Status: Online
Direktverbindung: rivin.de:5121
(Spielerliste) 1/42

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 2 Beiträge ] 
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: Abenderheiterung
BeitragVerfasst: Fr 2. Feb 2024, 00:13 
Offline
Serverleitung
Benutzeravatar

Registriert: Fr 3. Apr 2009, 17:17
Beiträge: 1125
Nott betrat die Kaschemme am Hafen mit dem resignierten Blick einer, die bereits vorher wusste, dass dieser Abend in einem Sog aus Alkohol enden würde. Der Geruch von Tabakrauch und alkoholgetränktem Holz hing schwer in der Luft, als sie die schwere Tür hinter sich schloss. Das gedämpfte Gerede der anwesenden Gestalten mischte sich mit dem leisen Klimpern von Gläsern und den dumpfen Klängen eines in die Jahre gekommenen Klavieres.

Die fahle Beleuchtung betonte den herabgekommenen Charakter der Kaschemme. Abgenutzte Möbel und die leicht klebrigen Tische taten ihr übriges. Nott suchte sich einen Platz an der schäbigen Theke, deren Lack an vielen Stellen abgeplatzt war. Der Mann hinter dem Tresen war ein mürrischer Mann mit tiefen Falten, der ohne große Worte ein abgewetztes Glas vor sie stellte. Nott war schon oft genug Abends hier eingekehrt, dass er sich inzwischen ihr Gesicht gemerkt hatte.

"Etwas starkes", bestellte sie und wandte ihren Blick dem Treiben in der Kaschemme zu. Das Gemurmel der Seeleute und Hafenarbeiter vermischte sich mit dem Klirren von Gläsern, dem Hämmern von Krügen und Bechern und dem entfernen Rauschen der Wellen. Die eisblauen Augen wanderten zurück zu ihrem eigenen Glas und starrten auf die goldenen Flüssigkeit darin. Der erste Schluck glitt ihre Kehle hinab, ein warmes Brennen, das ihren Magen erreichte und sich in ihrem Inneren ausbreitete wie ein kleiner Waldbrand. Sie ignorierte die wenigen Blicke der anderen Gäste, die sie entweder mit Neugier oder mit kurzem Desinteresse beäugten.

Mit jedem weiteren Schluck schienen die Gedanken klarer zu werden. Oder gleichgültiger? Die Welt draußen verschwamm, während die Welt innerhalb der Kaschemme an Konturen zu gewinnen schien. Nott bestellte eine zweite Runde, und dann eine dritte. Die Gesichter der anderen Gäste wurden zu unscharfen Dingen und die Gläser stapelten sich vor ihr. Ein paar vereinzelte Lacher drangen an ihr Ohr, aber sie blieb untypisch stumm und in sich gekehrt. Die Welt da draußen mochte ab und an kompliziert sein, aber hier in der Kaschemme war alles immer einfach: Alkohol, wahlloses Gerede und die eine oder andere Schlägerei.

Eine impulsive Idee. Der Wunsch nach Ablenkung, und vielleicht einer Flucht aus den eigenen Gedanken, trieb sie dazu den Blick von der Theke abzuwenden und sich im Raum umzusehen. Die Augen blieben an einem grimmig aussehenden Kerl hängen, der an einem der düsteren Ecktische saß und sein Bier in Ruhe trank. Nott stand auf, ihre Schritte sicherer, als es die Anzahl der leer getrunkenen Gläser vermuten ließ.

"Versteckst du dich hier nur, oder findet sich an diesem Tisch auch ein echter Mann?", sagte sie mit einer Mischung aus Spott und Provokation in der Stimme. Der Fremde hob langsam den Kopf, seine Augen durchbohrten Nott mit einem messerscharfen Blick. Ein Moment der Stille lag in der Luft, bevor er mit einem düsteren Lächeln antwortete: "Was geht dich das an, Nott?" Kannte Nott diesen Kerl? Es war so schwer, in den Schlieren und der Unschärfe, die Details des Gesichts aus zu machen. "Ich dachte mir, dass es hier ein wenig lebhafter werden könnte, eh? Und du hast so ein Gesicht, bei dem man auch nachher nicht erkennen könnte, dass du auf's Maul bekommen hast", setzte sie noch einen drauf.

"Du bist mutig oder einfach nur dumm, in Rivin nach Krawall zu suchen. Aber sei's drum, wenn du es willst."
Nott spürte, wie die Anspannung in der Luft zunahm, als der Fremde ihre Provokation annahm - die Stille wurde durchbrochen, während er aufstand, als der Stuhl mit einem Krachen nach hinten kippte. Ein Raunen ging durch die Umstehenden, die nun die Aufmerksamkeit auf das bevorstehende Spektakel richteten.

Die erste Faust flog durch die Luft, und Nott wich geschickt aus, spürte jedoch den Windzug, als sie nur knapp einem wuchtigen Schlag entging. Ihr Gegenüber war kräftig und erfahren, also genau richtig damit beide etwas Dampf ablassen können würden. Notts Faust durchschnitt die Luft - ihr Gegenüber nahm die Herausforderung an und konterte mit einem wuchtigen Haken.

Bei jedem Schlag vibrierten ihre Finger, und der Aufprall übertrug sich bis in ihre Schultern. Der Fremde, nahm die Schläge mit einer stoischen Entschlossenheit auf, sein Körper wie eine Leinwand für die einschlagenden Kräfte. Mit jedem getroffenen Schlag schien der Raum zu schwingen, Nott spürte den Pulsschlag in ihren Fingerspitzen, der durch den Kontakt mit dem Körper des Fremden verstärkt wurde. Jener, sein Gesicht von Anstrengung verzerrt, schien dieselbe Empfindungen zu fühlen, während seine Faust auf Notts Seite prallte.

Der Kampf wurde intensiver, die Atemzüge schneller. Nott und der Fremde schenkten einander nichts, als sie sich in einem hitzigen Austausch von Schlägen verstrickten. Das Klirren von Gläsern, Jubelschreie und das Beben des Fußbodens verschmolzen mit dem rhythmischen Klatschen der Hände der Zuschauer. Ein wuchtiger Tritt des Fremden brachte Nott aus dem Gleichgewicht. Sie taumelte rückwärts, spürte den metallisch-kupfernen Geschmack des Blutes auf ihrer Zunge. Doch anstatt sich geschlagen zu geben, sammelte sie ihre Kräfte und stürmte mit einem wilden Schrei erneut auf ihren Kontrahenten zu. Nott spürte den scharfen Schmerz in ihrer Hand, als sie einen festen Schlag landete, doch die Befriedigung, die daraus entstand, überdeckte jedes Unwohlsein. Schweiß und Blut vermischten sich auf den Gesichtern der beiden Kontrahenten, die jeden Schlag voll auskosteten.

Schließlich, nach einem letzten krachenden Schlag, taumelten Nott und der Fremde erschöpft voneinander weg. Ein Moment des Schweigens folgte, während die beiden sich gegenseitig aus erschöpften Augen betrachteten; außer Atem, aber mit einem Gefühl der Befriedigung. Die Kaschemme hatte ihre Ablenkung bekommen und der abendliche Trott gewann langsam wieder die Oberhand. Als Belohnung hatte Nott sich für einen kurzen Moment von ihren eigenen Dämonen ablenken können.

Nott und der Fremde fanden sich unvermittelt an der Theke wieder. Ein Nicken wanderte zwischen dem Fremden, Nott und dem Mann hinter der Theke. Zwei Gläser wurden vor ihnen platziert, gefüllt mit einem starken Schnaps, der die Kehlen wärmte und die Spuren der vorangegangenen Auseinandersetzung betäubten.

"...scheiße, hast du einen gemeinen linken Haken", sprach der Fremde, während er mit einem grimmigen Lächeln den Kiefer knacken ließ.

_________________
Bild Varda Gideon - Tabakverbraucherin
Bild Aiven Rhodes - Assurit
Bild Molvvra Algosri - Tempeldienerin
Bild Nott Hrafnsdottir - Ruathenkind


Nach oben
 Profil  
 
 Betreff des Beitrags: Re: Abenderheiterung
BeitragVerfasst: Mo 5. Feb 2024, 18:15 
Offline
Serverleitung
Benutzeravatar

Registriert: Fr 3. Apr 2009, 17:17
Beiträge: 1125
Nott erwiderte das Lächeln, während sie den Schnaps in einem Zug trank. Der brennende Abgang des Getränks war nicht nur in ihrem Hals zu spüren, sondern lies auch die vielen kleinen Wunden im Mundinnenraum aufflammen. Eine kleine Erinnerung daran, dass sie noch lebte. "Du bist auch nicht schlecht, alter Rivin-Hund", sagte sie und spürte wie sich eine seltsame Art von Respekt begann zwischen dem Fremden und ihr zu entwickeln. Der mürrische Mann hinter der Theke beobachtete beide mit einem neutralen Ausdruck, als wäre dies nichts Ungewöhnliches in seiner heruntergekommenen Kaschemme.

Der Fremde nickte anerkennend. "Nun, wenn du jemals wieder nach Krawall suchst, weißt du, wo du mich findest." Nott hob ihr leeres Glas. "Vielleicht sehen wir uns wieder, eh?" Mit diesen Worten verabschiedeten sie sich auf ihre eigene Weise und kehrten zu ihren Plätzen zurück. Die Umstehenden hatten bereits wieder komplett in ihre eigenen Angelegenheiten gefunden und das Treiben ging wieder weiter als wäre nichts passiert. Nott lehnte sich an die Theke, ihr Blick verlor sich im Nebel aus Rauch, Alkohol und Gedanken.

Der mürrische Mann hinter der Theke, der den Verlauf des Kampfes, wie auch die seltsame Verbrüderung beobachtet hatte, schenkte ihr ein knappes Nicken. "Du hast 'ne beschissene Art neue Freunde zu finden." Sie zuckte mit den Schultern und bestellte einen weiteren Schnaps. Der Rest des Abends verlief in einem verschwommenen Nebel aus Gesprächen, schwachem Gelächter und dem gedämpften Klang des Klaviers.

Als die Nacht voranschritt und der Hafenlärm draußen langsam abebbte, verließ Nott die Kaschemme mit demselben resignierten Blick mit welchem sie zuvor eingetreten war. Der Hafen umhüllte sie mit seinem kalten Nebel und der Klang der Wellen begleitete sie auf ihrem Weg hinauf an dieser komischen Statue vorbei. Während Nott durch die nächtlichen Straßen Rivins wanderte, ließ sie ihre Gedanken in einem kalten Strom durch ihre Gefühlswelt strömen.

"Waren das heute Abend gute Entscheidungen?", dachte sie und spürte dabei nicht den Hauch von Reue oder Zweifel. Die Frage nach "gut" oder "böse" schien für sie so abstrakt wie eine fremde Sprache, die sie zwar verstehen konnte, aber nicht wirklich sprechen wollte. Silfr hätte ihr bestimmt diese Frage beantworten können. Silfr mit ihren klaren Augen und ihrer Idee von einem moralischen Kompass. Der Gedanke an einen moralischen Kompass, an eine Stimme, die zwischen richtig und falsch unterscheidet, wirkte auf Nott wie eine rätselhafte Vorstellung. Was wäre das für ein Luxus, einen solchen Kompass zu besitzen?

"Warum sollte ich mich darüber beugen, was andere als 'gut' oder 'schlecht' betrachten?", flüsterte sie in den nächtlichen Wind. Ihr Blick schweifte zu den schattigen Gassen und den schemenhaften Umrisse der Stadt. "Leben bedeutet Überleben und Überleben erfordert Entscheidungen. Gut oder schlecht - irrelevant. Es geht darum, am Ende des Tages noch hier zu stehen."

Die kalte Brise der Nacht strich durch Notts Haare, als sie ihren Weg fortsetzte. Der Durst nach noch mehr Schnaps begann, wie ein leises Flüstern in ihrem Ohr, in ihr aufzusteigen. Doch diesmal weigerte sie sich, den Verlockungen nachzugeben. Der Wirt würde es nicht schätzen, wenn sie erneut eine Schlägerei anzettelte.

[Fin]

_________________
Bild Varda Gideon - Tabakverbraucherin
Bild Aiven Rhodes - Assurit
Bild Molvvra Algosri - Tempeldienerin
Bild Nott Hrafnsdottir - Ruathenkind


Nach oben
 Profil  
 
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 2 Beiträge ] 

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde [ Sommerzeit ]


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste


Du darfst keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du darfst keine Dateianhänge in diesem Forum erstellen.

Gehe zu:  
cron
Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de