Die Seherin schaute besorgt zum Himmel: wieder dräuten sich dunkle Wolken, die sicherlich Schnee bringen würden. Winter kamen und gingen, brachten Kälte und Tod - und bargen doch auch neues Leben. Sie war vorbereitet: und hatte - als es Zeit war - genügend Kräuter gesammelt und getrocknet, die nun halfen gegen den keuchenden, bellenden Husten, der so manchen schüttelte, gegen den bösen Katarrh, der jung und alt ereilte. Sie hatte Salben gegen die Frostbeulen an Händen und Füssen, linderne Pulver und Tränke für die, die die Heilerin aufsuchten. Sie war da.
Mehr noch aber: sie verteilte die wollenen Handschuhe, Stulpen, Schals und Mützen, die sie oft als Lohn gefordert hatte im Sommer von ihren Patienten, wenn jemand ihre Arbeit vergelten wollte. Sie wusste schon, warum. Winter kamen und gingen und man musste sich vorbereiten.
Auch das Fell der Rothe, das Vlad damals brachte, leistete nun gute Dienste: es dichtete die zugigen Zelte ab, in denen sich die, die kein Heim und keine Bleibe in der Stadt hatten, eng aneinanderkauerten. Doch obwohl Auril ihren kalten Atem schickte: Kossuths Wärme durch die vielen Lagerfeuer, die unermüdlich brannten (wie gut, dass die Lagerbewohner für Holzvorräte gesorgt hatten, auch wenn sie damals murrten, als Railanta sie im warmen Sommer schuften liess), durch heissen Met und Fliederbeersaft. Die Wärme half. und man hörte neben dem allgegenwärtigen Husten auch Lachen und Lieder erklingen - und manchmal tat man sich wohl auch mit den Leuten am nahegelegenen Schrein zusammen.
Die Schamanin wusste, was zu tun war.
_________________ 'Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung' ~ Eugène Ionesco
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