Alea iacta est

1000eyes

Schwach fiel das letzte Sonnenlicht des Tages durch die Ritzen des vernagelten Fensters und tauchte den Raum in ein fahles Zwielicht. Schäbig war er und klein, aber er hatte Ruhe und es kostete ihn fast nichts. Auch konnte er die Alte, die ihm das Zimmer vermietet hatte, davon überzeugen, dass er kein Unruhestifter war.

Mit einem grimmigen Lächeln beobachtete er die Schattenspiele an den Wänden, geschaffen von den Krähen die vor seinem Fenster auf und ab hüpften. Der Blick ging zu den Würfeln in seiner Hand und das Lächeln verschwand schlagartig. Schwarz waren sie, mit roten Zahlen darauf, doch wo kamen sie her, aus welchem Material waren sie geschnitzt? Er wusste es nicht. Es war ihm letztlich auch egal. Wichtig für ihn war, dass sie zu einem Sinnbild seines Lebens geworden waren. Eine Sache mit vielen Möglichkeiten, jede entscheidend für den Ausgang, eine so wichtig wie die andere.

Mit einem kurzen, bitteren Lachen schloss er die Hand um die Würfel, packte diese weg und erhob sich. Ruckartig fuhr er herum und starrte in die dunkle Ecke, entspannte sich aber gleich wieder. Nein, er war nicht hier. Heute, wie schon gestern und vorgestern, nicht. Wo war er hin?

Gleichgültig zuckte Kelrath mit den Schultern. Er würde ihn finden und mit ihm die Antworten, die er suchte. Mit einem letzten Gebet verliess er sein neues Zuhause und machte sich an die Arbeit.

Mochte die Herrin der Nacht ihm Kraft geben.

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Schneller und schneller murmelte er das düstere Mantra, das voller Hass und Verachtung von Verlust und Vergessen sprach, schneller und schneller bis er die Worte nicht mehr klar artikulieren konnte. Es brachte ihn in Balance, half ihm sich zu fokussieren und seine wahren Emotionen zu verbergen.

Tiefer und tiefer wurde die unnatürliche Dunkelheit mit jeder Wiederholung. Der Schein der beiden kleinen Kerzen war schon nicht mehr sichtbar. Diese Düsternis entsprang aus seiner Mitte, dem Wesen seines Seins, wie er inzwischen wusste. Es war kein Zauber, es war ein Teil von ihm. Totenstille herrschte in dem kleinen Raum, eine Schwere, die immer entstand, sobald das Gebet endete. Er spürte, dass sein Gebet erhört worden war, die Zauber, um die er gebeten hatte, standen ihm für sein kommendes Nachtwerk zur Verfügung. Er fühlte die innere Ruhe, die er gesucht hatte. Einen Moment lang genoss er noch die Einsamkeit, bevor er die schwere Robe auszog und sich für seine Arbeit rüstete.

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Hustend schlug er unter grossen Schmerzen die Augen auf, die er gleich wieder zusammenkneifen musste gegen das grelle Sonnenlicht, das durch die nicht mehr vorhandene Wand auf der Südseite seines Zimmers ungehindert eindrang.

Stöhnend rollte er sich auf die andere Seite, um dem Licht zu entkommen, nur um dort in das leblose Gesicht der Alten zu blicken, die ihm das Zimmer vermietet hatte. In einer Lache ihres Blutes lag sie dort, die Kehle fortgerissen durch...irgendwas.

Ungerührt erhob er sich. Er musste fort hier und zwar schnell. Ächzend griff er seinen 'Notfallsack', indem alles war, was er von Wert ansah. Seinen Speer noch - eine Waffe brauchte er. Und so beladen machte er sich davon und schlug sich einen Weg durch die paar Schaulustigen, die den Mut hatten, nachzusehen.

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Mehrere Stunden später sass er in dem kleinen Versteck im Hafen, den Rücken an der kühlen Wand. Die Schmerzen waren inzwischen stark, die Heilzauber taten nur das Nötigste. Seufzend schloss der Kleriker die Augen und versuchte sich an die Geschehnisse zu erinnern.

In tiefer Konzentration versunken sass Kelrath da, vor dem kleinen behelfsmässigen Altar, der Shar, seiner Herrin gewidmet war. Tiefer und tiefer ging er in sich selbst, spielte mit den Kräften die ihm die Schatten verliehen. Es konnte keine Grenze geben. Eins musste es sein, oder es machte keinen Sinn. Es galt ein Geheimnis zu lüften, einen Weg zu finden, ein Ziel zu erreichen.

Er spürte es, allmählich begann konnte er die Kräfte kontrollieren...nein, was war das. Die dunkle Energie entglitt vollkommen seiner Kontrolle, schoss aus ihm heraus. Aus seinen Augen, seinem Mund, seinen Fingern und entlud sich in einer Explosion, die den Kleriker an die Wand schleuderte und die gegenüberliegende in Stücke riss. Einen zauberischen Rückschlag nannte man das wohl, dachte er noch kurz bevor er das Bewusstsein verlor, doch was dann geschah hielt ihn noch einige Sekunden bei Bewusstein.

Die hysterische alte Helena stürmte hinein - wie auch immer sie die Tür öffnen konnte - und schrie wie am Spiess, verfluchte ihn, nannte ihn einen Hurensohn und schlimmere Dinge. Doch dann schwieg sie, ihre Kehle zerrissen von einer schwarzen Klaue, die aus dem Dunkel hinter ihr kam. Ein paar dunkelrote Augen gesellten sich hinzu und die Gestalt trat vor.

Kelrath sah sich selbst, oder auch nicht. Das letzte was er hörte war ein schadenfrohes Lachen in seinem Verstand.

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In tiefster Dunkelheit sass er dort in der Nische, in Trance versunken. Das stetige Tropfen des Wassers auf den Stein wirkte hypnotisierend - wie das Ticktack eines Metronoms.

Ereignisreiche Tage lagen hinter ihm. Erst kam die Drow. Dieses schmächtige, unansehnliche aber mutige Ding. Mitten in der Stadt lief sie rum, unmaskiert - nun, vielleicht doch mehr töricht als mutig. Aber was verstand er schon von den Gedankengängen der Unterweltbewohner.

Einen Handel hatten sie abgeschlossen. Sicherer Unterschlupf gegen die Bereitstellung seiner Fähigkeiten. In normalen Zeiten keine gutes Geschäft, doch zugegebenermaßen war er verzweifelt und konnte es sich nicht leisten zu feilschen.

Er war gespannt was geschah, wenn er 'ihn' verschlang und was diese Dunkelelfe plante. Er konnte ihr Potential an Verrat und Intrige nicht einschätzen.

Was ihn allerdings vielmehr beunruhigte war diese kindliche Ding, dass sich als personifizierter Schatten ausgab. Schnurstracks in eine Falle gelockt hatte sie ihn. Nun, es hätte zumindest eine sein können. Ein seltsames Wesen mit seltsamen Talenten. Talente, um die er es beneidete. Er musste diese 'Meisterin' finden und von ihr lernen. Ja, das musste er.

Aber zuerst gab es Wichtigeres zu tun. So erhob er sich, packte den ledernen Beutel mit seinem Hab und Gut und machte sich auf zum Krug um seine neue Heimat zu begutachten.

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Halbwegs wieder bei Kräften sass er auf dem wackeligen Bett in dem schäbigen kleinen Zimmer im Stundenhotel über dem Krug. Weiter hatte er es nicht geschafft. Nicht in dem Zustand, in dem er sich befunden hatte. Bei allen Dämonen in den Schatten, er hatte die letzten Tage genug Schmerz und Leid hinter ertragen. Aber 'er' war fort, wieder dort wo er sein sollte. Eine seltsame Geschichte hatte sich zugetragen keine zwölf Stunden vorher.

Ein Ereignis geprägt von Triumph und Hass, Gefahr und Verzweiflung. In all seinem Wahn hatte er beinahe sein Leben verloren um dann doch als Sieger des Feld zu verlassen.

Die Dunkelelfe hatte also ihren Teil des Handels eingehalten, nun würde er seinen einhalten. Es gab sicher etwas dabei zu gewinnen, machte sie doch einen fähigen Eindruck.

Was dieses andere Weibsstück anging. Nun, ihren Hass galt es zu kultivieren und zu genießen. Es gab keine süßeren Nektar in allen Welten.

Kurz vor Morgengrauen, der dunkelsten Stunde der Nacht, zog er von dannen zu seinem Versteck. Alles weitere würde von selbst geschehen.

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Laut hallten seine Schritte in der hohen, weiten Halle wider, in der er sich urplötzlich wiederfand. Interessiert betrachtet er die Gemälde an den Wänden und Antiquitäten in den Vitrinen. Träumte er? Wahrscheinlich. War ja schliesslich nicht das erste Mal, dass er seltsame Dinge träumte, auf die er sich bis heute keinen Reim machen konnte. Nachdenklich strich er die strahlendweisse Seidentunika glatt, die er trug, und betrat den langen Gang der vor ihm lag.

Dunkle, hölzerne Paneelen säumten die Wände. Auch hier schlugen seine schwarzen Lederstiefel auf feinsten Marmor auf. Auf seine eigenen Füsse achtend - und sinnierend wann er sich den jemals solch teure Stiefel hatte leisten können - entging ihm um ein Haar die Tür zu seiner Linken. Vorwitzig wie er war, konnte er dem Drang nicht widerstehen. Dem Drang an einem fremden, viel zu perfekten Ort, eine Tür zu öffnen, die wie auf einmal da war.

Bevor er sich also versah, stand er schon in dem Raum. Erleuchtet von Kerzen in silbernen Kandelabern, das Licht sich brechend in den Edelsteinen, die in den Möbeln eingelassen waren. Rot, blau, grün, violett.

'Willkommen!' brach eine männliche Stimme seine Faszination. Der junge mann wandte seine Augen auf die Person, die dort sass - an einem Tisch, auf dem ein Brett mit Spielsteinen stand. Mit erstaunlicher Ruhe trat Kelrath an den Tisch und nahm Platz.

'Wer bist Du?' fragte er ruhig den Mann, dem er nun gegenüber sass und den er nun genauer musterte. Kastanienbrauner Vollbart und ebensolches Haar umrahmten ein Gesicht mittleren Alters. Feingliedrige Hände ragten aus den Ärmeln der goldbesäumten, schwarzen Tunika hervor.

'Ich bin was ich einst war, vor Jahren, die ich verlernte zu zählen. Nimm Platz und lerne was ich dir zeigen werde. Doch erst...' der Blick des Mannes wanderte zu dem Spielbrett vor ihm. '...lehre ich dich Geduld.'

Und in die Augen des Mannes schlich sich etwas....bösartiges, arrogantes und Überlegenes.

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Leise heulte der Wind über die kleine Insel, Wellen aus dunklem Wasser schlugen sanft gegen den schwarzen Stein. Beinahe bis an seine Füsse schaffte es das Wasser, so klein war das Eiland. Doch eben nur beinahe. Grimmig lächelte er, auf dem Thron aus reinstem Schatten sitzend und starrte in die vollkommene Finsternis. Zufrieden betrachtete er sein Werk - vier grauhäutige Wesen, gepfählt auf Stalagmiten aus schwarzem Granit.

Halb Goblin, halb Mensch schienen sie zu sein. Bewaffnet mit Stöcken und Steinen. Ob es sowas wirklich gab? Der junge Kleriker zuckte mit den Schultern...es reichte, dass es in seiner Vorstellung so war und der erste Schritt hinter ihm lag. Missmutig betrachtet er die blauen Flecken und kleinen Stichwunden an seinem nackten Oberkörper. Nun...perfekt war etwas Anderes, der Schleier aus Schatten hatte nicht allzu viel Schaden von ihm fern gehalten, die Verletzungen nicht auf solche Art gemindert, wie er es sich erhofft hatte. Aber...es war weitaus besser als bei seinem ersten Versuch.

Ein sardonisches Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Es war harte Arbeit gewesen, das Wissen um die Verschmelzung seinem Meister aus den Rippen zu leiern...nun, symbolisch gesprochen. Harte und schmerzvolle Arbeit. Es war Zeit dies einfacher zu gestalten...Zeit nach dem wahren Namen seines Lehrers zu suchen. Zeit, ihn vollkommen zu unterwerfen.

Alea iacta est

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