Musikalische Untermalung"Verdammt" murmelte der Junge. "Verdammt, warum immer so früh..." Langsam schritt er weiter, zitterte während sein Atem in der kalten Frühlingsluft kondensierte. Es war Ches und bald würde es wieder wärmer werden, doch spürte man davon in der frühen Morgenluft kurz vor Sonnenaufgang nicht viel.
Er schlug die Hände zusammen, rieb sie aneinander, um auf seinem Weg zum Weiher ein wenig wärmer zu werden. Der dünne Stoff, in den er gehüllt war hielt die Kälte zwar nicht ganz ab, aber war dennoch besser als gar nichts.
Der Weiher war eine Stunde, vielleicht zwei Stunden Fußweg entfernt und so war er gezwungen recht früh aufzustehen, damit er rechtzeitig ankam um im Morgengrauen zu fischen. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass sie zu dieser Stunde, wenn das Licht noch grau und alles ruhig ist, am Besten beißen. Dennoch verfluchte er den Weiher dafür, dass er nicht näher lag und seine Eltern dafür, dass sie in einem Dorf lebten, dass so weit weg vom Weiher war.
Gut, da war die Küste, aber angeln durfte man dort nur, wenn man eine Lizenz und ein Boot hatte und seine Familie war nicht wohlhabend genug, ihm weder das eine noch das andere zu besorgen. Und vom Ufer aus, war es unmöglich etwas zu fangen. Also blieb nur der Weiher.
Er begann zu träumen, von der warmen Stube, von seinem Bett und von Liesl. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen, als er sich vorstellte, sie würde ihn in seinem Bett willkommen heißen. Er dachte in letzter Zeit oft an das Nachbarsmädchen, mit dem er gespielt hatte, als er noch klein war. Immer öfter wurden diese Gedanken intimer und erwachsener. Er stellte sich vor, sie zu küssen und zu streicheln und...andere Dinge, die man im Bett tut. Er hatte noch nie bei einem Mädchen gelegen und hoffte Liesl wäre jene, die ihm diese Gunst gewähren würde. Wenn er wieder zu Hause war, wäre es noch nicht zu spät, seine Mutter wäre schon auf den Beinen und würde den Fisch erwarten, um daraus ein Frühstück für die Familie zu bereiten. Ein weiterer Grund, warum er so früh aufstand. Sein Vater würde sich ebenso fertig machen. Er hatte also wenigstens eine halbe Stunde Zeit für sich, bevor er sich mit seinem Vater auf den Weg zur Arbeit machen würde. Eine halbe Stunde, nicht die Welt, aber besser als gar nichts. Er würde hinüber gehen und Liesl besuchen und er würde sie etwas fragen. Das Band mit dem geschliffenen Stein hatte er nun schon ein paar Tage in der Tasche. Und wenn er zurück käme würde er zu Liesl gehen, es ihr schenken und sie fragen, ob sie mit ihm zusammen sein wolle. Ja das würde er.
Endlich kam der Weiher in Sicht. Als Kind und auch manchmal noch während des Sommers kam er hier her um in den kühlen Fluten zu baden. Es gab keine Strudel oder große Wellen, die das gefährlich machen könnten. An einer Stelle, nahe des Ufers machte der Boden einen steilen Abfall, dass es tief genug war hineinzuspringen. Oder zu angeln.
Er musste nicht einmal ins Wasser gehen, er nahm am Ufer platz und steckte seine Angelrute so in den Boden, dass die Leine im Wasser, genau an der tiefen Stelle hing.
Nun hieß es warten. Er holte das Band hervor, dass er selbst gefertigt hatte. Ein einfaches Leinenband, an dessen Mitte er einen hübschen Stein gebunden hatte, den er gefunden hatte. Er hatte den Stein geschliffen und poliert, dass er nun grünlich glänzte, passend zu Liesls Augen. Er dachte eine Weile an das Mädchen, während er mit dem Halsband spielte, als er plötzlich eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahr nahm. Ein Schatten im Wasser. Aufgeregt setzte er sich auf. Es hatte sich ein Fisch der Leine genähert und der Junge griff leicht nach der Angel, hielt sich bereit zu zupacken und den Fang an Land zu ziehen. Die Leine zuckte, er grifft nach der Rute und zog. Der Fisch zog zurück. Die Leine spannte sich und der Junge zog mit aller Kraft. Seine Hände, steif von der Kälte, fanden es schwer einen Halt an der rauen Rute zu finden. Rau und derb schnitt das Holz im in die Haut als der Zug noch stärker wurde. Das musste ein großer Fisch sein. Wieder zog er, ein Stück kam die Leine auch heraus, dann gab es einen Ruck, die Rute entglitt den Händen des Jungen und rauschte in die Tiefe, dem Fisch hinterher.
"Verdammt! Verdammt, verdammt, verdammt!" rief er und stapfte auf. Was sollte er nur tun? Die Rute war seine einzige Möglichkeit etwas zu fangen. Es würde Wochen dauern, eine neue zu fertigen. "Verdammt..."
"Du hast etwas verloren?" ertönte plötzlich eine liebliche Stimme. Schöner, als alles, was er jemals vernahm. Er stutze und blickte über die Schulter zum Wasser hin. Aus der tiefen Stelle nahe des Ufers ragte ein Kopf hervor. Ein Mädchen, nein eine junge Frau, schöner als alle, die je sah, schöner selbst als Liesl. "Wer...wer bist du? Was machst du da im Weiher?" fragte er perplex und etwas benommen ob ihrer Anmut.
Statt zu antworten lachte sie etwas und fragte wieder "Du hast deine Angeln verloren?" während sich zwei Augen, blau wie Kornblumen, auf das Gesicht des Jungen legten, hob die Frau einen Arm aus dem Wasser, in den Fingern die Angel des Jungen. "Ja...ja woher..hast die?" Seine Stimme war mehr ein Stottern. Diese Augen, der Blick aus ihnen drang in ihn ein, umgarnte ihn. Vergessen war Liesl, vergessen waren die Eltern und das Fischen. Er wollte für alle Zeit in diese Augen blicken, die so tiefgründig waren und so schön, dass es ihn beinahe schmerzte. "Ich fand sie. Möchtest du sie zurück haben?" Es gelang ihn lediglich zu Nicken, den Bann der Augen nicht brechend. "Dann komm und hol sie dir." sie sprach freundlich, einladen. Die Frau wiederholte die Worte "Komm zu mir. Komm und hol sie dir. Komm zu mir, komm und hol sie dir." Wieder und wieder in einer Art Singsang, der ihn noch stärker zu faszinieren schien als der Blick dieser blauen Augen. Langsam schritt er näher, während sie weiter die lockenden Worte sang. Schließlich stand er am Ufer und blickte hinab. Der Junge streckte die Hand aus, er wollte die Angel greifen, wollte die Frau berühren, doch als er den Blick senkte brach das was er sah den Bann. Doch war es zu spät. Die Frau schoss nach oben aus dem Wasser, schlang mit einer unmenschlichen Kraft die Arme um die Taille des Jungen und zerrte ihn mit sich unter Wasser. Er versuchte zu schreien, doch ging der Laut unter den nun tosenden Wellen des Weihers unter.
Zurück blieben die Wellen, die eine Zeit lang mit der Angel spielten. Dann beruhigte sich das Wasser und der Weiher lag ruhig da und die Vögel des Morgens begannen ihr Lied.