~ Prequel ~Der Frater wartete ungeduldig vor der Werkbank des Glasbläsers und folgte jeder seiner Bewegungen. Die rußschwarzen Wände glänzten vor öligen Ausdünstungen und Ablagerungen und warfen flackernd das Licht des kleinen Ofens zurück. Es roch nach Kohlsuppe, Unrat und den säuerlichen Ausdünstungen der Familie, die scheinbar nachts im gleichen Raum schlief. Dieser war klein und winzig, die Ausstattung der Werkstatt bescheiden und ärmlich. Vor dem offenen Fensterladen klimperten lustig die gläsernen Erzeugnisse seines Gegenübers im frischen Seewind der Hafenstadt. Die prikelnde, unverbrauchte, kalte Luft sandte Arkadis Grüße in jeden Laden und vertrieb in kurzen Hüben die üblen Gerüche des Viertels.
In winzigen Fächern und Döschen ruhten zahllose Perlen, Röllchen, Kügelchen, Stecker, Hänger mit und ohne Loch, in allen Farben des Regenbogens. Sie alle waren aus billigem Glas und leuchteten dennoch mit Stolz und funkelndem Selbstbewusstsein gegen ihre edleren Konkurrenten an. Ihre Macht und Pracht kam von der schier unbegrenzten Farbenfülle und den frechen Mustern, die sie damit bildeten. Jede einzelne Glasperle war nahezu wertlos. Ein wenig Sand, etwas Feuer und die gichtigen Hände des Gießers waren kaum ein messbarer Wert, um den Preis so einer Perle für die Armen der Stadt, aus dem Bereich des Bezahlbaren zu heben. Das einfache Zierglas war zudem meist matt und undurchsichtig. Der Schmuck der einfachen Leute und ihrer Kinder, von allen belächelt, den meisten verachtet.
Und so staunte der alte Gießer nicht schlecht, als die unheimliche, dürre Gestalt in seinen Laden trat und ihm einen Lohn bot, mit dem er seine Familie sorgenfrei über die nächsten Wochen bringen konnte. Der Frater hätte für den Betrag sonstwas verlangen können, was er aber nicht verlangen konnte war, das Verstehen des alten Mannes. Und das war auch gut so, er sollte einfach den Anweisungen folgen und seine Kunst entfalten. Bis zu einem gewissen Punkt, an dem der Frater eingreifen würde. Aber an diesem fernen Punkt waren sie noch lange nicht. Die Ungeduld des Fraters kämpfte gegen das Mantra des schwarzen Eises, welches sein Verstand wieder und wieder murmelte. Seine Zähne knirschten wie die unzählig glitzernden Glassplitter unter den Hacken seiner Stiefel und kündete von den ebenso unzähligen Fehlversuchen.
Rhythmisch folgten die Zutaten in den Tiegel, Sand, Asche, Farbe und etwas Blei um das Schmuckstück haltbarer zu machen als gewöhnliches Glas. Vermischen, schmelzen, formen, kühlen, in der immer gleichen Abfolge. Zeit genug also um seinen Gedanken etwas Raum zu gönnen. Dieser Jerem hatte versprochen, sich um das Problem zu kümmern, er wollte eine Lösung parat haben. Der Frater solle sich nur gedulden und bereithalten .... und warten. Und so wartete er, tagelang, wochenlang ... die Wochen fügten sich inzwischen zu Monaten. Und er wartete. Die Situation wurde immer schlimmer, mit jedem Tag warten. Sollte die eine monströse Entität, die Anderen entdecken, so vermutete er, würde die Situation eskalieren, sich ins Unlösbare steigern. Er musste unbedingt diesen Jerem auf das Dilemma aufmerksam machen, auf dass er den Schaden erkennen möge, den er mit seinem Zögern heraufbeschwört. Aber nun gut, sterben müssen eben alle ... früher oder später. Es ist nur eine Frage des Zeitpunktes, und der Zeitpunkt, zu dem sich Tara dem dämonesken Monster im Mantel zum Fraß vorgeworfen hat, war im besten Fall als
ungünstig zu bezeichnen.
Der Frater schmunzelte, aber wer war er schon, jeder war seines Glückes Schmied und Herr seiner Sinne und seines freien Willens ... zumeist, mehr oder weniger. Er barg und begrub nur die Reste, mal sehen was bleibt, wenn die zwei sich die Augen auskratzen oder die zwei anderen sich verbünden. Im letzteren Fall wäre die Ernte reich und reichlich. Wenn sie dann das Interesse verlieren, den Rest von Tara wieder auswürgen, oder zumindest das, was einmal Tara war, dann würde er den Teil aufklauben, bergen und versuchen ihre Seele zu retten. Aber dafür brauchte er diesen Anker.
Mit mühsam unterdrückter Ungeduld konzentrierte sich der Frater auf den neuerlichen Abkühlungsvorgang. Wenn sich aus der orange glühenden, honigzähen Masse langsam das Farbenspiel des Glases entfaltete.
Es sollte doch nur Rot sein, nicht irgendein Rot, nein eben dieses eine Rot. Schlicht
Rot in seiner schönsten und reinsten Form. Nicht Leucht-Rot, auch nicht Matt-Rot oder gar Rosa-Rot. Nein, einfach schlicht und doch so unerreicht
Blut-Rot...... Jedesmal wenn der Glasbläser sein Werk aus dem Tiegel hob und es vor das Licht hielt, hatte der Frater den Kopf geschüttelt, wieder, wieder und wieder. Stoisch, unnachgiebig, kompromisslos und für seinen Gegenüber mit scheinbar unendlicher Geduld.
nein,
nein,
nein... die Stunden krochen über den Horizont ....
HALT Erschrocken versuchte der Handwerker seine Letzte Mischung vor dem Zerschellen zu bewahren ... das war es ... er hatte die Mischung nun zufällig so getroffen, wie der Frater sich einen Tropfen Blut bei Vollmond eben vorstellt. Blaues Licht, das die Sekrete im segensreichen Nass in einem samtig roten Ton zum frischen Glühen bringt.
nahezu Perfekt ... nickte der Frater dem erstaunt, fragenden Blick mit den müden dunklen Rändern zu. Der Frater deutete auf die Zeichnung und den darauf abgebildeten Tropfen. Kein langer schlanker, kein dünner flüssiger, nein, ein träger breiter und sämiger Tropfen. Dickflüssig eben. Die Schritte waren nun vom Frater vorgegeben, jeder Handgriff musste nun sitzen, nichts durfte wackeln oder fehlgehen. Ein Knick, ein Ruckler und alles war dahin. Aus dem Tiegel mit der Sandmischung entstand der nächste Tropfen in der Glut des Feuers, zäh glitt er in die lehmige Fassung und vertrieb zischend die Luft aus der Form. Im Dunkel der Form hing an einem feinen Draht ein rundes Plättchen aus Gold und Silber, welches zwar in der Hitze des Glases weich werden, aber auf keinen Fall seine Form verlieren durfte. das Glas durfte auch nicht zu flüssig sein, es musste das Kleinod nur umschmeicheln und einbetten, aber es nicht schmelzen lassen und so verformen. Aber dieser Teil der Herstellung verlief überraschend zügig und kündete von der jahrelangen Erfahrung des krummrückigen Meisters in der Schmuckherstellung.
Noch eine Zeit des Auskühlens, eine Fassung an den Ursprung des Tropfens, eine feine, silberne Kette, ausgiebiges Schleifen und Polieren und vor den Augen des Fraters baumelte eine bestechend schlichte Glasperle. Er trat an die Glut der kleinen Esse und hielt das Kleinod vor das Feuer. Erst jetzt drangen die Strahlen durch das dunkle Rot und zeichneten die Konturen des Inneren nach. Erst jetzt entfesselte der Anhänger seine ganze sakrale Macht. Zufrieden nickend und ohne ein weiteres Wort verließ der Frater hastig die wohl bescheidenste Weihestätte Gonds und eilte gen Mantel.