>>Vor etwas mehr als einem Mond<<
Mit langsamen Schritten betrat er die große Halle, die sich hinter zwei gewaltigen, eisernen Toren befand, bewacht von zwei an die Pfeiler der Tore angeketteten Bestien. Bestien von so großer Macht, dass Sterbliche sie, unter anderen Umständen, sogar anbeten würden. Hier waren sie lediglich… Wächter. Ein Umstand, der ihnen sicherlich missfallen würde, hätte man sie nicht des eigenen Willens beraubt. Er verschwendete keinen Gedanken an sie, sie waren für ihn nicht von Bedeutung, gehörten lediglich zum Inventar. Andere Dinge waren nun wichtig. Der Oberste Führungskreis war zusammengerufen worden. Die Macht, die sich, wenn jetzt nach und nach alle eintreffen würden, in diesem Raum versammeln würde, wäre ausreichend um Faerûn auszulöschen. Doch das hatten sie nicht vor. Das waren nicht die Ziele… des Rubins. Der Rubin hatte größere Ziele, weitaus Größere.
Er hielt inne. Etwas stimmte nicht. Für gewöhnlich war er einer der Ersten, die hier ankamen, denn er zog es vor, immer etwas früher da zu sein, als angekündigt. Doch dieses Mal war er der Letzte, alle anderen waren bereits versammelt. Alle, bis auf ihn selbst, hatten bereits ihre Plätze eingenommen und die Versammlung schien in vollem Gange gewesen zu sein, bis eben. Hatten sie die Versammlung vorverlegt? Sich früher getroffen? Und alle, alle Mitglieder des Obersten Führungskreises waren darüber in Kenntnis gesetzt worden, außer ihm selbst, dem Puppenmeister? Er vernahm den leisen, beruhigenden Klang der Violine, gespielt von der Dunkelelfe, die hinter ihm folgte. Sie war mit ihm hereingekommen, auch sie hatte nichts davon gewusst, dass die Versammlung schon früher beginnt als angekündigt, sie hätte es ihm gesagt. Sie sagte ihm alles. Sonata. Seine einzige Vertraute. Seine einzige Freundin. Die einzige Person in dieser Welt, die seine großartige Vision teilte. Die sie verstand. Es war so eingerichtet, dass die Klänge, welche sie auf jener Violine spielte, nur von ihm und ihr selbst vernommen werden konnte. Sie spürte, dass er sich aufregte, eine seinen Zorn besänftigende, seinen Geist beruhigenden Weise erforderlich war, die sie nun ohne Unterlass spielte.
Und es war.. erfolgreich. Der Blick des Puppenmeisters ging durch die Reihen der Anwesenden. Die bis kurz vor seiner Ankunft noch getätigten Gespräche hatten jäh geendet. Viele der Anwesenden wagten es nicht, ihn anzusehen. Sie wussten, dass es eine direkte Provokation, eine Demütigung war, gerichtet gegen den Puppenmeister, die Versammlung früher zu beginnen, ohne ihn zu informieren. Eine Demütigung, die in die Wege zu leiten nur eine einzige Person in der Lage gewesen wäre.
"Ah… Vincent."
Der Vorsitzende selbst. Seine kalte Stimme, die immer in freundlichen Worten sprach und nie die Fassung verlor, ließ den Puppenmeister einmal mehr erschaudern. Der Vorsitzende. Die einzige Person, der er Rechenschaft schuldig war. Die einzige Person des Rubins, dessen Macht selbst die seine in den Schatten stellte. Die einzige Person… die er fürchten musste. Und das tat er. Er war kein Narr. Exzentrisch für einige, wahnsinnig für andere, aber kein Narr. Er kannte seine Grenzen. Der Puppenmeister neigte sein Haupt, gleichsam mit ihm tat Sonata dies ebenfalls, ohne ihr für den Puppenmeister vorgetragenes Violinenspiel zu unterbrechen. Der Vorsitzende umrundete den gewaltigen Tisch, an dem alle in ihren Stühlen versammelt waren, näherte sich dem Puppenmeister. Nach wie vor wagte fast keiner, den Puppenmeister anzublicken. Alle warteten auf die weiteren Worte ihre unumstrittenen Meister, des Vorsitzenden.
"Vincent, wie schön, dass du es einrichten konntest."
Vincent. Eine weitere Demütigung. Kaum einer wagte es, diesen Namen auszusprechen. Er war der Puppenmeister. Er hasste den Namen Vincent. Vincent. So hatten ihn die Kinder genannt, als er selbst noch ein Kind war. Die ihn schlugen, in den Dreck traten, ihn demütigten, weil sie sich von seinem überragenden Intellekt bedroht fühlten und in ihrem einfachen Denkmuster keinen anderen Weg finden konnten, dem Ausdruck und Abhilfe zu verschaffen. Bis er sie daran hinderte. Endgültig. Vincent. So hatten ihn seine Eltern genannt, die ihn erniedrigten. Die es wagten, ihm Anweisungen zu geben, ihm zu erklären, wie die Welt war oder eher, wie ihre einfachen Geister sie sahen, die den Affront besessen hatten, sich trotz offensichtlicher Beschränktheit ihm überlegen zu fühlen, als er noch ein Kind war. Bis er sie daran hinderte. Endgültig. Doch den Vorsitzenden konnte er nicht hindern. Ihn herauszufordern, hieße, den Teufel selbstherauszufordern. Obgleich… könnte er es… inzwischen nicht sogar, mit all der von ihm angesammelten Macht…?
Eine weitere Stimme unterbrach seine Gedanken. Die Stimme aus der Kehle jener untoten, blassen Sonnenelfe, in deren Klang ein gewisses Amüsement lag. Ein Amüsement, das in ihm das Verlangen erweckte, ihr die vorlaute Zunge herauszureißen. Dem Vorsitzenden entlockten die Worte der untoten Elfe hingegen ein dünnes, kaltes Schmunzeln auf den grausamen Lippen.
"Vincent..? Wirklich? Dein Name ist Vincent?"
Dakathua Daath Xilo Corruaiat. Wie er sie hasste.
_________________ ~"This ist my battle. This is my battleship."~
"Jene, die sich Abenteurer nennen, sind grausame Individuen aus einer anderen Welt. Sie sind auf der ständigen Suche nach neuen Opfern für ihre dunkle Gottheit Exp, die sie dafür mit immer stärkeren Fähigkeiten und Kräften ausstattet."
~Shadow is a man who never loses his virginity - because he never loses.~
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