Die Legende von Ritterin Eve
Rivin, 50 Jahre in der Zukunft
Der Sturm tobte in den Gassen und Straßen der Stadt, zerrte an den Schindeln der Dächer und rüttelte heftig an den Türen und Fensterläden. Eis und Schnee brachte er mit sich und sein Heulen wurde begleitet von den wilden Stimmen der Winterwölfe. Sie tauchten urplötzlich im Sturm auf, das rote hasserfüllte Leuchten ihrer Augen war das Letzte, was ihre Opfer zu sehen bekamen.
Wie vom Magistrat der Stadt angeordnet, hielten sich alle Bürger außer der Wache in ihren Häusern auf, Fenster und Türen verschlossen und mit Balken gesichert. So kauerten die Familien vor dem Kaminfeuer, dicht aneinandergedrängt Wärme und Schutz suchend. Jedes Rütteln an der Tür, jedes Schlagen an den Fensterläden ließ die Familie zusammenzucken. Zwar lag neben dem Vater ein kurzes Schwert, zwar war gewiss, er würde sich und seine Familie mit seinem Leben verteidigen. Aber das gegen die grausamen Winterwölfe reichen?
„Mami, ich hab Angst, und mir ist kalt.“ Das kleine Mädchen versuchte tiefer in den Schoß der Mutter zu kriechen. „Hab keine Angst, die Nacht ist bald vorbei und dann kommt ein neuer Tag, hell und warm und ohne die schrecklichen Wölfe.“ „Meinst du? Aber wer soll sie denn von hier vertreiben?“ „Hab keine Angst, unsere Wachen jagen die Wölfe heute Nacht und außerdem …. Kennst du due Statue der Ritterin im Tymoratempel? Die von Ritterin Eve, mit der schönen und der hässlichen Gesichtsseite?“ Ja, ich schau aber immer nur die eine Seite an, die andere macht mir Angst.“ „Du brauchst keine Angst zu haben, hör zu, ich erzähl dir jetzt die Legende von Eve, so wie sie mir meine Mutter einst erzählte, als ich so alt war wie du und sie mir im Tempel die Statue zeigte:
Es war vor langer Zeit, als unsere Großväter und Großmütter noch jung waren. Wie heute wurde Rivin und unser Greifenstein damals von bösen Mächten angegriffen. Sie verheerten das ganze Land, plünderten und brandschatzten. Frauen und Kinder weinten, alle hatten Angst, genau wie wir jetzt.
Aber es gab tapfere Helden und Heldinnen, die gegen die bösen Mächte kämpften. Ihre Namen und im Fall wie bei Ritterin Eve ihre Statuen findest du in unseren Tempeln. Eve war eine der stärksten Kämpferinnen. Ihr Gesicht wurde entstellt, als sie sich einem Drachen entgegenstellte und ihn bezwang. Daher kommt der Name am Fuß der Statue: Eve Drachenmal. Es heißt der Drache habe sie fast verschluckt als sie ihn mit ihrem Dolch durch den Rachen in den Kopf stieß und ihn damit tötete. Du siehst also, Eve war wirklich eine der besten Kämpferinnen Rivins.
Daher führte sie auch eine Schar weiterer Helden in die Schlacht und da wie heute und in dieser Nacht alle zusammen für uns kämpften, konnten sie die Mächte der Finsternis besiegen und uns retten. Aber leider gibt es keinen Sieg ohne Opfer.
Als der Feind fast besiegt war, rief er die dämonischen Mächte an und sandte eine letzte große Feuerwolke gegen Rivin. Das Feuer raste über die Strassen und das Land und vernichtet alles, was ihm in den Weg kam. Es war wie ein Feuerdrache aus dem Norden, unaufhaltsam. Eve aber hatte keine Angst mehr vor Drachen und sie war bereit, gegen ihn anzutreten. Als die Feuerwalze auf das Tor zukam, sattelte sie ihr braves Pferd Windläufer. Es war seit vielen Jahren des Kampfes ihr treuer Begleiter …“ „Das Pferd von Eve heißt ja genau wie mein Holzpferd!“ „Sicher, ja, es ist dir ja auch ein treuer Begleiter. Also, sie sattelte ihr Pferd und legte dann den Kopf an seine Nüstern: *Treuer Freund, noch einmal müssen wir reiten, ein letztes Mal, den Feuerdrachen zu besiegen bevor er alles was wir lieben ein für allemal vernichtet. Bist du an meiner Seite?* Natürlich wieherte Windläufer und sp rüsteten sich Ritterin und Roß für den letzten Ritt. Ihre Freunde wussten, dass nur Eve allein den Drachen bezwingen konnten und wenn nicht … darüber wollte keiner Nachdenken, aber sie brachten derweil so viele Leute wie möglich in Sicherheit. Eve gaben sie alles an mächtigen Zaubern als Schutz mit, was sie hatten. Dazu den Segen der Götter. Eve dankte allen und führte dann alleine Windläufer zum Tor. Als man es öffnete, stieg sie auf und zog ihre Lanze. Die Fahne Rivins wurde vom heißen Wind, der den Drachen ankündigte erfasst und flatterte wild an der Spitze der Lanze. Dann hörten alle Eves Worte: *Niemals werde ich aufgeben, niemals wird ein Drache vernichten, was ich schütze! Niemals, nicht heute und auch nicht, wenn Rivin wieder in Gefahr ist!*
Dann ritten sie los, Ritterin und Roß, Eve und Windläufer. Durch das Tor, der Feuerwalze und dem Drachen entgegen. Windläufers Hufe schlugen Funken und Eve senkte die Lanze. Man sagt, sie lachte, so laut das man selbst das Fauchen das Feuer weniger hörte als ihr Lachen. Sie ritt direkt in die Feuerwalze hinein …. Wurde umschlungen von den alles verzehrenden Flammen. Aber sie wurde noch nicht verzehrt. Ihr Mut und das sie für uns kämpfte hielten die Flammen zurück bis sie in der Mitte des Feuers den Drachen sah. Man sagt, es habe eine riesige Explosion gegeben, die man in allen Baronien sehen konnte als Eve den Drachen tötete und sich opferte.“
„Müssen wir uns auch Opfern?“ „Aber nein, den hör weiter zu. Man fand die Überreste des Drachen, man fand aber niemals Eves Überreste oder die von Windläufer. Denn meine Mutter erzählte mir, Eve hatte sich zwar geopfert, aber die Götter selbst haben ihre Seele zu sich genommen als Lohn für ihre Tat. Sie boten ihr Heim in ihren Hallen, so wie den anderen großen Kriegern. Doch selbst die Hallen der Götter sind Eve zu langweilig. Sie ist eine Ritterin, eine Kämpferin. Und so …. Das erzählt man sich … wenn Rivin in allergrößter Gefahr ist, schleicht Eve sich aus den Hallen der Götter weg, rüstet sich und Windläufer und reitet zurück nach Faerun, zurück zu uns. Und dann wird sie aus dem Herdfeuer hervorbrechen und an unserer Seite kämpfen. Mit der Macht des Feuers wird sie die Kälte und die Winterwölfe vertreiben. Solange noch ein Herd- oder Heimfeuer in Rivin brennt, solange es noch Familien wir uns gibt, die Schutz brauchen gegen die Finsternis. So wie wir heute. Siehst du das Feuer im Kamin flackern? Schau ob die darin die Ritterin Eve zu sehen vermagst. Und wenn du schläfst, lausche auf den Klang von Hufen draußen auf der Straße. Das ist Windläufer, der Eve in den Kampf bringt. Und mit ihr werden in höchster Not die anderen Helden wiederkehren und mit uns kämpfen.“
Sanft wiegte die Mutter das kleine Mädchen in den Schlaf. Fest hatten die kleinen arme das kleine Holzpferd umklammert. Die Herdfeuer flackerten als der kalte Eissturm durch Rivin tobte, als die tapferen Wachen gegen di Winterwölfe kämpften. Das kleine Mädchen aber fand endlich den Schlaf als sie das Klappern von Hufe draußen auf der Straße hörte. Ob halb im Schlaf, ganz im Traum … wer will das schon wissen
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