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 Betreff des Beitrags: Ein Besuch in der Heimat
BeitragVerfasst: So 26. Apr 2015, 21:58 
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Das Rittergut Falkenwinter war wahrlich ein schöner Flecken Erde.
Pferde grasten friedlich auf den ausladenden Grünflächen und blühende Kirschbäume säumten den Weg.
Linkerhand fanden sich mehrere Gebäude: das Gesindehaus, die Stallungen und zwei Scheunen. Das Zentrum bot klar das von einem Wassergraben umgebene Herrenhaus, in dessen halbschattigen Vorgarten Erlen, Weiden, Kiefern und Lärchen wuchsen. Das Anwesen hatte einen winkelförmigen Grundriss und war eigentlich schon als kleines Schloss zu bezeichnen. In der Mitte ragte ein Turm in die Höhe und den zwei wirkungsvollen, länglichen Anbauten zu beiden Seiten wohnte mit ihren spitzen Zinnen durchaus etwas Wehrhaftes inne.
Die einzelne Zugbrücke die zu dem Anwesen führte, und die noch ein paar hundert Schritt vor Aleney lag, verstärkte diesen Eindruck.

Sie trug ihr gesäubertes adrettes Lederwams, darunter eine helle Bluse, die die Schultern frei ließ und bis über das Knie reichende Wildlederstiefel mit silbernen Schnallen. Auch der Waffengurt um die Hüfte fehlte nicht.
Das lange, blonde Haar hatte sie sich nach der Art drapiert, die sie in der Weite der flirrenden Steppe kennen gelernt hatte. Die Frauen der Nomaden dort trugen ihr Haar halb offen, halb geflochten sodass sie den Wind noch spüren konnten, wenn sie auf ihren Pferden über die grasigen Hügel galoppierten. Ganz anders als es derzeit in Tiefwasser Mode war: Streng zurückgebunden, kompliziert zusammengedreht und gesteckt.

Ein wenig nervös fuhr sie sich mit den Handflächen über die Beinkleider. Ein tiefes Atem holen dann setzte sie ihren Weg auf das Schlösschen zu fort.
Seltsam. In meiner Erinnerung war alles… viel größer. Dort vorne stand auch noch eine Schaukel und das Gebäude dort… kenne ich gar nicht?

Ein freudiger Aufruf schallte zu ihr herüber. „Aleney?!!“
Mit rauschenden Röcken näherte sich eine kleine Frau mittleren Alters. Sie trug ein einfaches Kleid und eine Haube, die ihr das von grauen Schlieren durchzogene Haar zum Großteil aus dem Gesicht hielt. Sie lächelte freundlich und kleine Fältchen bildeten sich um die braunen Augen. „Wie schön, dass ihr hier seid! Ich halte schon seit Wochen die Augen nach euch offen! Wie geht es euch, Kind?“
„Mir geht es gut, Mümmey!“
Die so Angesprochene strahlte auf, kam heran und umarmte Aleney.
„Danke für die Nachfrage. Die Wege auf denen ich angereist bin, haben mir nicht allzu viel abverlangt. Ich freue mich auch dich zu sehen, Maélys.“ Aleney lachte weich auf, ließ die Frau sanft los und zwinkerte sich die aufsteigenden Tränen aus den Augen.
„Oh aber…! Lenchen wolltet ihr nicht Besuch mitbringen?“ fragte die ältere Dame gutmütig und nichtsahnend.
„Ich bin alleine gekommen.“
Maélys betrachtete sie eine Weile fragend, bis der Groschen endlich fiel. Kurz schien sie beklommen und auch etwas peinlich berührt, doch das versteckte sie eilends hinter eifrigem Geplapper:
„Ach! Ach! Euer Kommen versetzt uns schon genug in Aufregung! Vor Freude natürlich! Nun dann kommt, Lenchen. Ich soll euch sofort zu eurer Mutter bringen.“
Sie ging beschwingt voran und fuchtelte geschäftig mit der Hand.
„Prirel! Prirel! Komm her und nimm der Saera ihre Tasche ab und bring sie ins Haus!“
Eilends kam ein junger Mann heran und Aleney überließ ihm ihr Gepäck.
„Ach und sag in der Küche Bescheid!“

Gemeinsam mit „Mümmey“ ging sie über die heruntergelassene Zugbrücke, durch den mit weißem Kies aufgeschütteten Innenhof, in dessen Mitte ein kleiner Brunnen lustig vor sich hin plätscherte. Im großzügig gestalteten Eingangsbereich, die Schuhe auf poliertem Marmor schallend, deutete Aleneys ehemalige Kinderfrau ihr dann einzuhalten.
„Nur einen Moment Geduld. Ich hole eure Eltern. Sie wollten euch sofort sehen! Ich eile!“
Und damit ließ Maélys Aleney alleine im Foyer und tippelte geschwind davon - eine breite, gewundene Treppe empor.
Aleney seufzte leise. Vorfreude vermischt mit Aufregung drehte sich in ihrem Magen. Sie trat an eine Kommode heran, die von dunklem, edlem Holz war und griff vorsichtig eine silberne Ritterstatuette. Sie kannte sie noch aus ihrer Kindheit und musste lächeln.
Und schon kurz nachdem sich Aleneys ehemalige Kinderfrau entfernt hatte, erschienen Aelir und Celeste Falkenwinter am oberen Ende der Treppe – Aleney stellte rasch die Statuette wieder ab.

Beide waren von hohem Wuchs, was die aufrechte Haltung bestärkte. Der grauhaarige Mann mit Bart führte seine Frau am linken Arm die Treppe herab. Celeste Falkenwinter, in einem ausladenden Kleid, hatte hellbraunes Haar das kunstvoll zurückgesteckt und aufwändig frisiert worden war.
Aleney spannte sich leicht an, tat einen Schritt voran. „Mutter. Vater.“
Und damit waren bei ihrer Mutter Celeste alle Dämme gebrochen. Die letzten Stufen flog sie förmlich herab und Mutter und Tochter lagen sich nur wenige Augenblicke später innig in den Armen.
„Mein Kind. Mein Kind. Meine Tochter.“ murmelte Celeste und küsste den blonden Schopf, während Aelir sich den beiden näherte, einen Arm um den Rücken seiner Frau legte und Aleney sanft die Wange umfasste.
Vor Rührung versagte dem ernsthaften Mann die Stimme und so schwieg er.
Auch er küsste sie, hielt sie einen Moment im Arm und konnte sich kaum an ihr satt sehen, brachte aber noch immer kein Wort hervor.
Aleney wischte sich die Tränen von den Wangen fort, als sie sich behutsam aus der Umarmung löste. „Ich bin so glücklich euch zu sehen…“

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Zuletzt geändert von Ceitidh am So 26. Apr 2015, 22:45, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Ein Besuch in der Heimat
BeitragVerfasst: So 26. Apr 2015, 22:29 
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Wenig später saßen sie gemeinsam im Speisesaal. Nach einem guten Essen und der allgemeinen Unterhaltung über Anreise, Wetter und dem was die Familienmitglieder so trieben, führte Aelir das Gespräch behutsam aber doch merklich gezielt zu dem Umstand, dass Aleney alleine zu Besuch gekommen war – ohne die angekündigte Begleitung von Jerem Gard.
Aleney reagierte beherrscht und erzählte nicht ganz glücklich aber ohne zu viel von den aufwühlenden Zehntage Preis zu geben, die hinter ihr lagen.

„Unsere Wege führten uns einfach auseinander…“ endete sie schließlich.
„Der Weg der Erwählung, den du beschreitest ist oft einsam. Jemanden zu finden, der bereit ist ihn kompromisslos mit zu gehen ist eine Seltenheit.“
„Sir Tren hatte auch eine Familie…“
„Sir Tren war auch ein Mann“, wandte Aelir ein.
Celestes hellbraune Augen funkelten warnend auf und Aleney sah ihren Vater mit wachsender Entrüstung in der Miene an.
Er beeilte sich dem entgegen zu wirken:
„Frauen sind klug, geschmeidig und tatsächlich sind sie einfach fähiger sich an schwierige Umstände anzupassen. Sie sind willensstärker“ erklärte er, ehe der Zorn seiner beiden Damen weiter anschwellen konnte - mit mäßigem Erfolg.
„Einer Frau fällt es leichter oder sie ist einfach besser darin sich an den Weg ihres Mannes anzupassen. Was ich eigentlich nur sagen will: Männer wollen ihre eigene Sache durchbringen. Mit allen Mitteln. Etwas Eigenes schaffen… am besten mit den eigenen Händen. Gerade so junge Männer wie Jerem wollen sich dadurch…“
Aleney unterbrach ihn harsch: „Dann hätte ich meinen Weg ja auch aufgeben können, so als anpassungsfähige, geschmeidige, willensstarke Frau die ich bin, ja? Oder willst du mir sagen es sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, da ich einen Pfad beschreite von dem ich, als Frau, nicht abweichen werde? Oder war ich einfach zu töricht um es zu sehen und um zu akzeptieren, dass Jerem seine eigenen Ziele verfolgt? War ich einfach nicht willens genug das zu erkennen, ja?
Vielleicht wäre ich mit ihm auf seinem Weg gegangen!
Vielleicht wäre ich ihm bis in die Hölle gefolgt!“
Oh, ihre Eltern wollten nicht wissen, dass sie von mehr als einer Floskel sprach, wenn sie dies sagte.
„Aber ich bin es nicht. Und nicht nur aus dem Grund, dass ich eine Paladin und Erwählte bin. Ich höre stets meine Erwählung sei Grund und Erklärung für alles in meinem Leben! Aber das ist sie nicht. Nicht hier. Darum hör schon auf sie mir als solches zu servieren, Vater!“
„Gewisse Dinge sind dir vorgezeichnet und so ist es nun einmal, Aleney.“
„JA! Ja das weiß ich! Ja das höre ich immer und immer wieder! Aber war das auch vorgezeichnet? Dass ich mich verliebe und wir – er und ich - bald darauf ohnehin nicht mehr zusammen sein können? Dass er mir das Herz bricht als wäre es ein trockenes Blatt in seiner Faust? Sodann frage ich mich wer der Künstler sein soll, der mir so etwas vorgezeichnet hat? Es muss ein betrunkener Kobold gewesen sein! Oder ein besonderer Sadist mit Freude daran mich über die wirren Linien stolpern zu sehen! Keinesfalls aber der Platindrache. Oh, wenn ich’s nicht besser wüsste würde ich…“
„Du weißt es aber besser. Darum rede nicht so zweiflerisch daher.“
„Ich zweifle nicht – wie könnte ich denn je zweifeln? – ich bin wütend, Vater!“
„Genug.“ Aelir erhob sich. „Ich wollte dich nicht erzürnen, Aleney. Es tut mir Leid. Nun lass uns das Thema begraben ehe es uns das Wiedersehen vergrämt. Komm mit – ich habe noch etwas für dich. Ich will es dir zeigen.“ Er wartete ihre Antwort nicht ab sondern durchquerte langsam den Speisesaal, an dessen Ende eine zweiflüglige, große Tür in den hinteren, privaten Garten führte. Celeste lächelte besänftigend und nickte Aleney zu. „Geh schon.“
Daraufhin erhob sich die junge Frau ebenfalls, den neu entflammten Schmerz und Zorn hinunter würgend.
Doch sie folgte ihm.

Die schrillen aber ihr vertrauten Rufe der Greifvögel ihres Vaters erfüllten den Garten, als sie sich den prächtigen Volieren näherten.
Drei große Gehege an der Zahl waren es, in deren hinteren Bereichen den Vögeln Rückzugmöglichkeiten wie Nischen, knorrigen Baumstämme oder Wandvorsprünge geboten waren.
Die großen weißen Gerfalken spannten die Flügel und rissen die Schnäbel auf als sich Aelir näherte. Sie waren geprägt auf ihren Herren und erwartungsvoll aufmerksam wann immer er kam.
Seine Tochter folgte langsam und betrachtete die imposanten Tiere.
Doch Aelir passierte die größeren Voliere und ging zu der hintersten, die meist für die Nestlinge oder Jungtiere genutzt wurde.

Auf einem großen Geäst saßen zwei junge Turmfalken. Einer davon hatte eine graue Kopffärbung und ebenso hellgraues Schwanzgefieder – was ihn als Männchen auswies. Er verfügte über schönes rotbraunes Gefieder, schwarz umrandete Federn und gefleckt bedeckte Flügel und Rücken.
Der andere Turmfalke war von einem warmen, hellen sandbraun mit den typischen schwarzen Akzentuierungen versehen: ein Weibchen.
Das Männchen drehte den Kopf schräg und blickte Aleney aus tiefschwarzen, reglosen Augen an während das Weibchen mit dem gelben Schnabel klackerte und die Flügel warf.
“Noch keine drei Ritte alt. Was sagst du?”
“Sie sind wunderschön…”
“Am schönsten sind sie im Flug in der Luft. Schlank, schnell, kraftvoll und stolz… wie du.”
Ihr Vater lächelte. “Sie gehören dir.”
“Alle beide?”
“Einer war für … jemand anderen gedacht... aber ich sehe ihn lieber in deinen Händen. Und ich finde sie sollten zusammen sein.”
Aleney schwieg und hatte verstanden. Er hätte Jerem gehören sollen.
Die Augen ruhten blicklos auf den beiden Tieren.
„Er… hätte sich sehr gefreut.“
“Komm her.”
Aelir legte liebevoll den Arm um den Rücken seiner Jüngsten und küsste ihr sanft auf das seidige Haar.
“Hast du Möglichkeiten sie bei dir zu behalten?”
“Ich werde eine finden…” sie lächelte sacht.
Ihre Namen sollten sein:
Jaromir und Akadi
Der Jäger und die Herrin der Winde.

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 Betreff des Beitrags: Re: Ein Besuch in der Heimat
BeitragVerfasst: Do 2. Jul 2015, 12:25 
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Auch Tage nach dem unerwarteten Besuch von Jerem Gard, war genau dieser das Thema des alltäglichen Getratsches auf dem Gut Falkenwinter:

"Halt den Mund!" zischte sie verärgert. "Es steht dir nicht zu, so daher zu reden!"
"Erst fängst du damit an und willst mir dann den Mund verbieten?! Ich bin nun einmal der Meinung, dass mit dem Kerl was nicht stimmt."
"Du bist nur eifersüchtig."
"Eifersüchtig?!"
"Sicher. Ich hab schon gesehen, wie du die Comtesse angeglotzt hast, als sie das letzte Mal hier war."
Der junge Mann verdrehte genervt die Augen.
"Dann ist Zacharias wohl auch eifersüchtig, eh? Der teilt nämlich meine Meinung, falls du’s noch nicht weißt, du dumme Gans. Geh hin und frag ihn, wenn du’s nicht glaubst."
Sie zwickte ihn grob in die Seite.
"AU!" er zuckte zusammen und die Bürste fiel ihm aus der Hand, mit der er gerade das Pferd vor sich striegelte.
"Das war für die dumme Gans, Blödmann", fauchte sie und ging mit energischen Schritten beleidigt davon.
Der Stallbursche bückte sich zornig nach dem Striegel.
"Träum doch weiter von deinem schmalzigen Kitsch! DUMME GANS!" schrie er ihr nach. Sie warf ihm einen giftigen Blick über die Schulter zu.
"Bescheuertes Weibsbild" knurrte er, rieb sich die schmerzende Stelle und bürstete schlechtgelaunt weiter über das Fell des Tieres.

**************************

"Und?" flüsterte Sina verschwörerisch.
"Was, und?"
"Hat er um ihre Hand angehalten?"
Wilrida schmunzelte und sah die deutlich jüngere Frau mit schelmisch funkelnden Blick an.
"Du weißt schon, dass er nicht von Stand ist…?"
"Ja, sicher…"
"Du weißt auch, dass die hohen Herrschaften noch gar keine Gelegenheit hatten mit Aleney selbst zu sprechen?"
"Jaaa…."
"Also? Glaubst du ernsthaft deswegen kam er her? Glaubst du er hätte irgendetwas in die Waagschale werfen können, dass der Graf ihm mir-nichts-dir-nichts seine Tochter verspricht?"
"Kannst du mir nicht einfach die Frage beantworten, herrgottnochmal!" Sina wurde rot vor Ärger und Scham.
"Ich weiß doch auch nicht mehr als du, Kindchen!" gluckste Wilrida versöhnlich, nachdem sie die Jüngere so leicht aufziehen konnte und fuhr fort: "Aber wenn du mich fragst: Nein, hat er nicht." sie schlug Sina an die Schulter und lachte auf. "Das wäre auch reichlich dämlich gewesen. Der hohe Herr hätte niemals zugestimmt."
Sina blickte nachdenklich drein, schrubbte dann wieder energischer mit dem Wäschestück über das Waschbrett und begann nach einer Weile zu kichern.
"Wenn der junge Silmerhelve davon erfährt, dass jemand – ein Mann! - wegen Aleney hier war…"
"Hör mir mit dem auf." Wilrida verzog das Gesicht. "Er versteht es einfach nicht. Sie hat nicht einmal den Funken Interesse ihn zu sehen, obwohl sie hier war und er sich unbedingt mit ihr treffen wollte. Nicht, dass ihr das nicht gefallen würde, was sie sehen könnte. Aber… ich meine… wie sehr soll sie ihm die kalte Schulter noch zeigen?"
"Ich schätze der Graf wird das Werben von Teskon jetzt unterbinden, nachdem er Jerem Gard kennen gelernt hat. Oder was …"
"Was hör ich hier für ein Getratsche?!"
Die beiden Waschweiber fuhren zusammen. Maélys war unbemerkt und langsam hinzugetreten und hatte gerade die letzten Worte noch mitgehört. Verärgert stemmte sie die Hände in die Hüften.
"Ich verbitte es mir, dass ihr hier anfangt Gerüchte in die Welt zu setzen. Euch scheint wohl die Sonne zu heiß auf die Haube? Schämt euch!"
Von Scham aber keine Spur.
"Aaah, Maélys! Du weißt sicher mehr als wir! Los komm…! Setz dich her. Erzähl uns was du weißt!" Sina richtete sich begeistert auf und wischte sich über die Stirn.
"Gar nichts weiß ich."
Die junge Frau drückte schmollend die Lippen aufeinander.
"Wohl weißt du etwas. Du hast ja mit ihm selbst gesprochen!"
"Ich weiß zum Beispiel gar nichts von einem Teskon Silmerhelve. Den habe ich schon seit einigen Monden nicht mehr hier gesehen - und dennoch war mir, als wäre gerade sein Name gefallen…?" gab sich Maélys gespielt nachdenklich und brachte ihre Verärgerung mit Ironie zum Ausdruck.
Ertappt wich Sina ihrem Blick aus. Wilrida scheuerte schon wieder fleißig weiter im Waschbottich.
"Ruhe jetzt mit dem Geschnatter! Macht eure Arbeit!" forderte Maélys und marschierte über den sommerlichen Innenhof und über die Wiese davon.

**************************

"Der Whisky ist gut!"
"Ja?"
Aelir nickte und betrachtete die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas.
"Er hat einen vollen, holzigen Geschmack. Dir wird er zu herb sein – oder willst du davon versuchen?"
Anbietend reichte er ihr das Glas, doch als sie dankend ablehnte nahm er selbst wieder einen Schluck.
"Die Gerfalken haben ihn kein Stück eingeschüchtert. Ich sag' dir, der hätte auch ein Händchen für die Tiere."
Celeste warf einen kurzen, prüfenden Blick zu ihrem Gatten. Das Schmunzeln das um ihre Lippen strich bemüht verbergend. Sie wusste, dass es ihm unangenehm wäre mit welcher Genugtuung sie ihn beobachtete, wie er das vergangene Treffen immer wieder zur Sprache brachte. Zwar verhielt er sich gewohnt zurückhaltend – doch wenn Aelir Falkenwinter ein Thema für mehr als einmal erwähnenswert hielt, war das schon ein Zeichen seiner erhöhten Aufmerksamkeit.
Hat ihn der Bursche etwa beeindruckt?
"Du hörst dich schon wesentlich versöhnter an als noch vor ein paar Tagen" bemerkte sie hintergründig.
Sofort nahm Aelirs Miene wieder eine ruhige Strenge an und er fixierte die Flüssigkeit im Glas mit einem ebensolchen Schraubstock-Blick, wie er es auch mit Jerem selbst getan hatte.
"Es war anständig von ihm, herzukommen. Und ich habe seine Entschuldigung angenommen. Versöhnt bin ich erst, wenn mir Aleney bestätigen kann, was er vor uns versprochen hat."
Celeste schnalzte leise mit der Zunge und seufzte – nach einem kurzen Moment, brach sie das Schweigen erneut.
"Ich habe mir überlegt die beiden zum Sommerfest von Graf Tesper einzuladen."
Aelirs Blick schnellte zu ihr. "Die beiden? Aleney und Jerem?"
"Von wem sprachen wir denn gerade? Aber ja, die beiden! Jerem hat so etwas ganz gewiss noch nie zu Gesicht bekommen und Aleney täte es ebenfalls gut sich wieder in den gesellschaftlichen Dingen und auf dem Tanzparkett zu üben. Wann bietet sich schon in Rivin die Gelegenheit ein solches Fest zu besuchen? Die Stadt kämpft gegen alle möglichen Gefahren – da tauscht man Rüstung nicht gegen Kleid, Schwert nicht gegen Fächer und da steht doch niemanden der Sinn nach rauschenden Festen. Tespers Bälle sind ganz außergewöhnlich und es wäre doch eine schöne Gelegenheit für unsere Söhne Jerem auch noch kennen zu lernen!"
Aelir schnaufte etwas energischer aus.
"Ich weiß schon, dir geben diese Feste nichts – aber wir sollten uns ohnehin dort blicken lassen – warum dann nicht in Begleitung unserer Tochter und Jerem Gards?"
"Ich würde lieber mit ihnen auf die Jagd gehen. Das wäre mehr in ihrem Sinne, da bin ich mir sicher."
Celeste verzog ein wenig spöttelnd den Mund. "Woher… willst du das wissen?"

**************************

Nach außen hin hüllten sich Aelir und Celeste in Schweigen, was sich genau abgespielt hatte und mit welchem Eindruck sie das Aufeinandertreffen hinter sich gelassen hatten.
Doch bald schon schickten sie einen Brief auf den Weg nach Rivin zu ihrer jüngsten Tochter.

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 Betreff des Beitrags: Re: Ein Besuch in der Heimat
BeitragVerfasst: Mo 1. Feb 2016, 22:19 
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((die folgenden Posts sind in gegenseitigem Zuspielen mit Kay entstanden – drum ist der Lesefluss vielleicht stellenweise nicht ganz so reibungslos - obwohl ich versucht habe es möglichst passend zusammen zu fügen und teils umzuformulieren, so dass es für den Leser hoffentlich angenehm ist. Kay - vielen Dank für’s Mitmachen! Ich hatte echt extrem viel Spaß daran ^^))

Als Aleney wach wurde, oder vielmehr, als sie entschied, dass es an der Zeit war aufzustehen, hatten sie gerade erst ein paar Stündchen die Augen zugemacht.
Oder es zumindest versucht.
Denn in Gedanken war Aleney immer und immer wieder ihren Besuch in Tiefwasser durchgegangen.
Es sollte das erste Mal sein, dass Aleney mit Jerem gemeinsam ihren Eltern die Aufwartung machte.
Es wäre überhaupt das erste Mal, dass es für Aleney einen jungen Mann gab, den man den Eltern vorstellen wollte. Und dann gleich mit der Tür ins Haus fallen – oder warten, bis ihre Brüder möglicherweise eingetroffen wären? Und wie, sollte man das dann sagen?
Wir haben uns verlobt!
Wir werden heiraten!
Ich habe Jerem gefragt ob, … nein, nein. So auf keinen Fall. DAS würde ihrem Vater nicht gefallen.

Aleney runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf und linste an den Holzbalken der Decke, in den Jerem einst ihren Namen eingeritzt hatte.
Und Ringe? Wir haben überhaupt keine Ringe!
Sie hob die Hand, führte sie vor ihre Augen und betrachtete die langen, schlanken und völlig ungeschmückten Finger.
Frustriert ließ sie sie wieder sinken.
GAR KEIN Symbol für dieses Versprechen, das eine Verlobung nun mal entscheidend ausmachte.
Mist. Das würde Mutter sofort auffallen.
Dann musste das Geschenk eben umso besser sein...
Hoffentlich fänden sie auf dem Markt etwas Hübsches für ihre Mutter…
Blumen wären ja, selbst in Tiefwasser, nicht einfach zu bekommen in dieser Jahreszeit… obwohl Blumen für so eine Verlobung doch am angebrachtesten waren – oder? Zumindest läge man damit gewiss nicht falsch…
Was sollte sie eigentlich anziehen? Ihr Rüstzeug? Ein Kleid?

Siedendheiß fiel ihr ein, dass sie die Kleider die sie besaß schon seit Monden nicht mehr aus der Truhe geholt hatte und sie völlig zerknittert oder im schlimmsten Falle sogar muffig wären!
Also kein Kleid!
Und so kreisten die Gedanken und kreisten.
Bis sie es nicht mehr aushielt…
Sie beugte sich zu Jerem hinüber, küsste ihn zärtlich wach.
"Wir sollten uns anschicken! Nicht, dass Flinn ohne uns aufbricht."
Und schon warf sie die Decke zurück, zog sie ungnädig auch von Jerem herunter, sodass ihm die kalte Morgenluft keine Chance für Müdigkeit ließ und sprang förmlich aus dem Bett.
"Los los!"
Sie war ziemlich aufgekratzt.
Das zeigte sich auch, als sie sich ankleidete und sich das Haar machte.
Scheinbar nie zufrieden dröselte sie ihre Frisur immer wieder auf, kämmte sie von neuem, flocht sie zum wiederholten Male und warf abermals einen prüfenden Blick in den Spiegel.
Doch schließlich und endlich war sie soweit und sie konnten sich auf den Weg zu Flinn begeben.

*******

Müde und Unverständliches murrend hatte Jerem versucht das Aufstehen hinaus zu zögern. Doch gegen Aleney hatten seine Bemühungen wenige Chancen. So zwang er sich schließlich aufzustehen. Dann jedoch starrte er auf seine Kleidung. Die schwarze Tunika mit den Silberfäden war schön - keine Frage. Aber wo hatte er sie zuletzt hingelegt...? Und auch sie war in keinster Weise vorbereitet zu tragen. Aber seine Lederrüstung wäre wohl kaum das Richtige - dazu hätte er sie gründlichst säubern müssen, was er natürlcih ebenfalls nicht vorbereitet hatte.

Überrascht betrachtete er wie Aleney ihr Rüstzeug wählte und warf schließlich ein:
"Lass uns... in Tiefwasser etwas zum anziehen kaufen. Da gibt es Tuniken... und sicher auch Kleider. Es sei denn du willst, dass du in Platte und ich in Stoff auftauche."
Letzteres sprach er mit einem schwachen Grinsen, das noch immer deutlich seine Müdigkeit widerspiegelte.

Sie wählte natürlich gar nicht das schwere Rüstzeug sondern lediglich den leichten Waffenrock.
Dennoch hielt Aleney bei Jerems Worten inne… blickte einmal an sich, dann an ihm herab und rasch stimmte sie dem Vorschlag zu, sich auf dem Markt von Tiefwasser noch etwas Passendes zu suchen.

Nachdem sich auch Jerem behelfsmäßig angekleidet, gekämmt und fertig gemacht hatte und sie schon kurz vor Aufbruch waren, stockte er jedoch schockiert und wandte sich wieder herum. Es vergingen einige langwierige Momente, bis Jerem die teure Weinflasche aus dem Segel wieder fand und auch in seinen Händen hielt um sie mitzunehmen.
Erleichterung um den Fund lag ihm ins Gesicht geschrieben und vertrieb für kurze Zeit die anhaltende Schläfrigkeit.

Jerems hektische Suche nach der Weinflasche unterstützte Aleney natürlich nach Kräften, auch wenn sie dabei kurzzeitig ihre emotionale Impulsivität verfluchte, die sie immer wieder zu derlei spontanen Entscheidungen verführte.
Nicht, weil sie im Prinzip nicht genau das wollte, was sie soeben in Angriff nahmen – nur… so unvorbereitet?! Das passte doch eigentlich ganz und gar nicht zu ihr!
So war es nun aber eben. Und von ihrem Entschluss abzurücken war sie auch nicht mehr bereit. Zu groß waren der Drang und die Vorfreude ihre Familie endlich einzuweihen in die Zukunftspläne die man hegte und die ungeachtet der jüngsten Ereignisse noch immer ihr größter Wunsch waren.

Immerhin... dachte Jerem ... können wir etwas auf der Kutschfahrt zum Anwesen schlafen.
Dass ihm dann jedoch sein vor Nervosität rasendes Herz einen Strich durch die Rechnung machen würde, daran dachte er zu diesem Zeitpunkt nicht.

Schließlich standen sie beide vor Flinns Anwesen.
Aleney schien ein wenig überdreht, ungewohnt viel und leichtfertig plappernd – und Jerem, der den Onkel aus viel zu müden Augen begrüßte – was für Flinn einen absolut bekannten Anblick abgab - stand grinselnd neben ihr…
So also, hatten die beiden vor nach Tiefwasser zu reisen…

**********

Tiefwassers morgendlicher Himmel zeigte sich klar und strahlend. Die Stadt selbst lag unter einer beachtlichen Schneeschicht.
Aus der Vogelperspektive ein wunderschöner Anblick auf den Dächern, Türmen und Zinnen – aus der Nähe betrachtet sah es auf den Straßen schon wieder anders aus.
Diese waren voll von niedergetrampeltem Schneematsch. Bräunlich, schmutzig und unansehnlich - das aufgeschüttete Stroh brachte nur kläglich ein wenig Trockenheit und Trittsicherheit – doch immerhin war die Luft nicht ganz so klirrend kalt wie in Rivin derzeit.
Dem Getümmel auf dem Marktplatz tat das keinen Abbruch.
Er war keineswegs weniger besucht als im Sommer!
Es herrschte reges Treiben, die Geschäfte florierten ganz offensichtlich.
Ein solches Gedränge und einen solchen Tumult wie auf dem Markt in Tiefwasser, konnte man derart wohl wahrlich nur in vergleichbar großen Metropolen finden.
Allenthalben waren Marktstände aufgebaut, die mit duftenden Leckereien lockten. Glüh- und Gewürzwein, gebrannte Mandeln, fettige Bratwürste…
Der Platz war gigantisch und man konnte den Eindruck haben, nicht einmal im Traum auch nur einen Fuß darauf setzen zu können ohne, dass er aus allen Nähten platzen müsste.
Aleney aber kannte das Gewühl, das hier herrschte und stürzte sich kühn in die geballte Menge – Jerem an der Hand mit sich ziehend.
Die Verkäufer schrien sich die Seele aus dem Leib, die Käufer und zeternden Weiber beinahe noch mehr, Tiere blökten, verlorengegangene Kinder heulten.
Zwergenhandwerker hämmerten verbissen auf Bleche und wenn sie damit aufhörten um sich mit Glühwein zu betrinken, stießen sie unflätige Flüche aus.
Von mehreren Stellen des Platzes ertönten Pfeifen, Schalmeien, Trommeln – anscheinend spielten da Vaganten und Spielleute auf.
Zu allem Überfluss blies irgendjemand in der Mitte des Getümmels eine lauttönende Messingposaune – der Spieler war unverkennbar kein Musiker.
Hier und da schlichen auch Leute durch die Menge, die verdächtig subtil nach nachlässig beaufsichtigten Goldbörsen und Gürteln lugten und gelegentlich auch lange Finger zu machen versuchten.
Und dann begann das eigentliche Kunststück. Unter all dem Gewirr und diesem beiahe erschlagenden Eindruck Tiefwassers, ein Schmuckstück oder Kleinod zu finden, das einer Gräfin von Falkenwinter angemessen war...

Irgendwann verabschiedete man sich wohl von Flinn, der seinen eigenen Geschäften nachgehen musste und vereinbarte Zeit und Treffpunkt für die Heimreise am Ende dieses Tages.

Zugegeben ließ sich Aleney auch ein wenig ablenken und begeistern – hier war ein Halbelfenpaar, das wunderschön gefertigte Puppen verkaufte, dort kauerten Halblinge die verzierte Weinschläuche fertigten und feilboten. Bei dem Halbelfenpaar betrachtete Aleney auffallend lange und abwägend wunderschön gearbeitete Blumen aus Seide, Draht und Perlenstickereien die schimmernde Wassertropfen auf den Blüten darstellen sollten.
Anderswo zeigte ein mürrischer Gnom seine Erzeugnisse aus Jade und Edelsteinen zum Bestaunen.
Mit Interesse und Kennerblick blieb Aleney auch an dem einen oder anderen Waffenstand hängen.
"Hmmm!" schnupperte sie dann mit einem Mal in die Luft. "Riechst du das?“
"Zimtkrapfen! Die habe ich als Kind immer gegessen! Los komm, wir holen uns welche!"
Und so kam Jerem wohl nicht umhin seiner Liebsten einen oder zwei dieser Krapfen zu spendieren – sie bestand natürlich darauf, dass er sie auch kosten müsste.
Dafür wirkte diese Nascherei wie ein geheimes Wundermittel. Zwangsläufig hellte sich die Stimmung, das Gewusel und Gewirr war bei Weitem nicht mehr so anstrengend und man konnte fast Gefallen am pulsierenden Leben Tiefwassers finden – wenn man es nicht ohnehin hatte.
Sie kamen auch an einer Tribüne vorüber, von der ein Priester herunterwetterte und einschüchternde Drohungen herab rief. Offensichtlich war er ein Priester der Unglücksmaid Beshaba.
Aleney belächelte den Dickwanst, vorgerückten Alters, der theatralisch predigte:
"Ich beschwöre euch, fürchtet die Dame der Zerstörung! So erschreckend schön, wird sie über uns kommen und allen, die sie nicht würdigen das Unglück bringen, das die Welt ins Leid stürzen wird! Fürchtet sie! Und spendet eure Gebete, ein paar Münzen, ihr gottesfürchtigen Leute, auf dass ihr und die euren verschont bleiben mögen! Verschont vor ihrer wunderschönen aber gnadenlosen Herrlichkeit! Und glaubet nicht den Jüngern, die euch mit falschen Hoffnungen fehlleiten wollen! Erfleht sie weder um Rat noch um Hilfe, lasst euch nicht täuschen vom schönen Gewand oder der geschliffenen Rede! Lasst euch nicht irreführen, denn wahrlich ich sage euch! Geweißte Gräber sind sie, von außen schön anzusehen, doch im Inneren nichts als Fäulnis und morsche Knochen!"
"Diese fanatischen Dummköpfe." murmelte Aleney, während sie sich die Finger vom Zucker und Zimtstaub ableckte.
"Schaut ihn euch an!" rief eine Frau mit einem Korb Rüben am Arm. "Da steht er, der Dummkopf, der Wanst hängt ihm über den Gürtel und kahl ist er, wie ein Ei! Neidisch ist er auf die Götter, die ihre Gesandten für uns zum Guten anhalten! Nichts als Neid!"
Aleney zog Jerem sanft am Ärmel und sie tauchten wieder ein in den Tumult der Stadt – endlich erinnerte sie sich auch wieder daran, dass es für sie neue Kleider und für die Mutter ein Geschenk zu finden gab und so führte sie Jerem in die sogenannte "Schneidergasse" in der, wie der Name verheißungsvoll versprach, sich einige Geschäfte fanden die sich allesamt mit dem Thema "Mode, Garderobe und Stoffherstellung" beschäftigten.
Da sah man allerlei Exzentrisches – Mode, die offensichtlich ihrer Zeit voraus war und für die Aleney doch ein wenig das Verständnis fehlte.
Drum wählte sie ein Geschäft, das schlicht wirkte. Ein Schild pendelte an der Hausmauer, darauf eine Schere, Garnrolle und Nadel und die Worte "Der rote Faden".
Sie wurden auch sogleich bedient. Eine hübsche und sehr höfliche Frau nahm sich auch sofort Aleney an, während Jerem das Vergnügen hatte den beiden zuzusehen.
Es wurde Maß genommen, beratschlagt, anprobiert… und schließlich entschied sich Aleney für ein nachtblaues Kleid aus Samt, mit einer kleinen Schleppe, die sich mit einem Knopf aber auch befestigen ließ um sie vor den nassen Straßen zu retten.
Nicht ohne allerdings ein wenig prüfend Jerems Reaktion und Meinung zu beobachten, sofern er dem Geschehen denn lange genug Aufmerksamkeit schenkte.
Das Kleid war ausgesprochen einfach - was nicht hieß, dass es billig war -, aber der fließende, schwere Stoff und der raffinierte Schnitt wussten sehr genau Aleneys Vorzüge geschmackvoll und elegant zu unterstreichen.
Und dann war er an der Reihe…

**********

"Tiefwasser" sprach Jerem mit stiller Erhabenheit, während er die großen Bauten und den beeindruckenden, so lebendigen Markt beschaute. Er war bisher einmal hier gewesen und hatte sich nicht wirklich Zeit genommen viel zu sehen. Doch an diesem Tag, würde es anders werden.

Zu Anfang schien der Markt Jerem zu erschlagen und so ließ er sich, vollkommen widerstandslos, von Aleney durch jenen leiten und ziehen. Nach einem Moment der Starre, des Einsaugens all dieser Eindrücke begann er sich langsam zu besinnen. Vielleicht war es auch der flüchtige Blick in die Augen eines jugendlichen Beutelschneiders, der sich dem Gurt eines abgelenkten Pärchens näherte, der Jerem aufweckte. Zwar wendete er den Blick ab - den jungen Glaubensbruder auffliegen zu lassen, war nicht sein Ziel - doch machte er sich bewusster, dass auch er und Aleney auf sich achten mussten. Dass dieser Ort, so wundersam mit all seinen Eindrücken er doch war, auch Gefahren in sich trug.

Die Puppen des Halbelfenpaares betrachtete Jerem mit mäßigem Interesse, obschon der Blick von Aleney auf jene seidene Blumen ihn aufmerken ließen. Wie würden jene wohl an ihr aussehen...? Doch da weckte ein naher Stand seine Aufmerksamkeit. Ein Händler aus Caer Callidyrr preiste einen edlen Tropfen aus seiner Heimat an und Jerem kam nicht umhin sich die Auswahl an Flaschen genauer anzusehen. Aleney zog ihn gerade rechtzeitig fort, ehe der Händler ihn zu einer ausgiebigen Probe seiner alkoholischen Köstlichkeiten überzeugen konnte - natürlich bezahlt und mit der Sicherheit, auch entsprechende Flaschen mitzunehmen. Doch was war schon umsonst? Bei den Weinschläuchen schien er einen besonders Schönen und Farbenfrohen länger zu beäugen - nicht ohne anzumerken, dass dieser vielleicht etwas für Elena sei. Er wurde schlussendlich auch gekauft – man konnte ja nicht mit leeren Händen nach Rivin zurückkommen.

Darauf hingewiesen, lenkte Jerem der Geruch der Krapfen jedoch auch ab und bereitwillig ließ er sich von Aleney zum Ursprung jenes verführerischen Dufts führen.
So kaufte er ihnen beiden die Leckereien und schien sie ebenso zu genießen, wie es auch Aleney tat.
"In Rivin gab es früher auch einen größeren Markt" sprach er abgelenkt, während er erneut in einen der Krapfen biss. "Auch wenn der weitaus kleiner war, als dieser hier…"
Doch da weckte der Prediger Beshabas Jerems Aufmerksamkeit. Und im Gegensatz zu Aleney gehörte er tatsächlich zu den abergläubischen Gesellen, die dem Unglückspropheten wenige Münzen in die Spendenschale warfen, um Beshabas Aufmerksamkeit nicht zu provozieren. Er enthielt sich jedoch eines Kommentars nach der Münzenvergabe, als Aleney skeptisch eine Braue hob und beließ es dabei, sich mit einem Schmunzeln die Hände zu säubern.

In der Schneidergasse wirkte Jerem weit verlorener als auf dem Markt, auf dem er sich zuletzt doch sicherer bewegen konnte. Doch die Auslagen manch eines Ladens konnten ihm nichts außer Irritation entlocken – war da ein lebendiger Vogel in einen Hut eingearbeitet?! - in Rivin hielt man es offenbar etwas konservativer mit der Mode.
Umso erleichterter wirkte sein Blick, als sie das Geschäft "Der rote Faden" betraten. Zufrieden setzte er sich auf einen der Stühle und beobachtete die Damen zu Anfang noch mit regem Interesse. Bis jedoch die Wärme des Geschäftsinneren und das Sitzen auf dem Stuhl dazu führten, dass sich seine Augen mehr und mehr schlossen. Als Aleney schließlich mit ihrer Garderobe zufrieden war, durfte sie bemerken, dass Jerem scheinbar schlafend auf dem Stuhl eingesunken war. Auf das folgende Räuspern der Liebsten kämpften sich die Lider wieder hoch und nach einem Moment der Orientierungslosigkeit fand sein Blick auch seinen Anker wieder - und traf Aleney.

Das Lächeln auf seinen Lippen, das dann darauf erwuchs, verriet ihr seine Zustimmung zu ihrer Wahl und wie angetan er war, obschon hierbei fraglich schien, wie viel Aufmerksamkeit er dem Kleid wirklich geschenkt hatte...
Den Drang, nach dem Preis zu fragen widerstand er mit einem weiteren etwas gedrungeneren Lächeln. Als nun er an der Reihe schien, erhob er sich schwerfälliger als sonst - es lag ihm der kurze Schlaf noch in den Gliedern.
Doch immerhin half die Müdigkeit der geschickten Schneiderin ihn zurecht zu rücken um angemessen Maß nehmen zu können.
Nach einem Betrachten der Tuniken, schien Jerem recht schnell und sogar bestimmt nach etwas zu suchen. Es war etwas, das zu Aleneys Kleid passen – ihn aber nicht zu sehr einengen sollte.
Dabei hielt er an bewährten Schnittmustern fest, wie er sie schon immer gerne trug. Er schien nicht viel von 'Neuem' bei Kleidung für sich zu halten.
Etwas verschlafen merkte er jedoch an, dass er heute keinen "Würgekragen" tragen wolle, was ihm zweifellos einen ganz besonderen Blick der Schneiderin bescherte.

Zum Leidwesen der Schneiderin bestand er darauf, seinen seidenschwarzen Umhang zu tragen und wies jeden Versuch eines dunkelblauen oder etwas wärmeren Umhangs strikt ab. Letztlich wurden sie auch für Jerem fündig, nachdem er sich auch von Aleney ein wenig bereitwilliger beraten ließ.

********

Nach diesem Blick zu Jerem, sah die Schneiderin flüchtig hilfesuchend zu Aleney, als Jerem darauf bestand:
"Kein Würgekragen!"
"Er meint ein…" schaltete sie sich dann auch hilfreich ein und endlich hörte Jerem auch einmal, wie dieses Accessoire wirklich genannt wurde!
Der Name war allerdings recht komplex, vermutlich tethyrischen Ursprungs - und Jerems übermüdetes Hirn für so Unwichtiges nicht besonders aufnahmebereit, sodass er ihn gleich darauf wieder vergass – außerdem gelangte Jerem ohnehin zu dem Schluss, dass 'Würgekragen' einfach viel passender und einprägsamer war.
"Hast du eigentlich schon etwas für deine Mutter entdeckt?"
Auf Jerems Frage hin, nickte Aleney entschieden.
"Dort bei dem Zwergenschmied gibt es auch eine Glashütte – und wirklich schöne Weingläser! Ich dachte mir, das wäre ein schönes, ergänzendes Geschenk zum Wein?"
Gesagt, getan.

Und so standen Aleney und Jerem schließlich, ein paar Stunden später, adrett gekleidet, mit Wein und dem edlen Kistchen und der in Seide gebetteten Weingläser darin am Rande des Marktplatzes um in eine Mietkutsche zu steigen – wobei es eher ein Schlitten war. Denn anstatt Rädern, hatte man Kufen am Gefährt angebracht.
Ein schlichter Einspänner – aber immerhin mit gepolsterter Bank und – wie sich herausstellte – ordentlicher Federung, sodass ihnen beiden eine recht sanfte Fahrt beschieden war.

Wo Jerem nun hellwach und mit beginnender Nervosität saß, war es jetzt Aleney, bei der die Müdigkeit Überhand nahm und sich die sehr lange Nacht rächte.
Sie schmiegte sich an ihn und es dauerte auch nicht länger als wenige Momente, da sank ihr Kopf auf seine Schulter und sie schloss erschöpft die Augen.
Das sanfte Dahingleiten des Schlittens, die Stille und Wärme taten ihr Übriges um Aleney ins Reich des Schlafes zu bringen.
Die Fahrt, so hatte Jerem das Gefühl, zog sich länger, als das letzte Mal.
Vielleicht lag es an den winterlichen Verhältnissen, oder dem eigenem Zeitempfinden…?

Endlich wandelten sich die Häuserschluchten und Straßen in die vertraut wirkenden Ländereien die Jerem in Erinnerung behalten hatte. Und als der Schlitten anhielt, klopfte der Kutscher lautstark gegen das Dach – laut genug, dass selbst Aleney geweckt wurde.
"Sind wir schon da…?"
Müde rieb sie sich über die Augen und richtete sich auf – schien dann aber mit einem Mal hellwach.
"Du steigst als Erster aus und… hilfst mir heraus. Nicht vergessen: ich trage jetzt ein Kleid, damit bin ich eine völlig hilflose, auf die Aufmerksamkeit und Fürsorge eines Kavaliers angewiesene Dame!"
"Eine hilflose Dame...?" grinste Jerem, während er nun die Türe des Schlittens öffnete.
"Wir nehmen das Kleid mit nach Hause, nicht?"
Mit einem heiteren Lachen trat er schließlich hinaus, doch das Lachen ging im Staunen und dem Anblick des Ritterguts unter.
Erst nach einem Räuspern Aleneys löste sich Jerem wieder vom Anblick und half ihr aus der Kutsche zu steigen.
Ehe der Kutscher weiter fahren konnte, wandte sich Jerem an ihn.
Ein kurzes Zögern und dann sprach er in ungewöhnt steifem Ton.
"Helft uns bitte mit dem Gepäck."

Dem Kutscher erhielt gute Münze für seine Bereitschaft das zusammengepackte Rüstzeug beider Streiter, mitsamt dem schönen Weinschlauch, ins Haus zu tragen.
Kistchen und Flasche trug Jerem selbst im einen Arm, um Aleney seinen anderen anzubieten.

Das Rittergut Falkenwinter kannte Jerem inzwischen ja schon.
Doch das letzte Mal hatte er es im blühenden Frühjahr erblickt – dass auch der schneereiche Winter Tiefwassers seinen Reiz hatte, davon konnte er sich jetzt überzeugen.
Der Schnee verlieh dem Gut einen ganz besonderen Zauber des Märchenhaften.
Die die Wege säumenden Bäume waren bedeckt von in der Sonne glitzerndem Schnee und kleinen Eiszapfen, die auf den verschneiten Weiden schnaubenden Pferde frönten der weißen Pracht und das Wasser, das das winkelförmige Schloss umgab, bot eine spiegelglatte, schimmernde Eisfläche.
Selbst Aleney verschlug es für einen Moment die Sprache, als sie den Blick über das heimatliche Anwesen streifen ließ.
Hinter dem Gesindehaus hatte sie sich immer mit ihren Brüdern duelliert. Die ersten Gehversuche mit der Waffe.
In den Schatten der Weide dort, hatte sie sich oft gesetzt wenn sie allein sein wollte – oder Zwiesprache führte – mit einer Gottheit, die sie damals als Kind noch nicht verstanden, deren Namen sie noch nicht einmal gekannt hatte.
Und doch war der Drachenvater schon damals bei ihr.

Es lag nun nicht so sehr lange zurück, dass Aleney zuletzt hier war und doch…
Der Anblick, die hochkommenden Erinnerungen...

"Es ist wunderschön."
Rasch wischte sich Aleney mit dem Handrücken über die Augenwinkel.
Sie erinnerte sich der Mahnung ihrer Mutter, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war:
Eine hohe Dame weint nicht.
"Ja" flüsterte sie dann. "Ja, es ist wunderschön. Das Zuhause meiner Kindheit."

Neugierig, vielleicht auch aus Gewohnheit, senkte Jerem seinen Blick und betrachtete die Spuren im Schnee vor ihnen.
Als würde er nach weiteren Schlittenkufen, Stiefeln und ähnlichem Ausschau halten. "Bekommen deine Eltern zu dieser Zeit häufig Besuch?"
Spuren konnte Jerem da allerlei finden.
Vor allem zwischen den Gesindehäusern und dem Herrenhaus musste viel gewetzt werden. Bei den Pferdekoppeln natürlich auch – Pferdehufe, Schlittenspuren, Fußabdrücke. Jerem vermutete auch recht schnell, dass es hier ein paar Katzen geben musste.
Das war aber auch kein Wunder auf so einem Gut.
Die Katzen hielten die Mäuse fern vom Getreide – manchmal auch vom Haus.

Selbst ein wenig ratlos nach seiner Frage, hob Aleney die Schultern etwas an.
"Ich glaube nicht, dass sie hier draußen besonders viel Besuch empfangen. Es ist ja doch etwas abgelegen. Wir haben noch ein kleines Anwesen in der Stadt, das mein Vater nutzte, wenn er sich länger in Tiefwasser aufhalten musste... Wenn dann vermutlich eher dort."

Jerem blieb es nicht unbemerkt, dass Aleney sich gelegentlich nervös auf die Unterlippe biss und nicht so recht zu wissen schien, wohin mit ihren Händen.
Doch sie warf einen Blick zur Seite, lächelte ihn tapfer an und wusste mit einem Mal wohin mit den Händen, als sie zumindest eine sanft auf seinem Unterarm bettete, bevor sie wieder voran sah.
Er verlangsamte seine Schritte, ihren Blick und ihr Lächeln fangend, erwiderte er beides aufmunternd.
Trotz all seiner Bemühungen seine eigene Nervosität zu bannen, durschaute Aleney ihn natürlich doch.
"Alles wird gut, Aleney. Sie werden sich freuen dich zu sehen und sie werden sich auch über alles andere freuen." Die Worte waren eigentlich dazu gedacht, ihr Mut zu spenden – doch Jerem selbst schienen sie wie auswendig gelernte Phrasen. Mit einem Seufzen richtete er den Blick ebenfalls wieder nach vorn.
"Und falls nicht... ich bin ein guter Kundschafter. Wir entkommen deinem Vater selbst, wenn er eine gespannte Armbrust führt. Nur wenn er die Falken einsetzt, mache ich mir Sorgen."
…immerhin hatten sie keine Jagdhunde, dachte er, ohne diesen Gedanken auszusprechen.

Leise knirschte der Schnee unter ihren Schritten und einen Moment lang drückte Aleney Jerems Arm ein wenig fester, dankbar seinen zuversichtlichen Worten lauschend.
Ihr Blick schien dann auch wieder ein wenig zu erstarken. - Ja, sie war sich ihrer Sache sicher.

Unbehelligt überquerten sie das Gelände, während der Kutscher mit dem Gepäck direkt auf eines der Nebenhäuser zuhielt, in das er verschwand. Kurz darauf huschte von dort jemand zum Haupthaus hin und noch ehe Aleney und Jerem die kleine Zugbrücke überquert hatten, kam Maélys aus der großen, zweiflügligen Türe im Innenhof heraus.
Entgeistert sah sie ihnen entgegen, die Hand vor den Mund geschlagen, dann kam sie mit rauschenden Röcken, heftig gestikulierend näher.
"Aleney! Herr Gard! Was tut ihr denn hier?!"

Es gab ein großes Hallo.
Maélys war gewohnt herzlich und vor lauter Überraschung ganz zerstreut – es ging überraschend unprätentiös zu. Ganz im Gegensatz zum letzten Mal als Jerem hier war, ersparte man ihnen einen Großteil der etwas steifen Begrüßungszeremonien.
Selbst der Vogt, Zacherias, kam eiligst daher um Jerem und Aleney zu begrüßen.
Er schmunzelte in seinen Schnauzbart und setzte sich sogar mit ihnen an den Tisch des kleinen Salons, in dem Jerem auch das erste Mal auf Aleneys Eltern getroffen war. Natürlich wollte man sofort den Grund ihres Überraschungsbesuchs erfahren aber Aleney hielt sich bedeckt.
Zuerst sollte es die Familie erfahren.

Nicht nur das Gesinde war von ihrer Ankunft überrumpelt. Mit soviel 'Chaos' hatte Jerem nicht gerechnet. Er war es schlicht nicht gewohnt, dass so viele Bedienstete um ihn herum schwirrten, dass ein solcher Besuch solche - wenn auch willkommene - Wellen schlug. Und so hielt er sich gerade zu Anfang zurück, damit man ihm nicht gleich ansah, wie überfordert er mit der Situation schien. Innerlich wünschte er sich, er hätte die Chance gehabt mit Rantagar seinen Besuch durch zu sprechen. Oder mit Aleney durchzugehen wie es ablaufen würde. Immerhin verlieh der bekannte Salon einen Hauch Sicherheit und so schien sich zumindest ein wenig seiner Anspannung zu lösen.
Dankbar überließ er Aleney den Großteil jeglichen Gesprächs und kämpfte mit der inneren, anwachsenden Aufregung.

Immer wieder warf man den beiden ungläubige Blicke zu und die Blicke die das Personal untereinander warf, sprach Bände, dass man da schon irgendetwas zu wittern schien.

Auch die etwas überrumpelte Freude ihrer Eltern machte deutlich, dass man mit einem solchen Besuch aus heiterem Himmel niemals gerechnet hätte und dass so etwas auch einfach eine vollkommene Rarität sein musste.
Dennoch – sowohl Aleney als auch Jerem wurden von Celeste wie auch Aelir herzlich begrüßt.
Und wie sich herausstellte wurde ihre Spontaneität belohnt.

Tatsächlich, so erfuhren sie gleich, waren alle drei Brüder Aleneys derzeit in der Stadt – das musste zwar nicht bedeuten, dass sie auch sofort herkommen konnten, doch die Chance bestand immerhin.
Und es wurde auch nicht gezögert – noch in derselben Stunde ihrer Ankunft wurde ein Reiter losgeschickt um Andrast, Armand und Andrej herzuholen.

Eine Nachricht, die Jerem mit neuer Aufregung entfachte.
Ihre Brüder.
Glücklicherweise war Jerem geübt darin, seine Gefühle und Emotionen zu verbergen und so versuchte er einen ruhigen Eindruck zu vermittelt. Doch Aleney entging kaum, wie seine Gedanken in seinem Herzen rasten, das flüchtige Zittern einer Hand konnte jedoch rasch gelöst werden, als die ihre jene kurz berührte.

Und dann fand sich auch erstmals ein klein wenig Ruhe ein.
Celeste, Aelir – Aleney und Jerem saßen gemeinsam am Tisch.
Darauf wurde in hübschem weiß-blauem Geschirr Tee und Gebäck serviert.
Endlich schien sich auch in Jerem die Anspannung etwas zu lösen und es gelang ihm, wenn auch nur mit wenigen Worten, am Gespräch teilzunehmen.
Leichter war es für ihn gewesen damals hierher zu reisen und sein Herz zu offenbaren, als nun, wissend darüber was sie ihren Eltern zu berichten hatten - und ihren Brüdern!, zu verharren.

"Nein wirklich, wie schön, dass ihr hier seid!" sagte Celeste inzwischen zum gewiss fünften Mal.
"Und herzlichen Dank, für die Aufmerksamkeiten. So schöne Gläser."
Bewundernd hob Celeste eines von den Kristallgläsern aus dem Kistchen.
"Wenn deine Brüder da sind, können wir den Wein ja gleich öffnen" sprach Aelir zu Aleney. "Oder, was meinst du, hrn, Jerem? Ist doch ein wunderbarer Anlass, euer Kennenlernen" fragte Aelier und betrachtet schmunzelnd seine Frau, wobei er dann zu den beiden jungen Leuten sah.
Aleneys Blick funkelte ein wenig vielsagend auf. Sie sah zu Jerem, hob auffordernd die Brauen.

*********

Ein zustimmendes Nicken folgte auf Aelirs Frage, dem rasch auch Worte hinterhereilten als sich Jerem bewusst machte, dass ein einfaches Nicken nicht der Höflichkeit entsprach, die er aufbringen sollte.
"Ja, ein wunderbarer Anlass. Aleney hat viel von ihren Brüdern erzählt." Dabei legte er den Blick auf sie, die Augen mit den ungleichen Blautönen länger auf ihr belassend und schließlich presste er kurz die Lippen aufeinander, als er ihre Gestik zu verstehen glaubte.

Wie sage ich es ihnen..?
Jerem hatte sich schon lange darüber den Kopf zerbrochen. Doch schließlich gedacht, es würde erst so spät geschehen, dass er sich noch keine Sorgen machen müsste... aber nun saß er hier. Und auch auf der Kutschfahrt zum Gut waren ihm zwar zahlreiche Möglichkeiten eingefallen, aber nie hatte ihn eine überzeugt. Die kurze Stille und Aleneys Blick sagten ihm dafür nur umso deutlicher - er musste handeln.
Wieso war es soviel einfacher seinen Vorgesetzten gegenüber zu stehen, als nun hier am Tisch zu sitzen?
Bleib' bei der Sache! Konzentrier' dich!

Er hob eine Hand um sich leicht zu räuspern. Nur um es gleich danach zu bereuen.
Kein zurück. Du musst etwas sagen! Sag etwas!
Ein flüchtiger Blick zurück zu Aleney verlieh ihm neue Kraft, nach der er verzweifelt zu suchen schien. Und dann blickte er Aelir und Celeste entgegen.

"Es ist wirklich schön hier zu sein." Begann Jerem und hoffte inständig, die Worte die seinen Mund verließen, würden auch nur im Entferntesten angemessen sein. "Gemeinsam."
Eine Hand von ihm suchte die von Aleney um jene zu umfassen.
Auch sein Blick wandte sich ihr erneut zu und Aleneys Anblick gab ihm einen Moment seltsamer Ruhe, Ruhe die ihm ein Lächeln auf die Lippen brachte, welches die Nervosität zuvor niemals zugelassen hätte. "Denn gemeinsam möchten wir sein, für immer." Nun war Jerem wieder bereit Aelir und Celeste wieder anzusehen. "Unsere Herzen sind eins und so möchten wir es vor den Göttern bezeugen. Es ist unser dringendster Wunsch, ja, Aleney und ich wir werden heiraten."

_________________
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Aleney Gard
'Once there was only dark. If you ask me, the light's winning.'


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein Besuch in der Heimat
BeitragVerfasst: Di 2. Feb 2016, 00:07 
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Aleneys Herz machte einen kleinen Sprung, als Jerem die Worte sprach. Der Druck ihrer Hand wurde ein wenig spürbarer, ihr Lächeln erstrahlte noch mehr und sie errötete hübsch als sie ihn ansah.
Und dann… war da einen Moment lang Schweigen, das sich ausbreitete.
Das Kristallglas in Celestes Hand schien mit einem Mal reichlich vergessen, so hatte sie es zwar noch prüfend vor ihrem Gesicht erhoben, doch ihre Aufmerksamkeit war ganz bei Jerem und Aleney.
Ihre gütigen, braunen Augen strichen zwischen beiden. Dann war da der Hauch eines Lächelns um ihre Lippen, sie stellte das Glas ab.
"Ich wusste es! Ich wusste es doch. Ich habe es damals schon geahnt um ehrlich zu sein, Jerem. Damals schon als du mit einem Mal vor uns standest um kundzutun, dass ihr wieder zusammen seid. Du warst so ernsthaft, so entschlossen, so überzeugt. Da wusste ich’s, dass du sie eines Tages heiraten würdest. Und als ihr dann plötzlich heute unerwartet gemeinsam aufgetaucht seid… Ha. Wer es da noch nicht verstanden hat..."
Währenddessen blickten die grauen Augen des schweigsamen Vaters unentwegt auf Jerem, als habe er nach den Worten die dieser gesprochen hatte, vergessen, dass die Zeit weiter geht. Er musterte ihn, sehr, sehr gründlich – doch schienen Celestes Worte ihn wachzurütteln, denn zutiefst erschüttert starrte er sie an. Anscheinend war es für ihn ganz und gar nicht so klar wie für seine Frau, was es da zu verstehen gab. Sie fing seinen Blick mahnend auf.
"Aelir! Was sagst du dazu? Unsere Tochter wird heiraten!"
Aelir sagte gar nichts dazu. Außer…
"Zacherias!" …rief er und prompt öffnete sich auch schon die Tür und der Vogt kam mit wippender Feder an der Mütze herein. Aelir reichte ihm wortlos die Flasche Wein, die Jerem mitgebracht hatte.
"Öffnen."
"Nein, nein! Nicht doch. Vater, erst wenn meine Brüder da sind! Erst dann!" ging Aleney dazwischen, beugte sich vor und legte kurz ihre Hand auf den Arm Aelirs’, der die Weinflasche hielt.
"Zacherias, stellt den Wein doch solange kühl."
Unentschlossen blickte der Vogt zwischen seinem Hausherrn und der energischen Tochter hin und her, doch letztlich war es das leise Brummen, das knappe Nicken von Aelir, das ihn dazu veranlasste den Wein zu nehmen und damit wieder aus dem Raum zu entschwinden.
"Dann bring mir etwas von dem Beerenschnaps." sprach ihm Aelir noch hinterher.

Der Schnaps wurde flugs gebracht und Aelir leerte das Glas in einem Zug.
Den hatte er offensichtlich gebraucht, denn erst dann sagte er schleppend:

"Mein Töchterchen…"
Seine Stimme war tief und nachdenklich, ein wenig versonnen. "Mein Töchterchen wird heiraten."
"Du dachtest wohl ich würde niemals heiraten, mh?"
"Und das ohne mich auch nur zu fragen…" seine Laune schlug hörbar um, erneut fixierte sein Blick streng Jerem.
Sie fuhr unbeirrt und ein wenig ablenkend fort.
"Du dachtest, ich wäre schon verheiratet – mit meiner Pflicht - und würde daher niemals einen Mann finden."
Der Köder wurde aufgegriffen.
"Natürlich wusste ich immer, dass der Tag für dich kommen würde – anders wäre es doch gar nicht möglich" widersprach Aelir ihr nun fest und schien allmählich wie wiedererwacht aus einem tiefen Schlaf. "Du bist das schönste Mädchen der Welt, Aleney – gleich nach deiner Mutter versteht sich. Wie sollte es also auch anders sein?"
"Och, Vater…" murmelte Aleney nun ihrerseits etwas verlegen und flüchtete den Blick auf Jerems und ihre Hand. Celeste schnaufte belustigt.
"Frag Jerem, wenn du mir nicht glaubst."
"Vater…!"
"Er ist doch der beste Beweis."
Celeste tätschelte Aelirs Hand und nippte dann von ihrem Tee. "Und wehe er würde es wagen nun etwas anderes zu behaupten."
"Sie ist die schönste Frau auf dieser Welt. Aber vor allem auch die Klügste." sprach Jerem entschlossen, obschon die letzten Worte ihm ein Schmunzeln entlockten.

Aleney lachte und nun wurden auch die Züge ihres Vaters milder und nachsichtiger. Endlich hatte er auch Worte für Jerem übrig… und es waren gute, wohlgemeinte Worte.
"Jerem du bist ein wackerer junger Mann. Du hast Aleney geholfen. Ihr habt schon Seite an Seite gekämpft, nicht wahr?" Aelir sah ihn respektvoller und wohlwollender an.
"Das schmiedet zusammen."
Aleney nickte dazu und lächelte Jerem verliebt an.
Ihr Vater schmunzelte mit einem Schnauben. "Und du machst sie glücklich, wenn ich mir das so ansehe. Also soll es wohl so sein, dass ihr beiden auch ein Leben lang Seite an Seite bleibt."
Er erhob sich, stellte sich vor Aleney und streckte die Hände nach ihr aus. Sie zögerte nicht, löste ihre Hand langsam aus Jerems und legte sie stattdessen in die ihres Vaters.
Sanft zog er sie von ihrem Stuhl auf in seine Umarmung, umschloss sie fest. Die Rührung verschlug dem hünenhaften, grauhaarigen Mann die Sprache, also sagte er nichts. Dafür schniefte Aleney leise. Denn sie verstand ihren Vater ja auch ohne Worte.
Celeste trat zu Jerem, die ihn wiederum mit sanfter Hand zum Aufstehen forderte.
Die stolze, zarte Frau umarmte ihn.
"Ich freue mich. Ich denke… nein ich weiß, dass ihr glücklich werdet. Und ich freue mich."
Dann trat Aelir hinter ihn, legte die schwere Hand auf seine Schulter.
Zunächst schwieg er, in sich gehend und dann sprach er nach einer Weile, ernst und bedeutsam nur ein einzelnes Wort:
"Sohn."
Das ließ er dann, schweigend ergriffen wirken. Für sich selbst und für Jerem.
Er klopfte ihm leicht die Schulter, dann fand er wieder Worte.
"Sei immer gut zu ihr. Sei ihr nicht nur Mann und Beschützer, sei ihr auch Unterstützer und Freund. Gebe ihr Halt und sei respektvoll."
Ein wenig brummender fügte er hinzu: "Und wenn ihr einmal eine Familie gründet und Kinder bekommt… denk daran, dass nur eine glückliche Frau auch eine glückliche, erfolgreiche Familie bedeutet. Eine Ehe, so wie Celeste und ich sie führen, das wünsche ich euch."
Celeste raunte Aleney in ihrer Umarmung zu. "Töchterchen, wir müssen uns noch unterhalten. Von Frau zu Frau…"
"Mutter…" seufzte Aleney mit milder Gegenwehr und in Verlegenheit gebracht.

Als sie sich wieder setzten und das Gespräch fröhlich und deutlich gelockerter fortführten, da dauerte es auch nicht mehr sehr lange, bis Zacherias bekannt gab, dass sich Andrej auf dem Weg befand und auch Armand zugesichert hatte, in den nächsten Stunden hier zu sein.
Und so kam es dann auch.

**********

Noch hatte Jerem wacker und zuversichtlich Celeste und Aelir entgegen gesehen. Doch das sich ausbreitende Schweigen schien ihn nervös zu machen und der feste, zeitlose Blick Aelirs half keineswegs die Kraft die er geschöpft hatte fest zu halten. So spürte auch Aleney, wie der Druck seiner Hand verstärkt wurde und Jerem schluckte.
Er wusste nicht, welche Reaktion er zu erwarten hatte.
Wie hätte sein Vater reagiert, wenn Elena heiraten wollen würde?
Wie hätte seine Mutter reagiert? Es war schwer auszumachen, denn als sie starben, war Elena noch zu jung, als dass solche Gedanken auch nur aufgekommen wären.
Wie hätten sie reagiert, wenn er es ihnen gesagt hätte?
Auch hier drauf wusste er keine Antwort. Sicher freudig?
Oder wäre so etwas für sie falsch, da der gesellschaftliche Unterschied zu groß war? Nie hatten sie über solcherlei ernsthaft gesprochen. Sie waren einfach zu früh gestorben.

Celestes Worte lösten auch Jerems Innehalten. Da war kein Zögern oder Zaudern. Wussten sie überhaupt woher er stammte? Nein. Woher auch? Aber sie wussten, dass er keinen gesellschaftlichen Rang oder Namen hatte. Sonst gab man schließlich damit an. Er hatte Gold, aber das hatten viele. Dies bedeutete keineswegs ein hohes Ansehen oder einen guten Ruf.

Ein Ausatmen seinerseits zeigte, wie sich die Anspannung schwerlich löste. Soviel Güte und Verständnis hatte er nicht erwartet. Celeste schaffte es, ihm ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Ihre Worte, ihre Gestik und Geistesschärfe erinnerten ihn in diesem Augenblick an Aleney. Vor der er weder etwas geheim halten konnte, noch der es schwer fiel ihre Worte und Gedanken so gewand auszudrücken, wie es ihre Mutter vermochte. Doch den Blick vollkommen ihr zu widmen und Aelir zu nehmen, wagte er sich nicht. Zu genau wurde er beobachtet und er 'wusste', dass er nun keinen Fehler begehen durfte. Soviel Macht Celeste auch haben mochte, wer wüsste schon, wie Aelir reagieren würde, wenn er nun auch nur eine Schwäche bei Jerem entdeckte? Als Aelir jedoch schließlich den Beerenschnaps getrunken hatte, lockerte sich auch der starke Druck von Jerems Hand auf Aleneys.

Die Bemerkung über das mangelnde Fragen, das fehlende Einholen einer Erlaubnis, versuchte Jerem rasch zu überhören, obwohl sein Blick nun fast panisch zu Aleney ruckte, dankbar für die rasche Ablenkung.

Der Zuspruch Aelirs löste schließlich das Band, welches Jerems Herz noch immer fest gehalten hatte und ihm trotz der sich langsam auflockernden Atmosphäre keine Ruhe gestattete. Erleichterung flackerte in seinem Blick, denn er wusste, wie wichtig dies für ihn - und vor allem Aleney - war. Es war ihre Familie, ein Entzweien hätte er niemals zulassen können. Mit einem glücklichen Lächeln betrachtete er Vater und Tochter in ihrer festen Umarmung. Jenes Lächeln hielt an, als er die Umarmung Celestes erwiderte.

"Danke." Sprach er, kaum in der Lage zu sagen 'wie' dankbar er wirklich war. Doch nichts hätte ihn auf das vorbereiten können, was Aelirs einfaches Wort auslöste. Nichts. Er spürte Aelirs Hand und unterdrückte den Instinkt des Zusammenzuckens, des 'ertappt'-Fühlens und der anschließenden Flucht.

"Sohn."

Es war als würden jegliche Gedanken aus seinem Geist verbannt werden. Dieses Wort, welches er solange nicht mehr gehört hatte, schien etwas in Jerem zu bewegen, das ihn selbst überwältigte. Seine Kehle schnürte sich zu und er kämpfte innerlich schwer mit seiner Fassung. Aleney und ihre Familie würden nicht nur verbunden bleiben - er wurde Teil einer Familie. Einer großen Familie die füreinander einstand, die gut und herzlich war. Er wurde wieder ein Sohn.

Als Aelir weiter sprach, schien Jerem dankbar dafür. Es half ihm die Oberhand über jenen Kampf der in ihm tobte - zwischen seinem Wunsch, seine Fassung zu wahren und den erdrückenden Emotionen die ihren Weg hinaus erkämpfen wollten - vorerst zu gewinnen. Und so nickte Jerem ernst und bedeutsam gen Aelir, saugte seine Worte auf und schien sie zu verinnerlichen.
Ich darf diese Worte niemals vergessen. Ich habe sie nicht immer eingehalten, aber... ich muss lernen es zutun. Denn wir werden heiraten und irgendwann eine Familie gründen.

Die Ankündigung der nahen Ankunft zweier ihrer Brüder gab Jerem die Gelegenheit einer kurzen Flucht. Entkamen die Damen mit der Erklärung 'sich kurz frisch zu machen' so gab es das Pendant für die Männer. Also ließ sich Jerem aus dem Raum leiten und auf dem Rückweg hielt er an einem der Fenster inne, öffnete es und legte seine Hände auf dem Fenstersims nieder. Er ließ die kalte Winterluft durch seine Lungen strömen und gestattete sich einen Moment der Schwäche. Schwäche, die er vor ihren Brüdern nicht zeigen konnte - oder vielmehr wollte. Nachdem er seine Hände wischend über seine Augen bewegt hatte nahm er eine Handvoll Schnee vom Fenstersims, rieb ihn zwischen seinen Händen und schließlich über sein Gesicht. Die Kühle verlieh ihm mehr Ruhe, auf ein Räuspern hin nutzte er seinen Ärmel um das Gesicht rasch zu trocknen und setzte an das Fenster wieder zu verschließen. Er war schon viel zulange fort!

***********

Kurz nach Jerems Rückkehr, flog die Tür förmlich auf und herein spazierte mit aufrechtem, kühnen Schritt ein junger Mann mit hellbraunem Haar (das ähnlich ungekämmt war, wie Jerems … oft), funkelnden braunen Augen und einem charmant unverschämten Grinsen um die Lippen.
Das Hemd hing ihm nachlässig aus der Hose, der Kragen war aufgestellt und die Weste nicht zugeknöpft, die er darüber trug.
Die hohen Reitstiefel waren mit schmutzigem Schnee bedeckt, der nun langsam dahinschmelzend kleine, dreckige Pfützen auf dem Fußboden bildete.
So flapsig sein Auftreten auch wirkte – oder gerade deshalb? Jerems Gefahreninstinkt schlug bei ihm an – jedem Strauchdieb, Einbrecher oder Betrüger hätte es die Nackenhaare aufgestellt in Andrejs Gegenwart.
Da war einfach dieser sehr genau beobachtende, schnelle und unerbittliche Blick – mit Andrej war zu rechnen.
Das hatte er offenbar mit Aleney gemein – Jerem erinnerte sich an die unprofessionellen Kleinkriminellen, die die direkte Flucht aus dem Fenster ergriffen hatten, als Aleney einmal den Krug betreten hatte…. Dabei musste man nur kaltschnäuzig genug sein, eben diesem Blick stand zu halten – und schon war man weniger verdächtig. Dieses Vorgehen empfahl sich auch bei Andrej.
"Andrej!" Aleney stand auf. Lächelte.
"He, warum sagst du nicht früher Bescheid, Lenchen?!"
"Wozu? Hättest du dir dann etwa die Mühe gemacht dich ordentlich anzuziehen?" fragte Aleney ein wenig spöttelnd.
"Das wäre zuviel der Ehre für mich! - Du siehst aus wie gerade aufgestanden! Und so was stellt sich der Fürst in die Leibwache."
"Hah. Ja, das tut er. Und er weiß auch warum. Sind wir nun eigentlich nicht so etwas wie Kollegen?"
"Du bist nicht mehr ganz auf Stand der neuesten Informationen, wie mir scheint…"
"Ach nicht? Dann musst du mich aufklären."
Trotz seines Auftretens wusste Andrej sehr gut, wie man sich benahm. Er kam heran, umarmte Aleney und küsste genau dreimal ihre Wangen.
"Wie seid ihr hergekommen? Hat euch wieder dieser Herr Winterkalt hergebracht? Oder bequemst du deinen Hintern auch noch dann und wann einmal in einen Sattel?"
"Wenn’s drauf ankommt, Andrej bin ich immer noch so sattelfest wie früher, verlass dich drauf."
Er lachte. "Will ich hoffen!"
Dann besah er sich Jerem.
"Ich hab schon gehört, dass du nicht alleine hergekommen bist."
Er ergriff jovial Jerems Hand, drückte sie kurz aber merklich – in dem perfekten Gleichgewicht, das einen Händedruck sympathisch wirken ließ.
"Ich bin Andrej. Freut mich. Jerem."

Einige Zeit später kam, wie angekündigt, auch Armand. Der zweitgeborene Bruder.
Armand war vom Wesen her vollkommen anders als Andrej oder auch Aleney. Eher reserviert und zurückhaltend mit Worten, auch wenn die Umarmung, mit der er Aleney begrüßte, keinen Zweifel daran ließ, dass er seine kleine Schwester liebte. Jerem begrüßte er ein wenig steif, mit einer seichten Verbeugung. Armand war hochgewachsen, dabei sehr schlank und seine Bewegungen besonnen und elegant. Durch und durch ein Intellektueller – erinnerte er entfernt an Flinn? Er war akkurat gekleidet – trug einen Gehrock und das lange Haar mit einem schwarzen Samtband zu einem ordentlichen Zopf gebunden.
Jerem konnte beobachten, wie Aleney Armand etwas prüfender ansah. Er kannte diesen Blick ihrerseits. Sie erahnte etwas in ihrem Bruder. Etwas, das sie zu ergründen versuchte – und unruhig werden ließ als sie es erkannte.

Später stieß tatsächlich auch noch der älteste Bruder, Andrast hinzu. Er musste älter als Sarinius sein und wie Jerem wusste, hatte er auch schon Frau und Kind – die allerdings nicht dabei waren.
Er war Aleney am ähnlichsten. Er hatte helles Haar, blaue Augen, ein ansteckendes Lächeln und eine freundliche Art. Außerdem strahlte er eine gewisse und ruhige Autorität aus, der man sich ohne viel Gegenwehr unterordnen konnte. Als Ausbilder in der Stadtwache musste er die wohl auch haben.
"Salomea ist mit Aren derzeit leider nicht in der Stadt. Himmel… sie hätte dich so gerne wiedergesehen, Aleney."
Aleney lächelte auf. "Wie geht es dem Kleinen? Wie alt ist er inzwischen? Fast drei, oder?"
"Zweieinhalb. Und frech ist er wie sonst was."
Andrast betrachtete Jerem mit freundlichem Blick. Er wählte ebenfalls einen Händedruck um ihn zu begrüßen.

Die Familie bot ein harmonisches Bild. Die Brüder scherzten untereinander, der Vater und auch Armand wurden dabei nicht geschont – wenngleich sich Armand nicht so sehr daran beteiligte sondern das alles eher einfach enerviert "aushielt".
Die Mutter wurde geherzt und Maélys schimpfte mit Andrej seiner schmutzigen Stiefel wegen.
Nun war es allerdings nicht so, dass der adelige Bursche pikiert darüber wäre, dass die Haushälterin einen derartigen Ton anschlug. Sondern er wurde ziemlich kleinlaut und nahm ihr sogar pflichtschuldig den Lumpen aus der Hand um die Pfützen selbst weg zu machen.
Jerem und auch Aleney wurden wie selbstverständlich in das Treiben mit aufgenommen – auch wenn sich Jerem in der Tat den einen oder anderen neugierigen Fragen stellen durfte – eher: musste.
Man fragte schon, wo er her kam, nach seiner Familie, nach Flinn, was er so tat, womit er sein Gold verdiente, wie es um seine kriegerischen Fähigkeiten bestellt war ob er reiten, jagen, tjosten konnte…
In einer militärisch geprägten Familie wie den Falkenwinters, war das natürlich nicht unwichtig für die Männer der Familie.

Aleney erzählte von ihrem kurzen Dienst in der fürstlichen Leibgarde und erwähnte die graue Feder was besonders Armand aufmerken ließ – und die Brüder wollten dann auch genauer wissen, was es damit auf sich hatte, warum es in Rivin wirklich notwendig war eigens eine Gemeinschaft dafür auszurufen. Zwangsläufig brachte Aleneys Familie auch den gebührenden Ernst dafür auf. Die Mutter schien kurz recht besorgt, Andrej vertrauensvoll. Und Aelir schien die Tatsache, dass sich seine Jüngste dem Kampf gegen das Böse verschworen hatte, einfach akzeptiert zu haben – und er brachte Verständnis dafür auf.
Irgendwann hatte Celeste angeordnet, dass die neuen Weingläser gewaschen und dann verteilt, sowie der Wein eingeschenkt wurde.
Und endlich als ein jeder ein Glas vor sich hatte streute sie ein wenig ungeduldig ein:
"Aleney, wir wollen anstoßen."
Kurz fuhr sie wie elektrisiert zusammen, was nur Jerem, dicht an ihrer Seite bemerken konnte.
Sie holte Atem… ließ den Blick kurz durch die versammelte Runde streifen, schwieg… doch sie hatte sich schnell wieder in der Gewalt.
"Ah… ja… das wollen wir. Der Wein stammt aus Rivin, wir, Jerem und ich, hoffen er mundet euch dann auch… vor allem, da wir ihn gemeinsam mit einer wichtigen Neuigkeit gebracht haben."
Aleney sah zu Jerem herüber und lächelte.
Armand schloss die Hand unmerklich etwas fester um das Glas.
"Nun… denkt ihr’s euch nicht eh schon? Ich will es gar nicht weiter spannend halten: Jerem und ich haben uns verlobt. Wir werden heiraten. Hier sitzt euer zukünftiger Schwager."
"Ach was!"
"Wie denn, ich dachte zuerst kommt das Kennenlernen und viel später erst das Hochzeitsbrimborium!"
"Wusstet ihr das?!"
"Bis heute nicht…" gab der Vater brummend zu.
"Skandal!"
Andrej scherzte und gab sich gespielt empört.
Andrast, blieb ernsthaft und schien verblüfft – wirkte aber nicht, als würde ihm daran irgendetwas nicht passen. Aleney strahlte glücklich und auch Celeste schmunzelte ein wenig vor sich her. Bislang ließ niemand der Familie auch nur den Hauch des Verdachts aufkommen, dass diese unstandesgemäße Hochzeit für die Falkenwinters ein Problem wäre. Bis auf einen. Armand.
"Na dann… herzlichen Glückwunsch! – Wann wollt ihr denn heiraten? Bei den Göttern. Was für eine Überraschung", sagte Andrej.
"Allerdings. Alles Gute – Aleney, Jerem. Möge Sune eurer Verbindung gewogen sein!"“ ergänzte Andrast und sagte:
"Hebt das Glas. Auf euch!"
Und die Gläser wurden erhoben und angestoßen. Zwar stieß auch Armand mit an, suchte aber immer wieder verstärkt Aleneys Blick.
"Nun heiratest du vor mir, Aleney. Dabei bin ich doch der Ältere."
"Na, wenn du dir keine findest, Andrej, was soll ich sagen…?"
"Ich fände da genügend, wenn ich wollte. Nur… ich heirate nicht. Sonst werde ich noch so ein Pantoffelheld wie Andrast."
"Werd’ nicht frech. Vor Salomeas strengen Blick erzitterst sogar du."
"Ja, ich weiß. Drum heirate ich nicht."
"Wegen Salomea…?!"
"Wegen den strengen Blicken."
"Hört nicht auf Andrej. Er weiß nicht wovon er spricht. Außerdem… Ihr beide, seid recht unterschiedlich." Glaubte Andrast zu wissen, als er zu Aleney und Jerem deutete, dabei lächelte er. "Aber nicht von dieser Art Unterschied, der trennt… sondern ein Unterschied, der ergänzt. Und gut zusammenpasst. Es ist schön, dass ihr euch gefunden habt."
Aleneys Lächeln wurde sanfter und mit einem langsamen Augenaufschlag und einem intensiven Blick sah sie wieder zu Jerem.
"Die Schlafzimmerblicke solltet ihr euch dennoch für nach der Hochzeit aufsparen… sonst wird Vater noch fuchsteufelswild."
Aelir verschluckte sich an seinem Wein, bei Andrejs Worten und Armand ruckte in die Höhe.
Die Heftigkeit seiner Bewegung wirkte wie ein Messerschnitt in der lockeren Atmosphäre.
Die Stimmung schien mit einem Mal wie vereist.
"Aleney, können wir kurz sprechen…?" das war das erste Mal, dass er seit der Kundgabe ihrer Verlobung das Wort wieder ergriffen hatte.
Aleney zog leicht die Brauen zusammen. Sie schien nicht überrascht, als sie ruhig nickte und sich erhob.
"Natürlich.“
"Gut. Ihr entschuldigt uns."
Und dann verließen die beiden den Raum.
"Welche Laus ist ihm über die Leber gelaufen?" fragte Andrej verwirrt.


*********

So alarmierend und flapsig Andrejs Auftreten auch war; seine direkte, ja teilweise unverschämte Art machte ihn Jerem auch unglaublich sympathisch. Er selbst begrüßte Andrej eher höflich, doch nicht zu steif und erwiderte den Händedruck auf dieselbe Art – wie er es auch bei Andrast tat. Nur bei Armand war Jerem weitaus vorsichtiger und es brauchte nicht lange, dass ihm bewusst war, dass die Informationen die Rufus gestreut hatte für Armand noch immer sehr aktuell sein mussten….

Den neugierigen Fragen stellte er sich wacker, obwohl Aleney durchaus auffiel, dass er die Fragen sehr bewusst beantwortete und manch eine Sache ausließ.

"Ich bin in Rivin geboren. Also dem ursprünglichen Rivin an der Küste. Zeitweise lebte ich in Mirabar im Norden, aber nur vier Jahre. Als ich zurück kehrte, war der Sternenfall bereits vorüber." Kurz zögerte Jerem, in Mirabar hatte man zu diesem Zeitpunkt nichts über den Sternenfall gehört gehabt. Aber in Tiefwasser und Baldurs Tor musste es bekannt sein. Daher erklärte er dazu auch nicht mehr. Die Frage bezüglich seiner Familie hoffte er damit ein wenig gedämmt zu haben, in der Annahme, man würde einfach glauben, dass seine Familie beim Sternenfall umgekommen sei ... und so nicht weiter nachfragen würde. Doch schmunzelnd sprach er dann doch. "Meine Schwester, Elena, sie lebt in Rivin. Ah.. sie.. ist eine Art 'Künstlerin'."
Die Art mit der Jerem dies aussprach verriet, dass er damit nicht viel anfangen konnte. "Sie hat eine wunderschöne Stimme und schreibt auch Lieder, manchmal da.. kann sie durch ihre Lieder sogar Magie wirken. Sie lernt den Umgang jedoch noch."
Auf die Fragen nach seinen kriegerischen Fähigkeiten mochte Jerem weitaus offener antworten und diese Gespräche fielen ihm auch sichtbar leichter. Er konnte reiten, hatte sogar ein Pferd - Ahorn - welches jedoch in Rivin war. Als ausgebildeter Kundschafter war er sehr bewandert in der Jagd, zog die Pirschjagd mit dem Langbogen vor. Seine Hauptwaffen waren Kurzschwerter und wie Aleney wusste - und auch schon ertragen musste - vermochte er es sehr genau und gerne über seine Schwerter zu sprechen. Aur'sael, seine Adamant-Klinge mit der Feuermagie der Feen, stand hierbei deutlich im Vordergrund. 'Durst' erwähnte er zunächst nicht, aber seinen neusten Kauf, eine meisterlich geschmiedete Klinge aus kaltgeschmiedetem Eisen musste natürlich auch erwähnt werden. Er sprach gar darüber, dass er eine Silberklinge kaufen wollte und diskutierte gern über Vor- und Nachteile solcher Waffen.

Nachdem Aleney die Graue Feder bereits erwähnte, erzählt auch Jerem davon. Rivin sei eine Stadt die mit sehr vielen Externaren zu kämpfen habe. Weshalb dies so sei, kann er jedoch nicht beantworten. Es gäbe eine Vielzahl an Theorien, dabei ist die Sprache von der 'Aura' des Schlängelnden Flusses, andere wollen die Magier dafür verantwortlich machen, die zahlreich und mächtig vertreten sind - und bei denen man nicht jeden für verantwortungsvoll hält 'nicht' solch eine Beschwörung zu vollziehen. Wieder andere mögen es einfach als Zufall ansehen, doch welche Gründe es dafür auch gibt, so ist es doch eine unverrückbare Tatsache, dass Rivin damit Probleme hat. Ein ganzer Wald 'der Nimmerwald' sei gar durch dämonische Präsenz verdorben und habe die Tiere darin ebenfalls mit jener Präsenz infiziert. Es scheint, als wüsste Jerem garnicht, wo er anfangen sollte, würde er über all diese Gefahren reden - deshalb endet er damit auch bald um nicht zuweit ausholen zu müssen. Ihm sei wichtig, dass man mit der Grauen Feder gegen genau diese Probleme vorgehen kann. Und sei es eines Tages so, dass man sie nicht mehr brauchen würde, da all diese Externare besiegt oder fort sind - dann sei dies gut. Man würde schon genügend andere Betätigungen finden, doch ihre Aufgabe sei wichtig und würde vielen Personen helfen. Gold erhalten sie hierbei durch Spenden oder bezahlte Aufträge, doch scheint dies hierbei keinesfalls der Grund für jene Gemeinschaft zu sein, daher wird dies nur auf Anfrage am Rande erzählt.

Auch Jerem lächelte, während diesmal Aleney die Neuigkeit verkündete. Und mit jenem Lächeln versuchte er auch Andrejs Scherze mit Würde zu überstehen. Er stieß mit an und warf Aleney diesmal einen langen und verliebten Blick zu - Sie würden heiraten.
Mit Belustigung verfolgte er das weitere Gespräch und auf Andrej's Anmerkung, die Aelirs Verschlucken zu verantworten hatte, spannte sich Jerem kurz und überrumpelt an.
Als Aleney Armand dann hinaus begleitete sah Jerem Beiden nachdenklicher und still nach. Er hoffte, es würde keinen Streit geben. Armand hatte aufgrund seiner Informationen - und wer wusste was er noch herausgefunden hatte - allen Grund um misstrauisch zu werden. Doch Jerem kannte Aleneys Sturkopf und fürchtete nicht unberechtigt, dass sie es zu einer harschen Konfrontation zwischen sich und ihrem Bruder kommen lassen konnte...

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 Betreff des Beitrags: Re: Ein Besuch in der Heimat
BeitragVerfasst: Di 2. Feb 2016, 00:46 
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Nachdem Jerem mit der Erwähnung von Aur’sael in der Tat reichlich Eindruck gemacht hatte und selbst Aelir anerkennend aufgemerkt hatte, war wohl das Stichwort gefallen, das rechte Thema gefunden über das man mit Aleneys Brüdern nach Herzenslust fachsimpeln konnte.
"Eine Adamantklinge! Ich will gewiss seit 10 Jahren eine Adamantklinge…" Andrej seufzte schwer.

Als Armand und Aleney das Zimmer dann verlassen hatten, kam man auch wieder darauf zurück.
"Also... hast du Aur’sael zufällig dabei…?"

In einem Nebenzimmer…
"Hast du meinen Brief bekommen, Aleney?"
Armand wartete gerade nur so lange ab, bis die Tür ins Schloss gezogen war. Denn die Frage brannte ihm schon den ganzen Tag unter den Nägeln und die Anspannung darüber, ließ ihn nicht los. Und länger konnte er, bei allen Göttern, sich wirklich nicht mehr zurückhalten.
"Ja… das habe ich."
"Und hast du ihn auch verstanden?"
"Armand…"
"Spar dir das, Aleney! Ich habe dir deutlich gemacht, dass es bezüglich deiner Männerwahl … nennen wir es mal… Unklarheiten auszuräumen gibt."
"Du hast mir auch deutlich gemacht, dass du Reichenbachs Provokation durchschaut hast. – Armand. Er wollte dir doch nur eine Nadel ins Fleisch treiben. Unfrieden stiften."
"Mag sein, dass er das wollte. Das ändert aber nicht die Tatsache, dass dein Zukünftiger in Rivin verurteilt wurde. Ja, ich weiß schon weshalb dein Jerem am Richtplatz stand und ausgepeitscht wurde. Ich wollte mit dir persönlich darüber sprechen, Aleney. Ich habe dir zu liebe niemanden davon erzählt. Vater nicht, Mutter nicht… niemanden. Und nun bist du hier ignorierst meine Sorgen und Ermahnungen… und gibst deine Verlobung bekannt! Mit ihm! Diesem Teufelslakaien?"
Ihre Miene wurde härter, die sturmgrauen Augen sprühten vor Zorn.
"Nenne ihn nicht so. Wage es nicht ihn noch einmal so zu nennen, Armand. Und jetzt muss ich dich wohl fragen, ob du verstanden hast? Wir bekämpfen diese Wesen!"
"Und seit wann?! Was eigentlich, wenn man deinen Verlobten vor meinen Ohren so nennt? Vor Vaters? Wenn man ihn so nennt und ihn im selben Atemzug mit unserer Familie erwähnt?"
"Woher hast du’s? Hat dir Reichenbach das geflüstert?"
"Irrelevant. Und du lenkst ab, Schwester."
"Du weißt doch gar nichts, Armand."
"Was gibt es da zu wissen?!"
"Du warst nie in Rivin. Du weißt nicht, was geschehen ist, was zu der Verurteilung führte und was es damit wirklich auf sich hat."
"Er wollte eine Teufelin befreien! Dafür gibt es keine Rechtfertigung…"
Unwirsch unterbrach sie ihn:
"Aber eine Strafe – und Reue und Buße. Er wurde bestraft. Er hat bereut und bezahlt – mit mehr als nur Peitschenhieben. Du, in den Diensten der Schwarzroben, solltest das juristische Konzept von Strafe, Reue und Rehabilitation eigentlich verstehen und ihm nicht derart voller Vorbehalte und bösem Willen gegenüber stehen! Und wenn du es doch tust: Du magst hier in Tiefwasser Teil der Gerichtsbarkeit sein aber es steht dir nicht zu ein Urteil über ein Vergehen zu fällen, über das in Rivin längst entschieden wurde. Es liegt hinter uns. Die Sache ist vorbei."
"Es besorgt mich" sagte Armand und seine Stimme wurde nicht eine Nuance lauter – aber der Tonfall gefährlicher. "Dass du dich mit einem Verbrechen dieser Kragenweite solidarisierst. Warum sprichst du von 'uns'…?"
"Er wird mein Ehemann sein. Ich werde ihn heiraten – mitsamt seiner Vergangenheit. Darum 'uns'."
Es fiel ihr schwer, ihren Ärger zurück zu halten. Sie solidarisiere sich mit dem Verbrechen?! Erbost fuhr sie ihn an.
"Wird das eine Befragung? Willst du die Sache neu aufrollen? Soll ich dir die Akten aus Rivin zukommen lassen? Ließe sich einrichten. Oder hast du sie dir schon schicken lassen?"
"Du brauchst nicht bissig werden, Schwester." Mahnte Armand und Aleney schwieg.
"Die Beziehungen zwischen Tiefwasser und Rivin werden enger" fuhr er nach einer Weile fort. "Muss ich dir erst erklären, dass damit auf jeden deiner Schritte den du dort tust, nun noch mehr geachtet wird? Dass es gar nicht so unwahrscheinlich ist, dass alles was du tust, oder auch was er tun wird auf die Familie Falkenwinter zurückfällt?"
"Ich werde meine Familie schon vor etwaigem Schaden schützen, keine Sorge! Nichts liegt mir ferner, als übles Gerede oder ein schlechtes Licht auf euch zu werfen. Ich lege den Namen Falkenwinter ab um ihn nicht mit mir in den Schmutz zu stoßen, wovon du ja ausgehst, dass es unweigerlich passieren muss. Du musst auch um deine Karriere bei den Schwarzroben keine Furcht haben, Armand. Ich werde dir nicht im Weg stehen, ihn noch nicht einmal kreuzen mit meinen Entscheidungen und den Schritten die ich tue!"
Sie wollte sich abwenden. Er griff nach ihrem Arm – wirkte beinahe hilflos.
"Du denkst meine Karriere ist es, um die ich mich sorge?"
Aleney ruckte nur kurz gegen den eisernen Griff ihres Bruders, warf ihm einen lohenden Blick zu. Seine große Hand um ihren Arm lockerte sich daraufhin. Weniger bestimmend, vielmehr bittend hielt er sie aber dennoch fest.
"Du schweigst?" fragte er, deutlich behutsamer.
Natürlich ging es ihm nicht darum. Er war doch ihr Bruder...
"Ich kenne dich, Schwester. Du weißt ganz genau, dass es um viel mehr geht, als um mich oder die Reputation unserer Familie – es geht um dich. Deine Karriere, deinen Weg, deine… Bestimmung. Das ist es worum ich mich sorge. Ich weiß auch, warum du dich entschieden hast jetzt zu schweigen. Weil da noch mehr ist, das du uns nicht sagen willst. Ich sehe es in deinen Augen..."
" Im Übrigen verfolgen wir ein hehres Ziel. Die graue Feder ist genau das richtige für Jerem und mich. Dein Zweifel ist also unberechtigt.
Doch dann wurde ihre Stimme etwas leiser – sie verstummte und Armand spürte, dass er mit seinen Worten etwas erreicht hatte, das sie nachdenklich stimmte.
Eine Bestimmung ist eine Bestimmung. Sie ändert sich nicht. Und meine Bestimmung, die mich wie ein Wirbel kreisen lässt, sie folgt mir auf dem Fuße. Sie ist immer da… Nein Armand, berühre meine Hand nicht. Ich bin dir nicht böse. Du machst dir nur Sorgen, ich weiß. Aber ich werde Jerems Frau. Ich liebe ihn – wir gehören zusammen und… so soll es dann auch für immer sein. Denn das ist mein Herzenswunsch, Armand. Wenn dir das so viel Missfallen und Unbehagen bereitet, dann tu, was auch immer du denkst tun zu müssen. Schwärze uns an. Versuche zu intervenieren. Rede mir ins Gewissen. – Ich werde nichts von dir verlangen, was du mir nicht aufrechten Herzens geben kannst – auch dein Stillschweigen nicht.
Aber was auch immer kommt - es wird nichts an meinem Entschluss ändern und ich sage dir noch einmal: es gibt nichts weswegen du dich nicht für mich - für 'uns' - freuen könntest. Und nun lass uns gehen."

Er löste seine Hand, sah sie an. Ungläubig.
"Ja" antwortet sie fest auf die ungestellte Frage. "Das ist mein voller Ernst."

Als sie in den Salon zurückkehrten, war Jerem es einfach Aleneys Bedrückung zu sehen und zu spüren.
Doch sie setzte sich zu ihm, griff demonstrativ nach seiner Hand und hielt sie fest.
Diese Demonstration verfehlte ihre Wirkung nicht. Armand bemerkte es und verabschiedete sich daraufhin auch zügig – man habe ihn nun lange genug von der Arbeit abgehalten, er müsse zurück in die Stadt.
Und dann ging er.
Der Rest der Familie schien verwundert. Celeste entschuldigte sich sogar bei Jerem, für Armands Verhalten, erklären könnte sie es sich nicht.
Aleney weigerte sich auch irgendetwas beizusteuern um Armands Laune aufzuklären – doch Jerem wusste ja, worum es gegangen sein musste.

Der restliche Nachmittag verging sehr schnell und bald schon war die Zeit des Abschieds gekommen.
Aleney und Jerem wurden mit warmen Worten und guten Wünschen auf den Weg zurück entlassen und in der Kutsche wirkte Aleney erschöpft aber auch zufrieden. Aus Trotz erwähnte sie das Gespräch mit Armand gar nicht erst – erlaubte den Worten, die gefallen waren nicht, sich wie ein schwarzer, drückender Schleier über sie zu legen.
Sie sah zu ihm, lächelte und sagte, während sie sich an seine Schulter schmiegte:
"Ein schöner Tag. Ein ausnehmend schöner Tag."
******
Als Aleney zurück kehrte fand ihre Hand in die seine und er blickte ihr Mut spendend entgegen. Dem Blick von Armand wich er nicht aus, doch suchte er ihn auch nicht. Jerem nahm seinen Abschied ohne jede sichtbare Beleidigung entgegen und versicherte Celeste, dass sie sich keineswegs zu entschuldigen hatte. Im Innern hoffte er lediglich, dass Armand schweigen würde, denn er meinte zu wissen, dass diese so teure Familie ihn mit dem Wissen was sie erhalten würden, nicht mehr als den sehen würden, den sie vielleicht jetzt sahen. Er wollte nicht, dass die Wärme in Kälte umschlug, doch im Augenblick fiel ihm nichts ein, wie er es verhindern konnte. So versuchte er sich mit der Gesellschaft und dem, was der Nachmittag noch brachte abzulenken.

Zurück in der Kutsche stimmte Jerem Aleney zu. Und hier, unter sich, schien er gar noch etwas Redefreudiger. Er berichtete ihr von dem, was er und ihre zwei Brüder, sowie ihr Vater noch beredet hatten in ihrer Abwesenheit. Wie sie Aur'sael gefunden hatten und schien nun weit gelöster auch einem Wiedersehen entgegen zu sehen. Er schien nicht nur ihre Eltern zu mögen - nein auch ihre Brüder! Über Armand sprach er jedoch nicht.

"Das war er." Pflichtete er schließlich bei, während er seinen Arm fest um sie gelegt hatte und der Rückweg nun vor ihnen lag.

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