tyrannei, der Angst und des Hasses und als solcher eine wahrhaftige Verkörperung all dieser Eigenschaften.

Seine Hand tippelte ungeduldig auf der Lehne seines Throns herum.

Was für ein erbärmlicher Haufen von Schwächlingen, dachte er bei sich, als seine Gedanken unzufrieden über die von ihm neu motivierten Priester der verschiedenen Städte Tays zurückwanderte. Keiner von ihnen genügte den hohen Ansprüchen des Schwarzen Fürsten wirklich, aber er musste die Anzahl seiner Anhänger ausweiten, er brauchte Frisches Blut für seine Armeen und Anhängerschaften auf Toril. Er blickte mit einem süffisanten Lächeln auf die Zahlreichen der Larven, der Würmer mit den Gesichtern seiner verstorbenen Anhänger, die nun zitternd in seinen Thronsaal krochen, nachdem sie seinem Ruf gefolgt waren. Das Folgende würde ihn mit ein wenig Vergnügen erfüllen und ein dunkler Gott muss doch auch seinen Spaß haben, nicht wahr?

"Meine Kreaturen...", begann er mit seiner dunklen, grausamen Stimme zu sprechen, "...jeder einzelne und jede einzelne von euch hat mich schwer enttäuscht."
Er lächelte, als er das Entsetzen spürte, das im menschlichen Gesicht jeder einzelnen Larve zu sehen war, aber auch den unterdrückten Zorn und Hass, den er in ihnen wahrnahm.
"Aber ich will gnädig sein. Ihr bekommt eine Chance, mir ein letztes Mal von Nutzen zu sein. Ein... allerletztes Mal.
Der Schrecken wuchs und der dunkle Gott genoss dies. Begierig saugte er jeden Aspekt der Emotionen auf, der auf ihn einströmte.
"Ich werde euch den Höllen übergeben, als Zahlung für die dort gepeinigte Seele eines neuen Dieners, der mir mehr von Nutzen sein wird. Nun, das war alles. Ihr... dürft euch entfernen."
Das Entsetzen, die Angst, der Zorn und der Hass explodierten nun förmlich, einige der Würmer mit menschlichen Gesichtern begannen zu schluchzen, andere waren erstarrt vor Angst, andere zitterten und klapperten mit den Zähnen, als sie sich der Schrecken bewusst wurden, die nun ihnen drohten und wieder andere schrien dem Schwarzen Fürsten, ihrem einstigen Herrn, voller Wut entgegen und protestierten, andere flehten und winselten um Gnade, doch alles half nichts. Mit nur einer Handbewegung und einem Gedanken wischte der Schwarze Fürst, dessen Wille in diesem Teil der Ebene alles war, sie aus seinem Thronsaal und warf sie in einen großen Käfig, wo sie aufeinander und untereinander, wie Würmer im Kasten eines Anglers, ziellos umherkrochen.

Zufrieden lehnte der Schwarze Fürst sich zurück. Ja, das hatte gutgetan. Entsetzen war für ihn wie ein guter Wein, den er zutiefst genoss. Aber natürlich diente der Erwerb der Seele von Vincent Veremin, dem sogenannten "Puppenmeister" auch seinen langfristigen Zielen.

Eines der großen Tore seines Thronsaals öffnete sich, ohne das eine der zahlreichen Wachen Anstalten machte, sich davor zu stellen, so wie sie es bei fast jedem anderen Tor des Thronraums gemacht hätten. Denn gegen die einzige Besucherin, die aus diesem Tor kommen konnte, wären sie alle machtlos gewesen, einzig der Schwarze Fürst wäre dazu in der Lage gewesen, ihr Einhalt zu gebieten. Denn dieses Tor war die Verbindung zum Eispalast der Göttin Loviatar, die Herrin der Schmerzen und Verbündete des Schwarzen Fürsten. Ihr wunderschöner, perfekter Anblick, wie ihn nur eine Göttin ihr Eigen nennen konnte, ließ viele der ebenfalls unmenschlich schönen Erinnyen, die in diesem Thronsaal Tyrannos dienten, neidisch werden. Wie selbstverständlich trat sie vor den Thron des Schwarzen Fürsten um erst im letzten Moment, an der schmalen Grenze zur Respektlosigkeit, vor Tyrannos ihr Haupt ergeben zu neigen.

Dieser betrachtete die wunderschöne Herrin der Schmerzen nachdenklich. Wenn sie ihn so herausforderte, bedeutete dies, dass sie verärgert war. Und natürlich konnte er sich schon denken, weshalb.

"Wir... beide... haben einen schweren Verlust erlitten, Fürstin Loviatar."
"Der Untergang von Zentilfeste. Aber es war nicht nur das."

Tyrannos nickte. Nur eine Handbewegung, eine knappe Geste in Form eines dezenten Winkens reichte aus und seine Untergebenen befolgten sofort den unausgesprochenen Befehl. Ohne auch nur zu Zögern verließen alle von ihnen zügig den Thronsaal und alle der schweren Türen wurden geschlossen, so dass die beiden Gottheiten binnen kurzer Zeit völlig alleine in dem Thronsaal waren, der in seiner Leere nun noch größer und überwältigender gewirkt hätte, wäre ein Sterblicher anwesend gewesen, der dies hätte bemerken können. Dann erst sprach der Schwarze Fürst weiter.

"Der Verlust der uns zustehenden Seelen. Niemand darf davon erfahren. Kein Sterblicher, aber auch keiner unserer vielen infernalen Verbündeten. Es wäre... ungünstig, wenn sich das Gerücht verbreiten würde, dass uns ein Liquiditätsengpass an frischen Seelen drohte."
Loviatar schnaubte verächtlich. In diesem einem Punkt konnte sie ihrem mächtigen und bewunderten Verbündeten Tyrannos, den sie selbst ebenfalls fürchtete, keinen Respekt zeigen.
"Ich verscherble die Seelen meiner Anhänger nicht, als wären sie der Ausstand eines Jahrmarkts der Sterblichen."
Tyrannos blieb ruhig und lächelte amüsiert.
"Deshalb bist du eine Niedere Göttin und ich ein Hoher Gott."
Loviatar winkte ab. Trotz des unterschiedlichen Standpunkts wollte sie nun keinen Streit mit ihm anfangen.
"Wie wollen wir vorgehen?"
"Zunächst müssen wir den Verlust kompensieren. Ich habe gerade eine aggressive Expansionspolitik in Tay beschlossen. Außerdem... habe ich eine Investition getätigt und die Seele des verstorbenen, zweithöchsten Anführers des Rubins erworben."
"Der Rubin? Das sagt mir was."
"Ein simples, aber weit verzweigtes Netzwerk. Einer meiner Untergebenen, Rascar, versucht es seit geraumer Zeit zu unterwerfen, damit ich es mit dem Netzwerk der Zentarim zusammenführen kann. Bisher... ohne Erfolg. Daher werde ich persönlich intervenieren, in Anbetracht der kritischen Situation, in den uns der Verlust von Zentilfeste gebracht hat."
"Es schien, als würden die Zentarim nun von..."
"Erwähne den Namen dieser niederen Kreatur nicht. Nicht in meinem Thronsaal."
"...von den Anhängern deines unwürdigen Konkurrenten dominiert."
"Ein kurzfristiges Ärgernis, das ich beheben werde."
"Gut... ich verstehe deine Pläne. Aber dies ändert nichts am eigentlichen Problem. Jemand bemächtigt sich der Seelen... unserer Anhänger."
"Ich habe bereits bei Fürst Tyr eine offizielle Anklage und ein Misstrauensvotum eingereicht."
"Gegen wen?"
"Na gegen Kelemvor. Das ist schließlich seine Aufgabe. Auch wäre es nicht das erste Mal, das er mich hintergangen hatte. Zuletzt war es als Sterblicher, während der Zeit der Sorgen. Fürst Tyr muss Kelemvor nun entweder als... unfähig oder korrupt einordnen und als enger Freund und Vertrauter des verstorbenen Myrkul werde ich sein einstiges Amt einfordern."
"Du willst.. Gott der Toten werden?"
"Kelemvor gelingt es ganz offenkundig nicht. Und sobald ich diese Position habe, werde ich herausfinden, was die Ursache für das Seelenverschwinden ist. Ich habe... etwas mehr Erfahrung als Kelemvor in solchen Dingen."
"Auch Cy.. dein erbärmlicher Konkurrent wird das Amt anstreben, immerhin gehörte es ihm einst."
"Und viele andere Götter werden aus Prinzip gegen mich sein. Es sei denn... sie sind ebenfalls betroffen und kommen zu dem Ergebnis, dass ich den korrekten Fluss der Seelen gewährleisten kann."
"Gut... wie kann ich dir helfen?"

Und die beiden dunklen Götter sprachen noch lange miteinander und schmiedeten ihre Pläne.

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~"This ist my battle. This is my battleship."~

"Jene, die sich Abenteurer nennen, sind grausame Individuen aus einer anderen Welt. Sie sind auf der ständigen Suche nach neuen Opfern für ihre dunkle Gottheit Exp, die sie dafür mit immer stärkeren Fähigkeiten und Kräften ausstattet."

~Shadow is a man who never loses his virginity - because he never loses.~


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