Der Frater wanderte gemessenen Schrittes zwischen den Kisten und Kästen auf und ab, bei dieser oder jener stehen bleibend, hob er den Deckel und begutachtete den Inhalt. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, kaute er konzentriert auf seiner Unterlippe, derweil er die endlosen Listen im Geiste durchging. Reines Leinen, weiß, 20 Ballen, die Tonkrüge mit den Kräutern, Salben und Tinkturen, mit Stroh umwickelt, wasserdicht versiegelt. Er hielt kurz am Tisch inne und machte eine Notiz. Die frischen Därme, schwer zu bekommen dieser Tage, aber er durfte sie nicht vegessen, sie mussten noch zugeschnitten werden. Der Frater seufzte, er war keine Krämerseele, er brauchte einen Schreiberling, irgendeine dienstbare Seele, die ihm bei dieser jergalitischen Aufgabe half. Er lief sonst Gefahr, etwas zu übersehen oder zu vergessen. Doch wo sollte er suchen? Diese Flüchtlinge, die Rivin derzeit belagerten wie Schmeißfliegen einen Pferdehintern, wurden bereits abgeerntet. Die Trommler und Werber der großen Organisationen suchten sich bereits das beste Menschenmaterial aus der Menge heraus, wie Rosshändler auf dem Viehmarkt. Aber mal sehen, vielleicht gab es ja noch den einen Übriggebliebenen, der anders war, zu abartig und verschlagen, um in ein Schema zu passen. Hauptsache er konnte lesen und schreiben. Der Frater blickte zu den Stapeln aus Kisten und Fässern, der Transport zur Front wollte organisiert werden, und dann wiederum, der Blick des Fraters ging zu den leeren Tiegeln, Vorratsgläsern und Phiolen, der
Abtransport der Leichen ebenso.
Langsam tauchte er die Rabenfeder in die schwarze Tinte und ließ die Feder über das dicht beschriebene Pergament tanzen, dabei viel ein unbedachter, dicker schwarzer Tintenklecks auf die polierte Tischplatte und bildete eine nahezu perfekte halbe Perle, die wie ein Onyx, mit gläserner Schwärze, das Licht der Kerzen widerspiegelte.
... dämoneske Sauzucht ... Onyx ...Der Frater warf fluchend die Feder hin ... fast hätte er es vergessen ... Er eilte zu dem vorletzten Bett und schob es mit einem hastigen Ruck zur Seite. Ein kräftiger Tritt auf das Ende der Diele, entriss die rostigen Nägel mit einem schrillen Kreischen ihrer hölzernen Wiege und ließ die Bohle nach oben schnellen. Er starrte in das schwarze Loch, das sich zu seinen Füßen öffnete und lächelte grüßend in die kleinen grünen Augen, die ihm böse entgegen blickten. Es war ja gewollt, dass sich die untote Ratte mit ihrem nekrotischen Gift, sofort in jede lebende Hand verbeißen würde, die diesem Loch zu nahe käme. Aber nun vor seiner Hand, floh das treue Geschöpf bis in die letzte Ecke dieser behütenden Finsternis, wo es durch einen Wink des Fraters, seiner Aufgabe enthoben, zu einem leblosen und sinnleeren Kadaver verging. Er griff in das Loch und hob den speckigen Lederbeutel zurück in das Licht und Schicksal dieser Ebene. Satt und schwer wog er in der Hand und das leise Klicken der Steine rief alte Erinnerungen wach. Grim Silberhand hatte ihm diesen Beutel voller Onyxe einst gegeben, damals beim Feldzug gegen die Ork-Stämme in Schattenfall. Später hatte er jedoch nie mehr danach gefragt, wieviele er verbraucht hatte oder gar den Rest zurück gefordert. Nunja, das schlechte Gewissen des Fraters hielt sich in bescheidenen Grenzen, kam es doch auf diese Weise und schicksalsschwangerem Umwege nun wieder der Familie zu Gute.
Die Vogtei des gräflichen Hofes übernahm die Furage der lebenden Truppe, soweit so gut. Wieder wog er den Beutel in der Hand. Das war also
seine Truppe ... er hoffte, dass sie schwer wiegen mochte im kommenden Feldzug. Er musste sich also nur noch eine eigene kleine Ordonanz zusammenstellen, die unabhängig vom gräflichen Furagier-Tross, seine Stabsarbeit übernehmen konnte. Der Frater erhob sich und barg den Beutel in seinem Rucksack. Während seine Gedanken noch weit in der Vergangenheit verweilten, schloss er langsam die Schnallen seiner Sarcina und dachte an die Familie und seinen Schaukelstuhl.
Die Familie ...
'neuer Glanz in altem Ruhm' ...
'den alten Geist der Familie wieder herauf beschwören' ...
'neu beleben', sagte sie. Sicher, das mag von ihr mehr oder weniger metaphorisch gemeint gewesen sein. Aber es schien ihr ernst zu sein, sie schien zu meinen,
was sie ihm da sagte,
wie sie es ihm sagte.
Er hielt inne und schwarzes Feuer schoss in seine Augen, Er sprang auf die Füße, warf sich den Rucksack über, griff seine Waffen, verlosch hastig die Kerzen und eilte durch die Tür in die riviner Nacht.
Und wer oder was sollte ihn daran hindern, sie beim Wort zu nehmen? In gestrecktem Gallop preschte das schwarze Amalgam aus Ross und Reiter wenig später durch die Nacht. Wie einst die Schicksalsbringer des Myrkul, peitschte ihr Vikar nun mit donnernden Hufen durch die Träume der Schlafenden, um ihre Worte getreulich umzusetzen und sie wahr werden zu lassen.
Den alten Geist der Familie wieder herauf beschwören?Der Frater jauchzte in die kristallklare Nachtluft und hielt den alten Schlüssel zum Mausoleum wie ein Schwert gen Mond.
Wünsche soll man mit Bedacht äußern, denn zuweilen gehen sie in Erfüllung.[...]