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 Betreff des Beitrags: Tyranny
BeitragVerfasst: Do 26. Jan 2023, 14:21 
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Registriert: So 24. Jan 2010, 16:15
Beiträge: 8394
Ich kann nur sagen... wow.

Inzwischen bin ich beim vierten Spieldurchgang dieses isometrischen CRPGs.

Dazu muss gesagt sein, dass man in 20 Stunden mit einem Spieldurchgang fertig ist, das Spiel aber im Grunde mehrfach spielen muss, wenn man die ganze Story haben möchte, da man andere Orte und Charaktere trifft, je nachdem, welcher Fraktion man sich anschließt (oder auch Orte und Charaktere einfach aus anderer Perspektive wahrnimmt).

War ich anfangs erstmal nicht so begeistert, so haben mich doch das Setting, das Storytelling, die Charaktere und die Begebenheiten mehr und mehr gefesselt.

Zunächst einmal fängt es mit einem fast schon profanen, bekannten Background an: Ein offenbar unsterblicher, übermächtiger dunkler Overlord namens Kyros hat sich vor vierhundert Jahren daran gemacht, Zug um Zug die Welt zu unterjochen und steht nun kurz vor Vollendung seines Ziels, nur noch eine letzte Region, die es zu unterwerfen gilt, die "Tiers" oder auf deutsch "Stufen", eine gebirgige Halbinsel. Dann war es das aber auch schon mit dem Allbekannten.

Denn der Charakter, den du selbst spielst, das ist nicht der strahlende Held, der sich gegen den Tyrannen stellt, im Gegenteil. Du bist ein Fatebinder, gesandt vom Obersten Gericht des Tyrannen, der gemeinsam mit zwei mächtigen Generälen und deren Armeen dafür sorgen soll, dass auch diese letzte Region endlich unterworfen wird.

Und das Kernproblem der Eroberung sind nicht einmal die hoffnungslos unterlegenen und untereinander zerstrittenen Verteidiger der Tiers, sondern die Tatsache, dass die beiden Generäle einander wie die Pest hassen. Schnell wird auch klar, warum. Die eine Armee, die sogenannten Disfavored, ist eine disziplinierte, faschistische Nazi-Armee, die sich Rechtschaffen Böse quasi auf die Stirn tätowiert haben und die andere Armee ist eine chaotische, anarchistische, bunte Truppe aus Kriminellen, Vergewaltigern, Sadisten und Wahnsinnigen in denen man sich über die Leichen seiner Vorgesetzten nach oben morden kann und dann nur solange seine Position innehat, bis man selbst ermordet wird, die klassische CB-Truppe mit einem extrem hohen Verschleiß, aber das ist kein Problem, denn wenn ein Dorf unterjocht wurde, heißt es für die Bewohner: Rekrutierung oder Tod.

Die ersten drei Jahre der Eroberung geschehen dann im Schnelldurchlauf, wobei du auf einer Karte die Fortschritte erzählt bekommst und immer wieder einmal in deiner Position als Fatebinder politische, wirtschaftliche, juristische oder militärische Entscheidungen treffen darfst (wobei du fast ausschließlich nur zwischen verschiedenen bösen Optionen wählen kannst).

Zuerst sieht es noch sehr gut aus, doch die beiden Armeen sabotieren einander immer wieder gegenseitig und am Ende kommt es zu einem Aufstand der geschundenen Bevölkerung, der alle Bemühungen der drei Jahre wieder zurückwirft, wodurch der in der Ferne verweilende Overlord die Geduld verliert und ein fatales Ultimatum stellt - entweder die Region ist binnen von acht Tagen unterworfen oder ein außerordentlich mächtiger Massenvernichtungszaubers des Overlords wird über das Land kommen und ALLE töten - beide Armeen, alle Aufständischen, alle Bewohner... und dich ebenfalls. Und um die Motivation zusätzlich zu erhöhen, verhindert der Zauber auch eine Flucht, alle sind eingesperrt.

Und so beginnt dieses äußerst denkwürdige Abenteuer.

Eine Reise durch ein vom Krieg verheertes Land voller Schrecken, Leid und menschlicher Abgründe. Absolut widerwärtige Menschen, an deren Seite zu kämpfen musst. Heroische Gegner, die du töten oder unterwerfen musst, wenn du nicht selbst sterben willst. Bürger und normale Soldaten auf allen Seiten, die versuchen, sich irgendwie mit der ganzen Scheiße zu arrangieren und nicht den letzten Rest ihrer Seelen und ihrer Menschlichkeit zu verlieren.

Und trotz dem ganzen abstoßenden Szenario ist die ganze Spielwelt von einer grotesken, nihilistischen Schönheit durchzogen, der ich mir nicht entziehen konnte, es gibt ein sehr tiefgründiges und hochinteressantes Worldbuilding, das man nach und nach erkunden und verstehen kann, sehr liebevoll ausgearbeitete und faszinierende Stories der einzelnen Figuren und eine wirklich tolle Storyentwicklung, die eigentlich auch von vornherein klar macht, dass es hier für niemanden ein Happy End geben wird.

Das Ganze macht Spaß und bewegt auf unterschiedliche Weise, je nachdem, was für eine Art Charakter du spielst, du kannst natürlich einen skrupellosen Irren spielen, was vieles viel einfacher macht und dir auch ganz eigene Storyeinblicke ermöglicht, aber du kannst auch versuchen, einfach nur die arme Sau zu sein, die mehr oder weniger unfreiwillig hier gelandet ist, nur zu überleben und sich seine Menschlichkeit zu bewahren versucht.

Du triffst auf faszinierende Figuren mit ihren ganz eigenen Höllen.

Sei es eine Psionikerin, die mit fünf Jahren das schreckliche Ausmaß ihrer Kräfte entdeckte, als sie ihrem ungeborenen Bruder im Mutterleib darum bat, möglichst bald aus dem Mutterleib herauszukommen, was dieser Fötus, der ihrem mentalen Befehl gehorchen musste, auch umgehend tat (mit entsprechend blutigem Ergebnis). Ein wahnsinniger Foltermeister, der im Zuge des Verhörs im wahrsten Sinne des Wortes Eins wird mit seinen Folteropfer, so dass er dessen Bewusstsein verschlingt und in zu einem Teil seines Hive-Minds macht, das wiederum als Kollektiv das Bewusstsein des Foltermeisters ist. Ein Soldat, dessen Körper durch einen überfunktionierenden Heilzauber mit seiner Rüstung verschmolzen ist, so dass er sie nun nie mehr ausziehen kann (und auch in ihr seine Notdurft verrichten musst).

Tyranny ist für mich das erste Spiel, das von seiner Tiefe und Storyintensität mit Planescape: Torment mithalten kann. Wirklich ein echtes Meisterwerk! :)

Ist natürlich auch alles irgendwo Geschmackssache.

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~"This ist my battle. This is my battleship."~

"Jene, die sich Abenteurer nennen, sind grausame Individuen aus einer anderen Welt. Sie sind auf der ständigen Suche nach neuen Opfern für ihre dunkle Gottheit Exp, die sie dafür mit immer stärkeren Fähigkeiten und Kräften ausstattet."

~Shadow is a man who never loses his virginity - because he never loses.~


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 Betreff des Beitrags: Re: Tyranny
BeitragVerfasst: Do 26. Jan 2023, 16:23 
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Registriert: Sa 12. Dez 2009, 20:46
Beiträge: 259
Ich habe noch nie etwas von diesem Spiel gehört.

Da ich Planescape Torment oder Planescape: Tides of Numenera so geliebt habe wegen ihrer Erzählarten der Story, bin ich jetzt nun gespannt ob du Recht hast mit Tyranny.

Danke für dieses ausführliche Review.

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