Er fühlte die dicken Wulsten durch den nassen, dreckigen Lappen mit dem er sich den Staub und Schweiß vom Körper wischte. Sein Rücken, seine Schultern und sporadisch auch sein Gesicht und seine Beine waren von dicken Narben gezeichnet. Früher war Jewdokim stolz auf seine Narben, schließlich hatte er sie in glorreichen Schlachten zu Ehren Tyrannos' erlangt. Diese ehrenvollen Narben waren mittlerweile alle verdeckt, verdeckt durch die dicken Peitschennarben seiner Peiniger.
Drow ... sie waren vor vielen Jahren - vor wie vielen wusste er gar nicht mehr, er hatte jegliches Zeitgefühl in dieser ewig dunklen Hölle verloren - aus dem Schutz der Nacht um das Karawanenlager aufgetaucht, hatten die Hälfte abgeschlachtet und die andere Hälfte als Sklaven unter die Erde verschleppt. Oh wie oft hatte sich Jewdokim schmerzhaft zurückgewünscht in allen Ehren in jener Nacht im Kampfe gestorben zu sein. Stattdessen hatte er nur die ersten Minuten der ungleichen Schlacht miterlebt als ihn ein Drowbolzen mit diesem verdammten Schlafgift die Besinnung verlieren ließ.
"Eryndlyn" - "Rothe" - "Rivvil" - "jiv'undus" ... und viele weitere Worte in dieser grazilen und doch so dunklen Sprache konnte er anfangs nicht einordnen. Aber die Drow brannten es ihm ein. Jedes Mal wenn er zu langsam war, etwas nicht verstand, wurde es ihm ohne Zögern eingeprügelt mit dieser verdammten Peitsche! Ja, Schmerz war ein effektiver, ein gnadenloser Lehrmeister.
Anfangs hatte er sich noch Hoffnungen gemacht zu fliehen, eine Ablöse herauszuhandeln, er war schließlich ein Priester der mächtigen Kirche Tyrannos', ein damarischer Adliger und ja, er war auch Teil einer geheimeren und sehr einflussreichen Gemeinschaft ... all das interessierte die Drow nicht. Viel mehr erfreuten sie sich an perfiden Schauspielen ... machten ihm vor, dass sie ihn ernst nehmen.
Ein gelangweilter Drow-Magier hatte sich einmal die Zeit genommen und einen Verständigungszauber gewirkt. Jewdokim konnte nur einen Zauber wirken, der ihn alle anderen Sprachen verstehen ließ, nicht aber alle sprechen. Wie dumm, wie naiv war er nur. Zunächst hatte ihn der Magier sehr ernst genommen, den Sklavenaufsehern befohlen Kleidung und Rüstung wieder herzugeben und sich bei ihm entschuldigt. Erst als er dann einer besonders perfiden Drowpriesterin vorgeführt wurde, wurde ihm klar, dass alles nur dazu diente sein Leid zu vergrößern.
Jewdokim war kein scheinheiliger Mann. Er wusste ob der Brutalität der Zentarim, der Kirche Tyrannos und vor allem der harten damarischen Gesellschaft. Aber es hatte alles klare Regeln. Man konnte sich orientieren, es hatte Ordnung, Sicherheit, auch wenn diese manchmal eisern durchgesetzt wurde. Aber was die Drow betraf ... es gab nichts woran man sich orientieren konnte. Man konnte alle Befehle befolgen, alles richtig machen und man hatte einfach nur das Pech dem falschen Drow zur falschen Zeit über den Weg zu laufen und zu Tode gepeitscht zu werden. Einfach weil ihm/ihr gerade danach war.
Die Priesterin wollte an diesem Tag Jewdokim zu Tode foltern und um ihre perfide Lust zu steigern, hatte sie noch alles in der Art organisiert, dass er noch Hoffnung fasste bevor sie ihn gänzlich brechen und vernichten würde. Es war reiner Instinkt, dass er einen Heilzauber auf sich selbst wirkte nachdem sie ihm mit einem Opferdolch beinahe die Gedärme herausgeschnitten hatte. Anstatt ihn daran zu hindern, betrachtete sie ihn mit pragmatischen Augen und ließ ihn am Leben. Ein Skalve mit solchen Fähigkeiten hatte mehr Wert lebend als tot. Jewdokim hatte sich noch eine sehr lange Zeit danach gewünscht niemals den Heilzauber gewirkt zu haben. Jewdokim hatte sich oft gewünscht, dass Tyrannos ihm seine Zauber verwehren möge, wenn er neben der harten, körperlichen Zwangsarbeit den Drow zusätzlich mit den von Bane gewährten Zaubern dienen sollte.
Wie oft hatte er sich gefragt was das alles für einen Sinn hatte und er hätte sich das Leben genommen, ob der andauernden Züchtigungen und Erniedrigungen, aber Bane hatte ihm weiter seine Zauber gewährt. Es musste also alles einen Zweck haben und diesen Zweck hatte er an einem Tag erfahren als er einem Drowtrupp als Begleiter zugewiesen wurde, der auf eine gefährliche Mission geschickt wurde; selbst seine Ausrüstung hatte er dafür zurückbekommen. Jewdokim hatte sich perfekt in die Kampfgruppe eingebracht und sogar zwei Dunkelelfen mit seinen Heilzaubern das Leben gerettet.
Er hat bei Bane nicht erwartet als Belohnung seine Freiheit wiederzuerlangen, aber er hätte vielleicht eine Sonderration gutes Essen oder einen Schlafplatz abseits von den stinkenden Orks und Goblins in den Sklavenunterkünften erwartet. Stattdessen hatte ihn diese verdammte Drowpriesterin besinnunglos gepeitscht, weil er sich erdreistet hatte seinen Bllick nicht angemessen zu senken und ihr der Stolz in seinen Augen nicht gefiel. An diesem Tag hatte Jewdokim die Verzweiflung, die Ausweglosigkeit seiner Situation voll erfasst: Er war nicht mächtig genug seine "Meister" zu töten und der verzweifelte Versuch hätte nur dazu geführt. dass sie ihm sein Leben zu einer viel schlimmeren Hölle machen. Er hätte versuchen können zu fliehen, einen entsprechenden Zauber hatte er mehrmals vorbereitet, der ihn zumindest aus Eryndlyn bringt. Aber in den gefährlichen Höhlen des Unterreichs wäre er nur Freiwild gewesen und hätte keinen Zehntag überlebt. Und selbst sich seine Freiheit zu erdienen, war offensichtlich keine Option. Jewdokim konnte nichts tun außer hassen, hassen ... HASSEN!
Das Gift der schlangenköpfigen Peitsche floß brennend durch seine Adern, unaussprechliches Leid ... sein Stolz, seine Ehre, seine Würde ... alles genommen ... der Tod nicht weit entfernt ... und doch sprengte ein euphorisches Lächeln das hasserfüllte Gesicht, als er endlich verstand. Endlich verstand Jewdokim wahren, abgrundtiefen, verzweifelten, alles verschlingenden Hass. Das war der Zweck. Deshalb hatte ihn Tyrannos am Leben erhalten. Er musste verstehen was echter Hass bedeutete. Nun verstand er es. Nun fühlte er es. Mit dieser Erkenntnis ergab er sich der Ohnmacht.
Er hatte überlebt und er überlebte auch die kommenden Monde. Eines Tages, ohne Ankündigung, wurde er einem Drowhändler gegen eine ansehnliche Menge Gold übergeben. Sie hatten ihn verkauft. In der Tat war der Dienst unter dem Händler wesentlich angenehmer; gerade seine klerikalen Fähigkeiten wurden sehr wertgeschätzt, weshalb er nicht mehr wie Vieh sondern viel mehr wie ein Hund behandelt wurde. Dennoch traute er der chaotischen, unverlässlichen Natur der Drow nicht und war immer auf der Hut. Manchmal war vermeintlicher Lohn, nichts anderes als eine besonders grausame Art der Folter.
Als sich eines Tages die innenpolitischen Ereignisse in Eryndlyn überschlugen, entschied sich Jewdokims Meister die Stadt zu verlassen. Es musste in etwa einen Zehntag gedauert haben, bis sie in dieser kleinen, aber scheinbar gut befestigten kleinen Drowsiedlung namens Har'dor'kar angekommen sind.
Hier schien vieles anders zu sein. Es gab sogar Vertreter der Roten Magier von Thay. Er hatte sogar Nicht-Drow gesehen, die keine Sklaven waren und gar mit "Respekt" und "Furcht" behandelt wurden. Es schien zu gut um wahr zu sein und er hatte bereits seine Lehren aus diesen Drowspielen gezogen. Er durfte nichts übereilen, er musste beobachten, seine Chancen ausloten und vor allem durfte er seinem Meister keinen Grund geben misstrauisch zu werden ... er hatte bereits seine Bllicke gespürt und diese ließen nichts Gutes erwarten.
Mit einem emotionslosen Gesicht wischte er sich weiter seinen Körper rein. Sollte sein Meister nur schauen. Der Hass, der versteckt in ihm kochte, ihn antrieb, gab ihm alle Kraft, Durchhaltevermögen und unbedingten Willen den er brauchte um zu überleben. Und er würde überleben.
_________________ Charaktere:
Aktiv Zsaraffein - Auf der Suche nach dem Elamshin
Inaktiv Salokinn - Einsamer Söldner Nachthang - Arroganter Ministerialer und Magier Velgaust - Sympathischer Berufsverbrecher Jewdokim von Stojanow - Zu Ehren Tyrannos'!
Tot/Verschollen Schwarzbart - Nur noch eine finstere Legende des Untergrunds Looy - Milizionär der ersten Stunde
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