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 Betreff des Beitrags: Der Tod des Fürsten
BeitragVerfasst: Di 6. Jan 2015, 17:15 
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Jessica trat langsam und nur Schritt für Schritt voran. Sie setzte einen Fuß vor den anderen, das heißt, Ihr Körper tat es. Sie selbst registrierte die Bewegung nur am Rande. Das Rauschen war immer noch laut in ihren Ohren zu vernehmen und die Umgebung wirkte fremdartig für die, die gesamte Situation war unwirklich und grotesk. Und grauenvoll. Vor wenigen Momenten noch hatte der Fürst, Sedrik Silbertal, der Vater ihres unehelichen Sohnes, mit den versammelten Gästen in der Großen Halle gesprochen. Eine Lösung soll es gegeben haben, eine Einigung mit den Banken Tiefwassers und den übrigen Gläubigern des Fürstentums. Ein Hoffnungsschimmer, den alle so dringen gebraucht hatten. Und nun? Staub. Alles, was bleibt, ist Staub.

Elona hatte vor ihr wieder zu sich gefunden und die Wahrheit registriert, verstanden. Und jene Elona, jene so große und von so vielen so bewunderte Elona, ihre Rivalin, kniete auf dem Boden und weinte, wie ein kleines Mädchen. Ein Teil von Jessica, ein innerer, ungeliebter und bösartiger Teil, hätte sich über diesen Anblick ihrer Rivalin gefreut, unter anderen Umständen. Aber die Situation erlaubte kein Triumphgefühl, denn das blanke Entsetzen dominierte sowohl jede gute als auch jede schlechte Seite in der Helmitin, die Luft schmeckte nach Staub, Blut und Tod, Jessica konnte kaum gegen den Brechreiz ankämpfen.

Erst langsam begann sie es auch bewusst wahrzunehmen, zu registrieren, zu verstehen, als die Schocklähmung nachließ. In diesem Raum hatte Fürst Sedrik Silbertal, der Vater ihres Kindes, ein grausames Ende gefunden. Gemeinsam mit vier anderen Personen und zwei Soldaten, die vor der Türe des Raumes Wache gehalten und für den oder die Täter nicht mehr als unbedeutende Kollateralschäden waren. Zwei weitere Leben, weggeworfen wie Abfall, zerquetscht wie Fliegen, nur weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren.

Es hatte einst eine Zeit gegeben, da hatte Jessica ähnlich kaltblütig gedacht und gehandelt, hatte gar Leben beendet, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was das bedeutet. Erst nach der Schwangerschaft und der Geburt ihres Kindes, des unehelichen Sohnes von Sedrik Silbertal, war ihr der Wert des Lebens bewusst geworden. Ein Menschenleben, dass so lange und so intensiv verbunden mit der Mutter, neun Monde lang, in deren Leib heranwächst. Es braucht so lange Zeit, die mit so vielen schönen Momenten, aber auch so vielen Qualen, Ängsten und Sorgen verbunden ist, neun Monde, bis ein Kind geboren ist.

In der Wahrnehmung der meisten Menschen, vornehmlich der männlichen Vertreter jener Gattung, da beginnt das Leben eines Menschen erst mit der Geburt. Aber nicht für die Mutter, niemals für eine Mutter. Niemand, der es nicht selbst erlebt hat, vermag dieses unbeschreibliche Gefühl zu verstehen, wie es ist, wenn ein Menschenleben Stück für Stück in einem Heranwächst. Und was für eine Erleichterung es ist, das geborene Kind, mit dem man fast ein Jahr lang auf eine Weise verbunden war, die intensiver nicht möglich ist, gesund und wach in den Armen zu halten, während es schreit und der mit eigenen Körpersäften bedeckte Körper ob der Kälte bebt, in die das Kind hinausgepresst wurde, während die Mutter den Körper zu wärmen versucht. Ab diesem Moment hatte Jessica zum ersten Mal den Wert eines Menschenlebens tatsächlich verstanden. Ab jenem einen Moment.

Sie öffnete die Augen. Der Raum war vollkommen zerstört, Elonas Schluchzen war alles, was Jessica hören konnte, neben dem Rauschen. Eine Art magische Bombe war hier detoniert, hier in diesem Raum. Sie hatte sieben Leben einfach ausgelöscht, auf grausamste Weise. Man konnte die Toten nicht ein letztes Mal ansehen, man konnte sie nicht einmal beerdigen, den die Detonation hat ihre Leiber vollständig zerfetzt. Sie hat die Menschen einfach zerrissen. Komplette menschliche Körper, von denen jeder neun Monde lang im Körper einer liebenden Mutter gereift ist, die danach Jahre, Jahrzehnte lang aufgewachsen sind. Die gelernt haben, zu sprechen, zu gehen, zu verstehen, zu lesen, zu schreiben, ein Handwerk zu erlernen, eine Waffe zu halten, Kunstwerke zu erschaffen oder Fremdsprachen zu lernen. Einfach so ausgelöscht und was bleibt ist nur Staub und Blut, verteilt im ganzen Raum.

Der Fürst war tot, Sedrik Silbertal war tot. Der Vater ihres Kindes war tot. Alferink, der Hohepriester Tyrs, war tot. Kämmerer Barlen Lenbach war tot. Die beiden Wachen, die den Fürsten begleitet haben, waren tot. Und die beiden Wachen, die einfach nur vor der Tür standen, waren tot. Im gesamten Palast waren Trommelfelle geplatzt und viele Menschen würden bleibende Hörschäden davon tragen. Auch in Jessicas Ohren ließ das Rauschen nicht nach. Jessica hörte ihre eigene Stimme, die nur zitternd immer wieder das Wort "Nein" aussprach, als könnte es vielleicht die ganze Situation ungeschehen machen, wenn sie sie nur einfach oft genug verneinte. Aber das ging nicht, das geht nie.

Alles was bleibt, ist Staub.

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~"This ist my battle. This is my battleship."~

"Jene, die sich Abenteurer nennen, sind grausame Individuen aus einer anderen Welt. Sie sind auf der ständigen Suche nach neuen Opfern für ihre dunkle Gottheit Exp, die sie dafür mit immer stärkeren Fähigkeiten und Kräften ausstattet."

~Shadow is a man who never loses his virginity - because he never loses.~


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 Betreff des Beitrags: Re: Der Tod des Fürsten
BeitragVerfasst: Di 13. Jan 2015, 22:19 
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>>Goldenes Segel, Kartenzimmer, am Morgen nach dem Anschlag<<

Der silberne Kelch schlug mit großer Wucht auf der mit schwerem Eichenholz vertäfelten Wand ein, gegen die er geworfen wurde. Der Klang des Aufpralls verlieh dem Zorn des Mannes einen eigenen Ausdruck. Rasch senkte Lisbeth ihren Blick. Sie war nur eine Magd, eine Dienerin und ihr war bewusst, dass jener Zorn nicht ihr galt. Aber es galt nun, nicht aufzufallen um so nicht versehentlich die Aufmerksamkeit des Mannes und damit einen Teil des Zornes auf sich zu richten. Der Mann war nur sehr selten wütend, im Grunde nie. Er war stets für seine Ruhe und Geduld, seine berechnende Ruhe und Geduld bekannt. Doch wenn er zornig wurde, dann wurde er enorm zornig.

Der Name des Mannes ist Rufus, Rufus von Reichenbach, ihr Herr. Offiziell ein wohlhabender Advokat und Teilhaber des Goldenen Segels. In Wirklichkeit kontrollierte er einen Großteil des organisierten Verbrechens in dieser Stadt und einen nicht geringen Teil des Handels. Das wusste Lisbeth mittlerweile. Sie wusste es und einige wenige andere Angestellte des Goldenen Segels ebenfalls. Aber sie würden niemals darüber reden, es niemals ansprechen. Lisbeth hatte eine kleine Tochter und einen jungen Sohn. Beide musste sie alleine aufziehen, seit nachdem ihr liebster Eberhardt im Krieg gegen die Kaiserlichen gefallen war. Die Witwenrente war nur spärlich und in den letzten Monden gänzlich ausgeblieben und die Arbeit hier war gut. Ja, es war eine gute Arbeit. Sie wollte nicht riskieren, sie zu verlieren. Und ganz nebenbei würde sie vermutlich im Hafenbecken enden, wenn sie darüber sprach. Sie würde schweigen.

Vorsichtig blickte sie aus den Augenwinkeln auf, während Rufus mit hektischen Schritten hin und her ging, als würden ihn genügend Schritte einfach auch mit seinem Problem weiterbringen. Dabei knirschte er wieder hörbar mit seinen Zähnen. Das tat er öfters, ohne dass es ihm auffiel. Meistens erkannte man daran, dass er verärgert war, auch wenn man es ihm darüber hinaus nicht anmerkte. Eigentlich hatte er sie angewiesen, sie darauf hinzuweisen, wenn sie es bemerkt. Normalerweise tat sie es auch. Aber jetzt nicht. Heute nicht. Der Fürst ist erst gestern gestorben, bei dem schrecklichen Anschlag. Und auch wenn Lisbeth nicht wusste, worum es ging, so war der Tod des Fürsten offenbar ebenfalls mit einem finanziellen Verlust für ihren Herrn verbunden gewesen. Sonst wäre er nicht aufgebracht. Der Tod anderer Menschen bekümmert ihn nicht. Finanzielle Verluste hingegen machen ihm zu schaffen. Auch wenn er mehr Gold hatte, als Lisbeth sich jemals vorstellen könnte. Die Last der Reichen. Je mehr Gold man hat, desto mehr Gold benötigt man. Gold ist wie eine Droge und die ganze Welt ist davon abhängig.

"Eine Katastrophe, eine einzige Katastrophe!"

Lisbeth zuckte zusammen und schielte, ohne den Blick zu heben, zu der dritten Person im Raum, der wohl ähnlich unwohl wie ihr zumute war. Herrn Eckhard Ehrenstroem, dem reichsten Bankier der Stadt. Obgleich Eckhard noch wesentlich reicher als Rufus war, stand er in irgendeiner Form der Hackordnung unter Rufus. Das merkte Lisbeth immer wieder an seiner Haltung, seiner Tonlage, seiner Rufus gegenüber fast unterwürfigen Art. Eckhard hatte Respekt vor Rufus, oder vielleicht noch eher, Angst. Vermutlich weil all sein Gold, nachdem beide so süchtig sind, Eckhard nicht retten kann, wenn einer von Rufus Meuchlern ihm nachts die Kehle durchschneidet. Sie wusste nicht, ob Rufus wirklich Meuchler hatte. Aber sie nahm es an. In jedem Fall war Eckhard in der aktuellen Situation genauso nervös und ängstlich wie sie. Zu Lisbeths Glück hatte Rufus jedoch Eckhard angesprochen und nicht sie. So war es an ihm, zu reagieren und nicht an ihr. Lisbeth nahm sich vor, Tymora nachher eine Kupfermünze zu spenden.

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