Molvvra durchquerte die düsteren Gänge des Hauses, ihre Schritte gedämpft auf dem polierten Steinboden. Sie konnte das leise huschen und kratzen der Goblinoiden Sklaven hören, die entlang der Wände arbeiteten. Einige von ihnen wagten es, flüchtige Blicke auf sie zu werfen, bevor sie eilig ihre Köpfe senkten und ihre Arbeit wieder aufnahmen. Molvvra hielt inne, um sie einen Moment lang zu beobachten, während sie sich fragte, was die Ziehtochter der Ilharess, Zhai, an diesen minderwertigen Kreaturen fand? Die Faszination für solche niederen Wesen war ihr ein Rätsel, aber es war eine Frage welche man nicht zu laut stellen sollte - hatte Zhai doch einst an Zsaraffein vorgeführt wie weit sie für ihre Haustiere gehen würde.
Ein amüsiertes Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie sich entschied, ihre Überlegungen zu unterdrücken und weiterzugehen. Manchmal war Ignoranz eine Gnade und man sollte nicht zu offen mit seinen seltsamen Neigungen umgehen - nicht, dass Molvvra selbst welche hatte, natürlich nicht! Sie setzte ihren Weg fort, ihre Augen suchend nach dem Raum, der ihr als Rückzugsort zugewiesen worden war. Es war nicht so sehr ein Ort zum Entspannen - nein, so funktionierten die persönlichen Räume eines Ilythiiri-Hauses für Molvvra nicht - sondern eher ein Ort, um sich vor den Augen und Ohren der anderen Drow zu verbergen. Ein Ort um seine Gedanken zu sammeln.
Schließlich fand sie die Tür, unauffällig und unscheinbar in einem der Seitengänge versteckt. Sie öffnete sie und betrat den Raum, der mit düsteren Schatten gefüllt war. Es gab nur wenige Möbel, ein einfaches Bett und ein paar verwitterte Schränke, aber das war zunächst alles, was sie benötigen würde.
Sie schloss die Tür hinter sich und atmete tief ein, während sie sich darauf vorbereitete, sich zurückzulehnen und die Ruhe dieses abgelegenen Ortes zu genießen. Hier konnte sie ihre Maske zeitweise fallen lassen, ablegen. Doch selbst hier wusste sie, dass sie nie ganz sicher war. Augen und Ohren, magischer und nicht-magischer Natur, lauerten in allen Ecken des Hauses. Aber für jetzt, zumindest für einen Augenblick, konnte sie sich erlauben, sich zu entspannen und ihre Gedanken zu sammeln. Danach würde sie beginnen ihre Habseligkeiten in ihre neuen Räumlichkeiten zu bringen.
Ihr stolzes Herz, oder vielleicht sollte sie es eher als Ghuru's Herz bezeichnen, pochte mal mehr und mal weniger wild in der Brust, während sie mit dem Rücken an der Türe lehnte. Molvvra ließ ihre Hand abwesend über ihre Brust gleiten, genau dort, wo das Herz pulsierte. Es war eine Bindung, die über das physische hinausging, eine Verbindung, die in den dunklen Tiefen des Abyss wurzelte und sie beide miteinander verband.
Molvvra konnte die Bilder und Informationen, die sie durch die Verbindung mit dem Herz des Abyss erhalten hatte, nicht so leicht aus ihrem Gedächtnis verbannen. Die Visionen waren angsteinflößend und verstörend, voller Grauen und Hass auf das Leben, die tief in die Abgründe des Abyss hinabreichten. Sie hatte Dinge gesehen, die die Grenzen des Verständlichen überschritten, Dinge, die jenseits der Vorstellungskraft der Sterblichen liegen sollten. Es war ketzerisch im höchsten Maße, das wusste Molvvra nur allzu gut. Deswegen würde sie mit Bedacht abwägen müssen, damit für sie und Ghuru keine direkte Gefahr entstand.
Die Gedanken an Ghuru brachten eine Mischung aus Pflichtgefühl und Sorge mit sich. Ihre Ausbildung musste intensiviert werden, ihre Fähigkeiten geschärft und ihre Macht gestärkt. Molvvra wusste, dass sie sich in den kommenden Zehntagen und Phasen viel mehr mit Ghuru beschäftigen müsste, um sicherzustellen, dass sie bereit war die Herausforderungen zu meistern, welche sie am Ende des Jahres erwarten würden. Die Ressourcen des Hauses standen ihr zum Teil zur Verfügung, um Ghurus Ausbildung voranzutreiben - so viel hatte Ilharess Rauvyl ihr zugesichert.
Molvvra schüttelte die Gedanken an Ghuru, ihre Aufgaben und andere Dinge für einen Moment ab. Bevor sie sich vollständig auf ihre Rolle in der Ausbildung Ghurus' konzentrieren konnte, musste sie sich erst noch besser in das Haus integrieren. Der Name "Molvvra Ken'tar" klang noch etwas fremd auf ihrer Zunge, aber sie wusste, dass sie sich daran gewöhnen würde. Sie beschloss, sich Zeit zu nehmen, um sich mit den Mitgliedern des Hauses vertraut zu machen, auch wenn sie einige davon schon kannte; Rauvyl, Zhai, Phyrafay, Akordia und Zarra. Sie würde sich aber auch mit den weniger prominenten Figuren auseinandersetzen müssen. Der Verfall begann schließlich dort, wo die Vernachlässigung endete.
_________________ Varda Gideon - Tabakverbraucherin Aiven Rhodes - Assurit Molvvra Algosri - Tempeldienerin Nott Hrafnsdottir - Ruathenkind
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